Frustrierender Klimawechsel - Bericht über eine nachhaltige Ernüchterung

Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 war nicht nur die bislang größte UN-Konferenz, er wird auch als "Gipfel der nachhaltigen Enttäuschung" in die Annalen eingehen...

Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 (World Summit on Sustainable Development - WSSD) war nicht nur die bislang größte UN-Konferenz, er wird auch als "Gipfel der nachhaltigen Enttäuschung " in die Annalen eingehen. Bereits in seinem Vorfeld zeichnete sich ein grundlegender Klimawechsel ab, der sich im Verlauf der Konferenz selbst als das "Ende der Konsenskultur" (Wichterich) offenbarte.

Als vor 30 Jahren in Stockholm die erste Weltkonferenz zu Umweltfragen stattfand, stand die aufgeklärte Öffentlichkeit - zu der das "sozialistische Lager" damals nicht unbedingt zählte - ganz im Zeichen der heraufdämmernden "Grenzen des Wachstums". Der gleichnamige Bericht an den Club of Rome hatte in beeindruckender und für manchen auch schockierender Weise klargestellt, daß das Ressourcen verschlingende westliche Konsummodell nicht globalisierbar ist, weil allein die Anhebung des Lebensstandards aller Erdenbürger auf das (damalige) Niveau eines durchschnittlichen westeuropäischen Industrielandes die Rohstoffreserven von mindestens zwei Planeten des Typs ›Erde‹ erfordern würde. Seinerzeit war allerdings noch kaum ins Bewußtsein gedrungen, daß es schließlich weniger der Verbrauch an Rohstoffen als vielmehr die dabei "produzierten " Abfälle, Abwässer und vor allem die Abgase - namentlich der Ausstoß von Kohlendioxid - sein würden, die das globale Wohlfühlklima möglicherweise für Insekten verbessern, für Menschen jedoch zunehmend vergiften. Die Ironie der Geschichte besteht also darin, daß vor den Grenzen des Wachstums die Grenzen des menschlich Erträglichen erreicht werden.

Genau das kennzeichnete dann auch das Klima, in dem die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro vorbereitet und durchgeführt wurde. Erstmals wurde dort anerkannt, daß der Uniformitätsdrang, der von Coca Cola, McDonalds und Hollywood ausgeht, zumindest genauso bedrohlich für den Zustand des Planten ist wie die Ausweitung zerstörerischer Formen von Überlebensproduktion in den Armutsregionen dieser Welt. Auch wenn der damalige US-Präsident George Bush sen. das Recht auf Fortsetzung des "American Way of Life" auf eine Stufe zu stellen versuchte mit den Forderungen vor allem vieler indigener Völker nach Bewahrung kultureller und sozialer Vielfalt, wurde mit der "Agenda 21" ein Aktionsprogramm beschlossen, das geeignet schien, die Welt auf einen zukunftsfähigen Entwicklungspfad zu bringen. Eine Zwischenbilanz zu ziehen und auf dem 1992 eingeschlagenen Weg voranzukommen, das war schließlich auch das erklärte Ziel des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung im südafrikanischen Johannesburg 2002. (1)

In den Jahren zwischen 1992 und 2002 hat sich allerdings ein bemerkenswerter Wandel im globalen Klima vollzogen - und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen wähnen sich die Industrieländer - mit Ausnahme der USA, die sich mit Verweis auf das Recht zur Wahrung ihrer kulturellen Identität, des American Way of Life, jeder nachhaltigen Kurskorrektur verweigern - spätestens seit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls auf dem Weg zu einem nachhaltigen Entwicklungsmodell. Dies bedeutet jedoch nicht etwa, daß sie von ihrer auf das Verbrennen fossiler Energieträger ausgerichteten Lebensweise ablassen würden, vielmehr setzen sie auf die Steigerung der Verbrauchseffizienz; ganz so, als ob die Erhöhung des Wirkungsgrades einer Dampfmaschine die umweltzerstörenden Wirkungen einer unablässig weiter zunehmenden Zahl von Dampfmaschinen auf Dauer kompensieren könnte. Die Geschichte des Kapitalismus zeigt nur zu deutlich, daß derartige "Effizienzrevolutionen" immer wieder durch die "Mengeneffekte" profitgetriebener Produktionssteigerungen mehr als wettgemacht wurden. Die schönen Aussichten auf eine nachhaltige Welt werden aus der - auffällig einäugigen - Perspektive des "Nordwestens" lediglich durch die grassierende Armut in den Entwicklungsländern bedroht, und folglich wird auch hier das eigentliche Nachhaltigkeitsproblem verortet. (2)

