Nachhaltigkeit und Entwicklungspolitik

Für eine Renaissance des Staates in der Entwicklungspolitik

Die entwicklungspolitische Diskussion orientiert sich seit Beginn der neunziger Jahre auf die Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit und der Förderung von kleinen, ...

... lokalen oder regionalen Projekten unter zunehmenden Einfluss von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Der (Zentral-)Staat geriet weitgehend aus dem Blickfeld einer linken Entwicklungsperspektive und wurde unkommentiert zum Spielball des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. In der Folge ist der (Zentral-)Staat in vielen Ländern dieser Welt auf dem Rückzug, Staatszerfall ein zunehmendes Phänomen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Erst mit den Terrorangriffen des 11. September ist das Thema wieder auf der öffentlichen Agenda, bieten doch zerfallende Staaten unbehinderte Rückzugsgebiete für Terroristen. Doch primär verhindert ein zerfallender Staat die Entwicklungsperspektive der darin lebenden Menschen. Nur ein politisch starker und ökonomisch aktiver Staat bietet - trotz aller Zwiespältigkeit der auf ihn einwirkenden Interessen - die Basis für eine erfolgversprechende Entwicklungspolitik.

Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik

Gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung ist kein Phänomen unserer Zeit, sondern ein langfristiger Prozess der menschlichen Entwicklung. Der Industrialisierungsprozess im Deutschland des neunzehnten Jahrhunderts etwa stellt eine erhebliche ökonomische Entwicklung dar. Diese Entwicklungen sind immer schon theoretisch beleuchtet und politisch gestaltet worden. Von daher sind Entwicklungspolitik und Entwicklungstheorie altbekannte Begriffe. Im engeren Sinne versteht man heute unter Entwicklungspolitik allerdings jene Maßnahmen, die die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung der ehemaligen Kolonien der imperialistischen Mächte anbelangen. Relevanz erlangt sie mit der großen Entkolonialisierungswelle in den fünfziger und sechziger Jahren, weshalb die Entwicklungspolitik und -theorie als vergleichsweise junge Disziplin anzusehen sind.

Ökologie und Entwicklung

Spätestens seit 1987 der Bericht der Brundtland-Kommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Titel "Unsere gemeinsame Zukunft" vorgelegt wurde, ist der Begriff der Nachhaltigkeit aus der akademischen und politischen Diskussion nicht mehr weg zu denken. Zunächst beschränkte sich der Begriff auf die ökologische Debatte, d.h. auf die Fragestellung, welche Art von wirtschaftlichem Handeln angesichts der ökologischen Folgen überhaupt noch möglich ist. Genauer - so der Grundsatz der Nachhaltigkeit - geht es darum, durch heutiges Handeln die Handlungsoptionen in der Zukunft nicht einzuschränken. Durch den massiven Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen wird deren Verwendung in der Zukunft ausgeschlossen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen durch Schadstoffemission gefährdet. Eine solche Verhaltensweise kann nicht als nachhaltig betrachtet werden.

Inzwischen gibt es bekanntermaßen eine Ausdehnung auf weitere Politikbereiche. So wird die Politik der Haushaltskonsolidierung ebenfalls gerne mit dem Schlagwort "nachhaltige Finanzpolitik" beschrieben, getreu der Logik, dass heutige Verschuldung die Handlungsspielräume künftiger Generationen einschränke. Hieran lässt sich allerdings auch die mangelnde Operationalisierbarkeit des Nachhaltigkeitskonzepts aufzeigen, die im Wesentlich daran scheitert, dass nicht nur der heutige Ressourcenverbrauch, sondern auch deren Verwendung Folgen für die Zukunft hat, die in ihrer positiven wie negativen Wirkung schwer zu bemessen sind. So müssen die höheren Staatsschulden in der Zukunft samt Zinsen getilgt werden, gleichzeitig kann aber eine Verbesserung der Infrastruktur oder die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Produktion einer Volkswirtschaft erhöhen und zu steigenden Steuereinnahmen führen.

