Die große Lüge

Demokratie und Imperium passen nicht zusammen. Und die größte Lüge im Kontext dieses Krieges ist, dies für die USA leugnen zu wollen. Entweder wird erstere abgeschafft, oder das zweite scheitert.

Es ist Krieg. Bomben werden geworfen, Raketen abgeschossen. Die Fernsehindustrie betreibt ihr übliches Spiel. Die Übertragungen vom Krieg werden dargereicht wie vom Fußballplatz. Zwischendurch Talkshows - der amerikanische Journalist, der übliche, unvermeidbare, der "ewige Don", wie ihn Dieter Hildebrand kürzlich im Scheibenwischer bezeichnete, schreit gerade einen deutschen Politiker an, der erläutert hatte, weshalb der Dabbeljuh-Krieg völkerrechtswidrig ist - und die gewohnte Unterhaltung: Nein, Wetten daß Â… findet statt, "wie immer". Der inzwischen ältlich wirkende Moderator hatte sich für die Fernsehzeitung schon mal in US-amerikanischer Fliegerkluft abkonterfeien lassen. Er wird auch eine neue Sendereihe präsentieren, über das "positive" Amerika - wohl ein neuer Coup der psychlogischen Kriegsführung, um die renitenten Deutschen wieder auf Vordermann zu bringen. Dann Rumsfeld. Was hat er gesagt? Seit fünfuhrfünfundvierzig wird bereits zurückgeschossen? Oder hat er gefragt, ob wir den totalen Krieg wollen? Nein, hat er nicht, außerdem fragt er ja nicht. Er hat bloß gesagt, es sei alles sehr erfolgreich und präzise und "chirurgisch". Wenn verwundete Kinder gezeigt würden, sei das "Propaganda des Regimes". Was bombardieren sie eigentlich, wenn die "militärischen Ziele" ausgegangen sind? Sich selbst, oder ausschließlich die Briten? Das Imperium führt Krieg, an seiner Peripherie, um Macht, Öl und eine Neuordnung der Welt. Das kann nicht oft genug gesagt werden und wird nicht abgestanden sein, solange es die Beschreibung der Wirklichkeit ist. Doch das Imperium will nicht zugestehen, daß es darum geht. Der Krieg lügt sich seine Existenz herbei, die Lüge ist seine Daseinsweise, selbst im Denken seiner Protagonisten. Zbigniew Brzezinski, einer der Vordenker der Vorherrschaft der USA, hat geschrieben: "Nie zuvor hat eine volksnahe Demokratie internationale Vormachtstellung erlangt." Demokratie als Staatsform sei "einer imperialen Mobilmachung abträglich ". Dann wird gemeint, im Falle der USA sei es erstmals anders, eine "demokratische" Vorherrschaft gewissermaßen. Die erste Grundaussage ist zunächst richtig. Als Rom umfassendes Imperium wurde, ward die Republik abgeschafft und das Caesarentum eingeführt. Und die USA heute? Erinnern wir uns: Dabbeljuh ist bei der US-Präsidentenwahl 2000 nicht von der Mehrheit gewählt worden, auch die Mehrheit der Wahlmänner hatte er nicht, nur durch die Zuweisung der Wahlmänner des Staates Florida, in dem sein Bruder Gouverneur ist, an ihn, wurde er ins Weiße Haus gebracht. Es war, wie es der kritische Journalist David Cogswell nannte, "ein rechtsgerichteter Putsch", mit dem Dabbeljuh an die Macht geschoben wurde. Nun meinen etliche Kommentatoren, wegen dieses Geburtsfehlers seiner Macht bedürfe dieser des Krieges zum Behufe nationalistischer Aufwallung im Hinblick auf Wiederwahl. Vielleicht ist es aber gerade umgekehrt: Er wurde an die Macht geputscht, um den Krieg zu führen, als den ersten einer Reihe US-amerikanischer Neuordnungskriege in der Welt. Zehn