Zum zweiten läßt sich der Wandel des Konferenzklimas an der Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NGO) festmachen. Während das Global Forum der NGOs in Rio de Janeiro noch als Ort eines zivilgesellschaftlichen Aufbruchs erschien und von dort entschiedene Impulse auf die Regierungsverhandlungen ausgingen, war in Johannesburg auf dem Global Peoples Forum "Tote Hose" (Wichterich) angesagt. Es gab weder druckvollen Protest noch ist es gelungen, eine permanente Rückkopplung mit den Regierungsverhandlungen zu sichern. Statt dessen setzte sich der homo oeconomicus sowohl in Gestalt der auf mediale Selbstdarstellung fixierten, in Konsensmechanismen gefangenen und von Regierungsfinanzierung abhängigen NGOs als auch in Form des wachsenden Einflusses der Privatwirtschaft nachhaltig in Szene.

Das war das Klima von JoÂ’burg 2002. Der Nordwesten wähnte sich dank der Verabschiedung "nationaler Nachhaltigkeitsstrategien" - von denen sich freilich erst erweisen muß, ob ihr Wert den des Hochglanzpapiers, auf dem sie millionenfach gedruckt wurden, tatsächlich übersteigt - auf dem "richtigen" Weg. Den Schwarzen Peter hatten von Anfang an die Entwicklungsländer, in denen insgesamt fast zwei Millionen "absolut Arme" mit weniger als einem USDollar pro Tag ein teilweise umweltzerstörendes Dasein fristen (müssen). Wenn es nach dem auf dem Gipfel mit viel Aufwand präsentierten Weltentwicklungsreport 2003 der Weltbank geht, dann wird das globale Ökosystem allein durch "das zur Armutsbekämpfung notwendige Wachstum" unter Streß gesetzt.

Beseelt von genau diesem Geist hat der offizielle Part des Gipfels stattgefunden. Abgeschirmt vom Rest der Welt haben die Staats- und Regierungschefs aus 104 Ländern (freilich ohne ihre No. 1, den US-Präsidenten George W. Bush) in der UN-Sondersicherheitszone Sandton City eine knappe politische Erklärung und einen ca. 50 Seiten langen ›Umsetzungsplan‹ voller Absichtserklärungen für mehr Nachhaltigkeit in der Weltentwicklung beschlossen. Vorgesehen sind vor allem Anpassungsleistungen durch die Entwicklungsländer. Von Fehlentwicklungen im Nordwesten ist höchstens beiläufig die Rede. Wenn sich die Regierungen der "Dritten Welt" ordentlich aufführen, regelmäßig Wahlen abhalten und ansonsten den Marktkräften ihren "freien" Lauf lassen, dann sagen die reichen Länder ¥EUR$ und versprechen für mehr "Entwicklung" im Süden mehr Hilfsgelder fließen zu lassen.

Insbesondere soll dies für den afrikanischen Kontinent im Rahmen der kürzlich aus der Taufe gehobenen Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) der Fall sein. Dieses Programm erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings als alter Wein neoliberaler Strukturanpassung in neuen Konditionalitäts-Schläuchen - die "Geber" stellen neue, ›verschärfte‹ Bedingungen und den "Nehmern" bleibt nur übrig, zu akzeptieren. Vor allem soll nun eine Kontrollgruppe aus "ehrenwerten" afrikanischen Persönlichkeiten im Rahmen des sogenannten African Peer Review Mechanism unbotmäßige Regierungen in die Schranken fordern und sichern, daß sie sich der (bisher lediglich versprochenen) Zuwendungen auch würdig erweisen. Angesichts der mehr oder weniger freiwilligen und bedingungslosen Unterordnung der afrikanischen Regierungen unter von außen aufgeherrschte Bedingungen verwundert es daher kaum, daß NEPAD von seinen Kritikern inzwischen längst als KNEE-PAD - als Kniefall Afrikas vor den Geberländern - buchstabiert wird. (3)

