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Was sucht die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), wenn sie nach ATTAC fragt? Und es kommt viel schlimmer - Was findet sie? Über eine Studie der KAS.

Wer suchet, der findet - wußte man schon in alter Zeit. Es kommt nur drauf an, wer sucht, und was er sucht. Das Finden findet sich dann schon. Was sucht beispielsweise die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), wenn sie nach ATTAC fragt?

In einer Studie wird zunächst genau erklärt, was ATTAC ist: Das ist die Association pour une Taxation des Transactions Financières pour lÂ’Aide aux Citoyens, zu deutsch: Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohl der Bürger, oder besser, es sind (O-Ton Studie) die "sogenannten Globalisierungsgegner", die mit "gewalttätigen Demonstrationen und Straßenschlachten Â… auf sich aufmerksam" machen wollen. Den Beamtenwitwen in Sankt Augustin kommt das Gruseln.

Auch in Deutschland sei, so die Autoren Ralf Thomas Baus und Ulrich von Willamowitz-Moellendorff, ATTAC zur "größten Organisation der Globalisierungsgegner und -kritiker geworden". Im Anhang wird eine Liste gereicht, auf der sich auch so militante Organisationen finden wie das Ökumenische Netz Mittelrhein e.V. oder Pax Christi Bistumsstelle Trier. Offenbar scheint der KAS auch der Zustand katholischen Engagements Kopfzerbrechen zu bereiten. Jedenfalls hätten bis Juni 2002 fast 7 000 Organisationen oder Einzelpersonen die ATTAC-Erklärung "Die Welt ist keine Ware. Eine andere Welt ist möglich" unterzeichnet oder seien Mitglied. Die Bewegung aber sei antiamerikanisch und antikapitalistisch und die Aufrufe zur Gewaltlosigkeit nur Tarnung. Das Gruseln wächst an.

Die Autoren zählen die großen Demonstrationen seit der von Seattle am 1. September 1999 gegen die WTO, über Davos im Januar 2000, Washington im April und Prag im September 2000 gegen Weltbank und Internationalen Währungsfonds, im Dezember 2000 in Nizza und Juni 2001 in Göteborg gegen die EU-Gipfel und so weiter bis Genua im Juli 2001 gegen den G8-Gipfel auf. Der durch eine Polizeikugel in Genua ums Leben gekommene Italiener Carlo Giuliani wird erwähnt. Aber schuld sind natürlich die Demonstranten selbst. "Mit Hilfe dieser Gipfeltreffen entwickelte die ›globophobe Internationale‹ einen omnipräsenten Konferenzterror mit beachtlicher Medienwirksamkeit", so die Autoren. Sie zitieren die bekannte Tageszeitung Die Welt. Der Satz wird davon aber auch nicht besser.

Helfen nun die Gipfeltreffen der Weltpolitiker jener gruseligen "Internationale "? - Schnell im Schwarzbuch des Kommunismus nachlesen, was das ist! - Dann muß man sie sofort verbieten, die Gipfeltreffen. Oder haben diese Internationalisten einen "Konferenzterror" omnipräsent gemacht? Aber was, zum Teufel, ist "Konferenzterror"? Die Durchführung von Konferenzen, bei denen Berlusconi und andere hochmögende Herren omnipräsent in die Kameras aller Herren Länder grinsen? Wenn das "Terror" ist, dann ist es doch gut, wenn dagegen demonstriert wird. Oder nicht? Vielleicht sollte die KAS ihre Autoren zum Deutsch-Kurs schicken oder einen Lektor einstellen.

Schlimme Forderungen stellen diese ATTAC-Leute! - Kleinsparer aller deutschen Länder, wählt CDU! - Dazu gehören solche furchtbaren Sachen wie Schuldenstreichung für Entwicklungsländer, strengere Banken- und Börsenaufsicht - War da nicht gerade was mit verbreiteten Bi- 5 lanzfälschungen in den USA? -, Stabilisierung der Wechselkurse, stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen, keine Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme. Hier wirke - "Durch Deutschland muß ein Ruck gehen!" - eine "Sehnsucht nach der staatlich garantierten sozialen Vollkaskoversorgung als Triebfeder", so die KASHerren. Schuld auch an ATTAC ist natürlich Rot-Grün, wer sonst? Das Streben dieser gefährlichen Vollkasko-Internationalisten füllt "die Lükke, die die Grünen durch den Eintritt in die Bundesregierung hinterlassen haben, und greift Themen auf, die bis zum Regierungswechsel 1998 Kernthemen der SPD waren". Wird den Sozen nun vorgeworfen, daß sie seit 1998 nicht die Politik gemacht haben, die ATTAC fordert?

Moniert wird auch, daß es die Protagonisten dieser Globalisierung versäumt hätten, "die Vorzüge einer Handelsverflechtung der Weltwirtschaft überzeugend darzustellen. Damit überließen sie den Gutmenschen und demagogischen Vereinfachern das Feld." Dann sollen die "Schlechtmenschen" doch mal begründen, daß es allen besser geht, wenn die Reichen überhaupt keine Steuern mehr zahlen! Und die deutschen Ruck-Proleten sollen gefälligst endlich die Löhne derer aus Shanghai akzeptieren! Die KAS kann ja noch ein paar Argumentations- Pirouetten nachreichen. Man darf gespannt sein.

Unter Verweis auf vielerlei Verfassungsschutzberichte, wohl seit 1980, knöpfen sich die Autoren die Mitgliedsorganisationen und einzelne Unterstützer vor. Da ist die "linksextremistische" DKP, manche arbeiten sogar "mit der PDS zusammen"! Der bekannte Professor und Jesuit Hengsbach (Siehe Blättchen, Nr. 2/2002) bekommt auch sein Etikett ab: er ist "linksorientiert". Pfui! Was soll der Heilige Vater denken? Auch etliche andere der üblichen Verdächtigen - wie der Wirtschaftsprofessor Elmar Altvater, der Psychologe Horst-Eberhard Richter oder Nobelpreisträger Günter Grass (die Herren schreiben Günti mit th), sie alle seien jetzt "offenbar Teil eines älteren linken Netzwerks, das nun versucht, unter dem Stichwort Antiglobalisierung zu reüssieren". Überhaupt: "Widerstand gegen internationale Finanzorganisationen"? Der steht doch, "wie man älteren Verfassungsschutzberichten entnehmen kann, in der Tradition linksextremer Gruppen in Westdeutschland"! Das also ist es, was gesucht wurde.

Als die verschreckte SED-Führung am 17. Juni 1953 in Berlin-Karlshorst in einer SMAD-Villa zusammenhockte, erklärte ihr Marschall Sokolowski, so etwas, wie der 17. Juni, könne nicht von einem Tag auf den anderen entstehen, da sei "eine Organisation" erforderlich. Massenprotest sei nur als Konspiration und Organisationsfrage vorstellbar, nicht als wirklicher politischer Vorgang, das haben diese und jene gemein. Sokolowski spukt jetzt in Sankt Augustin.

in: Des Blättchens 5. Jahrgang (V) Berlin, 22. Juli 2002, Heft 15