Wie kommt der Begriff der Nachhaltigkeit nun in die entwicklungspolitische Debatte? Dies scheint seit Beginn der neunziger Jahre über zwei Mechanismen passiert zu sein. Zum einen gibt es eine Definition von nachhaltiger Entwicklungspolitik, die sehr stark an die ökologischen Wurzeln des Begriffs gekoppelt ist. Sie setzt an der Erkenntnis an, dass Umweltprobleme nicht an nationalen Grenzen Halt machen und - wie das prominente Beispiel CO2 Ausstoß zeigt - häufig nur global gelöst werden können. Zudem gehen reale Wohlstandssteigerungen, etwa in Form von Konsumgütern wie Autos oder Kühlschränke, mit Umweltverschmutzung einher. Gleichzeitig kann und will man nicht ernsthaft Wohlstandsverzicht für die Länder des Südens als ökologische Notwendigkeit propagieren. Es gibt kaum Möglichkeiten, aufstrebende Volkswirtschaften daran zu hindern, das westliche Wohlstandsmodell reproduzieren zu wollen. Nachhaltige Entwicklungspolitik in diesem Sinne versteht sich daher als ein Ausgleichsmechanismus zwischen den globalen Interessen der Menschheit am Erhalt der ökologischen Grundlage und dem Interesse der Länder des Südens an einer Verbesserung ihrer Wohlstandssituation, also ökonomischem Wachstum. Dieser Ansatz feiert - bei allen Schwierigkeiten und Interessenkonflikten zwischen und innerhalb der Länder des Südens und der kapitalistischen Zentren - mit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro seinen Durchbruch in der Entwicklungspolitik.

Entwicklungspolitik des alten Stils

Eine zweite, durchaus komplementäre Erklärungsvariante betrachtet das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als inhaltlich recht wagen Reflex auf die Entwicklungspolitik und -theorie der Nachkriegsära. Bis zum Ende des Ost-West-Antagonismus ist Entwicklungspolitik - entgegen mancher Beteuerung - im Wesentlichen den geostrategischen Interessen der jeweiligen Geberländer untergeordnet. Wesentliches Kriterium für finanzielle Zuwendung ist die Unterstützung der strategischen Interessen der Geld gebenden Seite. Das jeweilige Gesellschaftssystem wird dabei häufig nur pro Forma übernommen.

Für die Sowjetunion bedeutet die gewährte Entwicklungshilfe einen schmerzlichen Verlust von Ressourcen, die alternativ im Inland verwendet oder zu weitaus besseren Konditionen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden können. Beispielhaft seien die Öllieferungen an Cuba erwähnt.