Nicht nur räumlich meilenweit entfernt vom streng abgeschirmten Sandton City trafen sich im Global PeopleÂ’s Forum die sogenannten CO-NGOs - die kooptierten oder angepaßten beziehungsweise staatlich ›anerkannten‹ und ›geförderten‹ Nichtregierungsorganisationen - im Süden Johannesburgs auf dem Ausstellungszentrum NASREC. Hier wurde vor meist kleinem Publikum das volle Programm des Üblichen geboten: von Workshops über Spiritualität, Liebe und Nachhaltigkeit, über phantasievolle Protestaktionen gegen die Erderwärmung bis zu Debatten über neuartige Technologien zur Lösung von Umweltproblemen. Insbesondere die Heinrich-Böll-Stiftung hat weder personellen noch finanziellen Aufwand gescheut, um das gesamte Spektrum der Themen, die im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdebatte stehen, zu verhandeln, zu besetzen und sogar als Theaterstück zu inszenieren. Was nicht nur im Böll-Forum bei allem Engagement auffällig unterbelichtet blieb, war trotz und gerade angesichts des im Detail beachtlichen Sachverstandes der Teilnehmer aus aller Herren Länder eine klar adressierte grundsätzliche Kritik. Angeprangert wurde allerorten zwar dieses oder jenes regionale Problem, protestiert wurde gegen ›heiße Luft‹, ausführlich debattiert wurde über neue Technologien - all dies in der Regel jedoch ohne Roß und Reiter zu benennen. Gesellschaftliche oder politische Hintergründe wurden gern verdrängt, weil sich die Masse selbst der regierungsferneren Aktivisten offenbar längst mit den herrschenden Zuständen abgefunden hat - wenn es nicht gerade um "Korruption" in Entwicklungsländern geht, wo angesichts der längst alltäglichen Schmiergeldaffären, Bilanztricks und Steuerbetrügereien in den (nordwestlichen) Heimatländern bemerkenswert einäugig ein Phantom aufgebaut wird, auf das sich trefflich mit erhobenem Zeigefinger verweisen läßt. Die wenigen, die in NASREC versucht haben, gesellschaftliche Verursachungszusammenhänge und soziale Nöte zur Sprache zu bringen - beispielsweise Vertreter von ATTAC, des Weltsozialforums oder der Landlosenbewegung -, blieben weitgehend unter sich allein.

Die Aktivitäten jener bunten Vielfalt von Organisationen, Gruppen und Grüppchen, die sich gern selbst als antihierarchische Neue Soziale Bewegungen verstehen, hatten weder feste Orte noch geordnete Zeitpläne. In Universitätshörsälen, in überfüllten Camps, in Townships und Stadien und nicht zuletzt auf der Straße engagierten sich Tausende, vor allem südafrikanische Aktivisten gegen NEPAD und neoliberale Globalisierung, gegen die Privatisierung der Wasser- und Energieversorgung, für kostenlose Schulbildung und mehr soziale Gerechtigkeit - sowie hin und wieder auch für mehr Umweltschutz. In einer Region, die von wachsenden sozialen Spannungen und weit verbreiteter Massenarmut, von HIV/AIDS und steigender Kriminalität heimgesucht wird, sind bis heute Umweltschutz oder gar nachhaltige Entwicklung nicht nur weitestgehend unbekannte, sondern auch inhaltsleere Begriffe; darüber kann auch die von den Gipfelorganisatoren inszenierte Recyclingkampagne - wozu das NASREC-Gelände mit Hunderten von Recyclingtonnen umzingelt und zugestellt wurde - nicht hinwegtäuschen. (4)