Jahre lang hatten die rechten Vordenker der imperialen Kriegspolitik in ihren Think-Tanks gehockt und über diesen Plänen gebrütet, dreimal, wird gesagt, hatten sie Clinton den Irak-Krieg andienen wollen, dreimal hat er abgelehnt. Nun aber ist ihr Mann im Weißen Haus. Und der 11. September 2001? Ist nicht ohne ihn das alles jetzt nicht zu erklären? Und hat es ihn nicht wirklich gegeben? Wir haben all die schrecklichen Bilder doch gesehen! Andreas von Bülow, einst Minister im Kabinett von Helmut Schmidt, hat bereits im Januar 2002 darauf verwiesen, daß die Anschläge von New York geheimdienstliche Handschrift tragen. "Da sind Spuren wie von einer trampelnden Elefantenherde", sagte er, doch niemand hat sie verfolgt. Lediglich die Bin-Laden-Spur wurde präsentiert. Wo aber ist Bin Laden, ohnehin einer Familie zugehörig, die seit langem Geschäfte mit dem Bush-Clan gemacht hatte, denn mittlerweile geblieben? Oder hat er seine Rolle bereits zu Ende gespielt? Bekanntlich wissen wir heute, daß Franklin D. Roosevelt vom Angriff auf Pearl Harbor durchaus vorher wußte, aber befahl, nichts zu tun, weil ihm klar war, ohne diesen Angriff würde er das amerikanische Volk nicht in den Zweiten Weltkrieg bringen. Nun war jeder Krieg gegen Hitlerdeutschland eine gerechte Sache, insofern ist dies unvergleichbar. Doch der Vorgang verdient, erinnert zu werden. Ohne 11. September wäre dieses Volk nicht in diesen schmutzigen Krieg heute zu bringen gewesen. Der alte Abraham Lincoln hatte über die bürgerliche Politik dereinst gesagt: "Man muß es verstehen, eine Ursache zu erzeugen, die eine Wirkung hat, und diese Wirkung anschließend bekämpfen." Und der Nießbrauch des 11. September geht noch viel weiter. Da wurden in den USA und anderswo innenpolitisch weitreichende Veränderungen durchgezogen, Bürgerrechte abgebaut, neue Kontrollinstitutionen geschaffen. Der Abbau der liberalen Freiheitsrechte und der Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Die Ausrufung des Aggressionskrieges entgegen der UNO-Charta und gegen den UNO-Sicherheitsrat passen dazu ebenso, wie das amerikanische Agieren gegen den Internationalen Strafgerichtshof. Es ist eben doch so: Demokratie und Imperium passen nicht zusammen. Und die größte Lüge im Kontext dieses Krieges ist, dies für die USA leugnen zu wollen. Entweder wird erstere abgeschafft, oder das zweite vom Volk der USA zum Scheitern gebracht. Wir können dazu beitragen, indem die Friedensdemonstrationen hier wie in aller Welt nicht aufhören. Trotz alledem. Der Kampf um die Zukunft hat begonnen.

in: Des Blättchens 6. Jahrgang (VI) Berlin, 31. März 2003, Heft 7

aus dem Inhalt:
Erhard Crome: Die große Lüge, Kurt Merkel: Welche Ordnung hat die Welt?, Jörn Schütrumpf: Asozialität, gesellschaftsfähig, Holger Politt, Warschau: Willig unentschieden, Dietmar Schumann, Moskau: Vaterländler, cryptus, New York: Bomben-Wetter, Martin Nicklaus: Demokratie als Ausrede, Detlef Kannapin: Wiederkehr des Totalitarismus, Jochen Mattern: Meinungsbildung, Ehrhard Dietz: Radio Andernach, Peter Braune: Hundekrieg in Wilmersdorf, Klaus Hammer: Quadrat, Kreis, Kreuz, Figur, Walter-Thomas Heyn: Klänge aus Afrika, Bericht aus Tel-Aviv: Araber und Auschwitz, Klaus Hart, Rio de Janeiro: Karneval para sempre