Die westlichen Industriestaaten hingegen verbinden die Entwicklungshilfe seit der zu Beginn der siebziger Jahren erfolgenden Wachstumsabschwächung mit binnenwirtschaftlichen Zielen. Die größer werdende Schere zwischen realer und möglicher Produktion, die - neben anderen Ursachen - auf Sättigungstendenzen zurückzuführen ist, drückt sich in unausgelasteten Kapazitäten, niedrigen Investitionsraten und hoher Arbeitslosigkeit aus. Grundsätzlich bietet die Außenwirtschaft die Möglichkeit, durch entsprechende Exportüberschüsse die unzureichende Nachfrage in Inland auszugleichen und ein höheres Beschäftigungsniveau der Faktoren Arbeit und Kapital sicherzustellen. Die alte Bundesrepublik ist ein Paradebeispiel für eine Volkswirtschaft, die durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse die Beschäftigung höher hält als durch die binnenwirtschaftliche Nachfrage möglich. Da die Wachstumsabschwächung alle westlichen Industrieländer betrifft und auch die Absorptionskraft der Vereinigten Staaten als eines Landes mit einem strukturellen Leistungsbilanzdefizit nicht ausreicht, bleiben als Absatzmärkte eigentlich nur die Entwicklungsländer. Zweifellos besteht hier ein schier grenzenloser Bedarf an Infrastruktur-, Produktions- und Konsumgütern, ohne jedoch über die dafür notwendigen finanziellen Mitteln zu verfügen. Hier bietet sich die Entwicklungshilfe geradezu an, und so verkommt diese zunehmend zur Exportsubvention. Den Zugriff auf die gewährten Mittel erhalten zumeist Großunternehmen, die mit Großprojekten eine Entwicklung in den zu entwickelnden Ländern anstoßen sollen und zugleich die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Ingenieurskunst dokumentieren. Die Zahl der mit deutscher Entwicklungshilfe finanzierten Flughäfen, Staudämme und Industrieanlagen dürfte enorm sein. Entwicklungstheoretisch lässt sich dieser Ansatz mit der Neuen Ökonomischen Politik in der Sowjetunion der zwanziger Jahre vergleichen, da die Länder durch den Aufbau modernster Industriesektoren gleichsam auf ein drastisch höheres Entwicklungsniveau katapultiert werden sollen. Erfolgreich ist dieser Ansatz nicht. Dienen diese Anlagen vielleicht noch den Interessen bzw. dem Geltungsdrang der herrschenden Eliten, gehen sie doch an den realen Entwicklungsbedürfnissen vorbei.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fällt für die Entwicklungsländer, die sich dem realsozialistischen Lager zugerechnet hatten, der Finanzier abrupt weg. Doch auch für die dem Westen zugewandten Ländern verändert sich die Situation. Mit dem Ende der Ost-West-Auseinandersetzung entfällt die geostrategische Notwendigkeit, aber auch die ideologische Legitimationsbasis der oben beschrieben Art von Entwicklungshilfe. Meldungen über gravierende Menschenrechtsverletzungen und ökonomische Ausbeutung durch die herrschenden Eliten lassen sich nicht mehr unter den Teppich kehren, und so manche Regierung in den westlichen Industriestaaten möchte lieber nicht mehr daran erinnert werden, welche Machthaber bis vor kurzem noch hofiert wurden.

Das Ende der großen Theorien

Zeitlich zusammen fällt das Ende der Ost-West Auseinandersetzung mit dem Ende der großen entwicklungstheoretischen Debatte. In den siebziger und achtziger Jahren liefern sich die beiden großen entwicklungstheoretischen Schulen, die Dependenztheorie und die Modernisierungstheorie, heftige Auseinandersetzungen. Auf die Ursachenanalyse dieser beiden Schulen kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Was die entwicklungspolitische Handlungsempfehlung anbelangt, so legt die Dependenztheorie den Entwicklungsländern nahe, sich aus der Abhängigkeit vom Importen aus den Industrieländern zu lösen, die eigenen Märkte vor der ausländischen Konkurrenz abzuschotten und eigene Industrien aufzubauen. Die Modernisierungstheorie hingegen propagiert die Integration in den Weltmarkt und die Anziehung von exportorientierten Unternehmen auf Basis der Lohnkostenvorteile.

Die empirische Erfolgsbilanz der beiden Theorieschulen ist mehr als mager. Beide Schulen prügeln sich geradezu um die Interpretationshoheit des Erfolgs der südostasiatischen Tiger, der einzigen Länder, die im besagten Zeitraum eine relevante ökonomische Entwicklung durchlaufen. Doch deren Entwicklungsmodell kann bestenfalls als Synthese der beiden konträren Schulen betrachtet werden. Das Dilemma des Theoriestreits macht das 1992 erschienene Werk Ulrich Menzels "Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorien" deutlich, dessen entwicklungstheoretische Konzeption für die Zukunft allerdings ebenfalls mager ausfällt. So reiht sich entwicklungspolitisch wie -theoretisch ein verlorenes Jahrzehnt an das andere.