Wie längst allerorten üblich, an denen sich Globalisierungsapologeten und die "Führer der Welt" versammeln, richteten sich die Massenproteste auch in Johannesburg vehement gegen die bedrohlichen sozialen Konsequenzen neoliberaler Politik, die das hehre Gipfelmotto "People, Planet, Prosperity" längst ad absurdum geführt haben. Eine wirtschaftspolitische Strategie, die mittels Kommerzialisierung und Privatisierung öffentlicher Güter "Wohlstand" verheißt, muß zwangsläufig an den Armen - an "Geldsubjekten ohne Geld" (Robert Kurz) - genauso scheitern wie an der Sucht der "Geberländer " nach immer neuen Bedingungen für die Gewährung von "Entwicklungshilfe". Weder kann durch die Einführung von barer Zahlung für die Versorgung mit existentiellen Gütern die Lebenslage jener nachhaltig verbessert werden, die als "absolut arm" gelten, weil sie mit weniger als einem US-Dollar pro Tag ihr Dasein fristen müssen, noch kann sich die Stellung eines Dritt-Welt-Landes in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen tatsächlich verbessern, solange die Märkte der "Ersten Welt" protektionistisch abgeschottet bleiben und die dortigen Produzenten mit riesigen (keineswegs "marktkonformen") Subventionen und anderen Handelsschranken vor unerwünschter Konkurrenz geschützt werden. Selbst das in der Abschlußerklärung verkündete hehre Ziel, bis 2015 die Zahl der Armen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen zu halbieren, erweist sich angesichts des Maßstabs, der dafür zugrundegelegt wird, als Farce. Wenn nämlich die Steigerung des täglich verfügbaren Pro-Kopf-Einkommens für ca. 700 000 000 Menschen (über einen Zeitraum von zehn Jahren) von jetzt einem US-Dollar auf dann vielleicht zwei US-Dollar als ausreichend für die "Beseitigung absoluter Armut" angesehen wird, dann ist dies nicht nur höchst fragwürdig - weil schon eine relativ geringfügige Abwertung des US-Dollars "helfen" könnte, das Problem zu "lösen" -, sondern in bezug auf den damit erreichten "Fortschritt" auch eher makaber - als ob ein Mensch mit zwei US-Dollar pro Tag nicht noch immer bedrückend arm wäre. (5)

Der Gipfel hat eines mit aller Deutlichkeit gezeigt: Bei allen noch so drängenden Herausforderungen, denen sich die "Weltgemeinschaft" gegenübersieht, darf an den Grundpfeilern des nordwestlichen Selbstverständnisses (und damit des kapitalistischen Wirtschaftssystems) unter keinen Umständen gerüttelt werden. Deshalb wurde der Begriff nachhaltige Entwicklung nicht nur erfolgreich seiner potentiell systemkritischen Inhalte entkleidet, er ist längst zur inflationär mißbrauchten Allerweltsfloskel verkommen. Im gleichen Maße, wie inzwischen jedes Weltunternehmen "nachhaltig produziert" und natürlich "nachhaltig wächst", ist auch den nordwestlichen Regierungen (und wohl auch einem großen Teil ihrer Wähler) jede kritische Distanz zum eigenen Tun und Lassen abhanden gekommen - wofür nicht zuletzt der jeder selbstkritischen Bilanz entbehrende Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung an den Gipfel beredtes Zeugnis ablegt. "Null-Toleranz" war deshalb nicht nur das Prinzip, mit dem die südafrikanische Regierung beweisen wollte, daß sie zumindest bei der brutalen polizeilichen Repression auch von friedlichen Demonstranten inzwischen sehr wohl das "entwickelte" Niveau von Genua oder Göteborg erreicht hat. "Null-Toleranz" war auch der Leitgedanke für die Verhandlungen auf dem Gipfel selbst. Keiner der ohnehin spärlichen Versuche, auch nur in einem einzigen Punkt über die Beschlüsse von 1992 in Rio de Janeiro hinauszugehen, wurde toleriert.