Der Aufstieg der nachhaltigen Entwicklung

In der Konsequenz der praktischen wie theoretischen Konzeptionslosigkeit stürzt sich gerade die politische Linke in den westlichen Industrieländern auf ein alternatives Entwicklungsmodell. Nicht mehr die Förderung (industrieller) Großprojekte steht im Vordergrund des Entwicklungsansatzes. Kleine, überschaubare Projekte unter Einbeziehung der örtlichen Bevölkerungen sind die nachvollziehbare Perspektive. Die maroden und korrupten Zentralstaaten des Südens werden aus der Projektgestaltung heraus gehalten. Das eklatante Demokratiedefizit in den meisten Entwicklungsländern scheint nicht durch die direkte Erzwingung zentralstaatlicher Reformen überwindbar, erst durch die Förderung zivilgesellschaftlicher Elemente ist eine nachhaltige Demokratisierung möglich. Was die ökonomische Entwicklung anbelangt, verabschiedet sich das Konzept der nachhaltigen Entwicklung von großindustriellen Träumen eines revolutionären "großen Sprungs nach vorne". Anstatt die Entwicklungsländer schnellstmöglich an westliche Produktionsstandards heranzuführen, setzt eine nachhaltige Entwicklung an den vorhandenen Strukturen und Möglichkeiten an. Dazu gehört zentral die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion auf Basis traditioneller Anbauprodukte und -methoden, um die Selbstversorgung mit Nahrungsmittel sicherzustellen: eine Fähigkeit, die gerade viele afrikanische Staaten in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr verloren haben.

Die Instrumente der staatlichen Entwicklungshilfe sind für einen solchen Entwicklungsansatz nur bedingt tauglich, sei es aufgrund organisatorischer Hemmnisse oder aufgrund möglicher diplomatischer Verwicklungen. Folgerichtig wird die Entwicklungshilfe in den neunziger Jahren immer stärker auf Nichtregierungsorganisationen (NROs) verlagert, die bei Kleinprojekten und beim Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen wesentlich effizienter arbeiten können. Dieser Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik ist aus heutiger Sicht alternativlos, ebenso wie die damit verbundene Einsicht, dass auch eine erfolgreiche Entwicklung in absehbarer Zeit nicht zu einer drastischen Angleichung der Wohlstandsniveaus zwischen Norden und Süden führen wird. Angesichts der Tatsache, dass seit dem Ende des Kolonialismus nicht nur die Schere zwischen Nord und Süd größer geworden ist, sondern auch das absolute Wohlstandsniveau in vielen Entwicklungsländern gesunken ist, wäre dies allerdings auch eine reichlich illusionäre Vorstellung.

Der zunehmende Staatszerfall bedroht Entwicklung

Obwohl die Ansätze der nachhaltigen Entwicklung noch immer nicht hinreichend verwirklicht sind, lässt sich nach rund einer Dekade des Konzepts feststellen, dass auch die Ansätze einer nachhaltigen Entwicklung nicht den Durchbruch der Entwicklungspolitik darstellen. Im Gegenteil scheint sich die Situation des Südens - bis auf Ausnahmen - immer noch zu verschlechtern, wie man selbst offiziellen Veröffentlichungen wie den Berichten über die menschliche Entwicklung der UNDP entnehmen kann. Worin sind die Ursachen zu sehen? Sicherlich trägt die Handelspolitik der Industriestaaten hierfür eine wesentliche Mitschuld. Die Entwicklungsländer haben in der Vergangenheit vorhandene Zollschranken massiv abgebaut, was für Länder ohne ein funktionierendes Steuersystem zu erheblichen Einnahmeverlusten führt. Im Gegenzug haben sich die Industrieländer, allen voran die Europäische Union, erfolgreich gegen die Öffnung ihrer Märkte gewehrt. Insbesondere die Agrarmärkte bleiben für die Länder des Südens verschlossen. Auch die Form, in der Direktinvestitionen fließen, nämlich hauptsächlich mit direktem Rückfluss der Gewinne in die Herkunftsländer, trägt nicht zu einer vernünftigen Entwicklungsperspektive bei.

Wesentlich erscheint jedoch der zunehmende Zerfall der Funktionsfähigkeit der Staaten des Südens, der in einigen Feldern von Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank forciert wird und dem in anderen Feldern tatenlos begegnet wird.