Daß nicht alle Blütenträume selbst der Industrieländer in Erfüllung gingen - so konnte selbst der deutsche Bundeskanzler, obwohl er in seiner fünfminütigen Gipfel-Rede "wie ein Löwe" (Trittin) kämpfte, keine verbindlichen Vereinbarungen zum Übergang zu erneuerbaren Energiequellen ins Abschlußdokument drücken -, ändert nichts am Grundtenor. Nach zehn Tagen Weltgipfel in Johannesburg verfestigt sich ein beklemmender Eindruck. Die ursprüngliche Idee nachhaltiger Entwicklung, die im Brundtland-Bericht 1987 - freilich etwas "fahrlässig" - als die Wahrung der Interessen zukünftiger Generationen umschrieben wurde, haben der "Nordwesten" und die "Major Groups" der Privatwirtschaft (und der ihnen hörige Medienzirkus) längst erfolgreich "besetzt" und damit seiner endgültigen Beerdigung ein großes Stück näher gebracht - es sei denn, es gelingt, das Konzept von links wiederzubeleben und kapitalismuskritisch zu wenden. Dazu wäre es mit der Vision von einer sowohl ökologisch und ökonomisch als auch sozial zukunftsfähigen Gesellschaft zu verbinden und als langfristige Strategie politisch-widerständigen Handelns zu entfalten.

Arndt Hopfmann - Jg. 1956; Dr. oec., Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Bereich Ausland und Mitglied der Redaktion von UTOPIE kreativ, war Teilnehmer am Global PeopleÂ’s Forum des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002.

(1) "Der Johannesburg-Gipfel brachte 21 340 TeilnehmerInnen aus 191 Ländern zusammen, darunter 104 Staats- und Regierungschefs, rund 9 000 offizielle Delegierte (darunter 132 aus Deutschland), 8 000 NGO-VertreterInnen und 4 000 JournalistInnen. Hinzu kamen Tausende, die sich abseits des offiziellen Gipfels an einer der unzähligen Parallelveranstaltungen, Alternativkonferenzen und Demonstrationen beteiligten. Gemessen an diesen Zahlen übertraf WSSD alle bisherigen Weltkonferenzen." Jens Mertens: Multilateralismus an seinen Grenzen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 09/2002.

(2) "Das politische Ergebnis der Verhandlungen ist angesichts der Dringlichkeit der politischen Fragen eher als enttäuschend zu bewerten. Die Johannesburg-Deklaration und der Implementierungsplan bleiben in weiten Bereichen oberflächlich und unverbindlich. Der Gipfel war geprägt von tiefgreifenden konzeptionellen Meinungsunterschieden zwischen den USA, der Europäischen Union und Entwicklungsländern im Bezug auf die Handlungsreichweite multilateraler Politik und auf grundlegende Entwicklungsstrategien. Zwar gab es einige politische Erfolge in den Bereichen Wasser, Energie und Gesundheit, doch fällt die Bilanz, vor allem im umweltpolitischen Bereich, eher ernüchternd aus Â…" Bericht über den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vom 26. August bis 4. September von Sascha Müller-Kraenner, Mitglied der deutschen Regierungsdelegation.

(3) "Geprägt war Johannesburg von den nationalen Egoismen kleinkrämerischer Regierungen, der offensiven Präsenz transnationaler Unternehmen und ihrer Lobbyverbände sowie der Zersplitterung der internationalen Zivilgesellschaft." Jens Mertens: Multilateralismus an seinen Grenzen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 09/2002.

(4) "Der Umsetzungsplan von Johannesburg krankt im Kern an dem konzeptionellen Widerspruch, der auch schon früheren Aktionsprogrammen zum Verhängnis wurde. Er benennt einerseits ausdrücklich die Fehlentwicklungen der vorherrschenden Konsum- und Produktionsweisen und die negativen Folgen der Globalisierung, empfiehlt aber andererseits als Gegenmittel weitere Marktöffnung, Liberalisierung und die stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft, und damit Rezepte, die die Fehlentwicklungen der Vergangenheit gerade befördert haben. Jens Mertens: Multilateralismus an seinen Grenzen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 09/2002.

(5) "Tonangebend waren die finanzstarken, durchprofessionalisierten und norddominierten BINGOs. Medienarbeit rangiert bei ihnen gleichrangig neben der Lobbypolitik, ist bei einigen sogar vorrangig. Â… Erfolgsmaßstab sind die Medien: Spieglein, Spieglein an der Wand, wie viele Berichte im ganzen LandÂ…" Christa Wichterich: Ende der Konsenskultur nach JoÂ’burg?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 10/2002.

 

in: UTOPIE kreativ, H. 146 (Dezember 2002), S. 1124-1128