Staatszerfall meint nicht nur die sehr dramatischen Fälle, in denen staatliche Strukturen nicht mehr existent sind beziehungsweise über keinerlei Kontrolle mehr über das Staatsgebiet verfügen. Auch diese Fälle nehmen zu, sind im öffentlichen und politischen Bewusstsein allerdings erst problematisiert worden, als durch die Terrorangriffes des 11. September deutlich wurde, dass derart zerfallene Staaten ein Rückzugsgebiet für Terroristen darstellen können. Staatszerfall kann schon an einer viel früheren Stelle ansetzen, wenn die staatlichen Strukturen nicht mehr in der Lage sind, Kontrolle über eine Krisensituation zu erlangen, die unter normalen Umständen zu bewältigen wären.

So verfolgt beispielsweise Argentinien in den neunziger Jahren auf Empfehlung des IWF eine klar angebotsorientierte Politik. Der argentinische Peso wird mittels eines currency boards an den US-Dollar gebunden, die Zentralbank gibt damit die Kontrolle über die Geldpolitik auf. Das soziale Sicherungssystem wird stark privatisiert, der Staat veräußert vorhandene Unternehmensbeteiligungen. Inzwischen befindet sich Argentinien in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, die Konzepte des IWF haben sich als fatal erwiesen. Notwendig ist jetzt die Rückgewinnung der geldpolitischen Autonomie, Abwertung der Währung und Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe durch staatliche Nachfragepolitik. Doch es ist fraglich, ob Argentinien die Wirtschaftskrise überhaupt noch engagiert genug bekämpfen kann. Der Staat hat wesentliche Instrumente aus der Hand gegeben, und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass sich Argentinien nicht nur in einer dauerhaften Wirtschafts- sondern auch Staatskrise befindet.

Alle so genannten südostasiatischen Tigerstaaten zeichnen sich während des Entwicklungsprozesses durch einen extrem hohen Grad an staatlichem Interventionismus aus. Auf Druck des IWF liberalisieren sie ihre Strukturen und können die Folgen der asiatischen Finanzkrise Ende der neunziger Jahre auf Produktion und Beschäftigung nicht mehr erfolgreich bekämpfen. Die internationalen Finanzmärkte erholen sich schnell, das reale Wohlstandsniveau jedoch liegt heute noch unter dem Ausgangsniveau. Das interventionistische China hingegen, das man als Nachzügler im regionalen Entwicklungsprozess sicherlich unter den ersten Opfer einer Krise wähnen würde, kann seinen Entwicklungsprozess, gemessen an den Wachstumsraten, auch während der Asienkrise stabil halten. Und schließlich zeigt der Vergleich zwischen der Transformation Russlands mit jener der mittel- und osteuropäischen Staaten, welchen Einfluss ein Zerfall der staatlichen Strukturen auf den Entwicklungsprozess hat.

Wie viel schwerer muss dieses Hemmnis auf jene Entwicklungsländer wirken, in den denen der Staat bei grundlegenden Feldern wie Infrastruktur, Rechtsordnung und innere Sicherheit keinerlei Handlungsfähigkeit hat. Bei aller Sinnhaftigkeit einer nachhaltigen Entwicklungspolitik im Sinne der Abkehr von einer staatsfixierten Entwicklungspolitik darf der Staat nicht aus dem Blickwinkel der Entwicklungspolitik geraten. Für den afrikanischen Kontinent haben der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki und der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo den New Plan for Africa's Development (NEPAD) vorgelegt, der auf dem letzten Treffen der G7/G8 Staaten im kanadischen Kananaskis diskutiert wurde und verhaltene Zustimmung der Regierungschefs fand. Der Plan ist nicht unkritisch zu betrachten, doch könnte er dazu geeignet sein, den Staat zurück in die Entwicklungspolitik zu holen. Noch ein verlorenes Jahrzehnt kann sich niemand leisten.