Initiative für ein ökologisches Zukunfts-Investitionsprogramm und zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen

Antrag der Parteilinken für den Parteivorstand auf Grundlage einer Vorlage für die Klausurtagung des SPD-Parteivorstandes am 7.1.2003

I. Die seit der Bundestagswahl ergriffenen Maßnahmen zur Reform des Arbeitsmarktes sind wichtige Schritte, um das Arbeitspotential auszuweiten, die Arbeitsplatzvermittlung zu erleichtern und zu effektivieren. Die vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft angekündigten Initiativen zum Abbau administrativer Hemmnisse werden darüber hinaus dazu beitragen, unternehmerische Innovationen auf den Weg zu bringen und Unternehmen zu entsprechenden Investitionen zu motivieren. Daneben sind jedoch weitere Initiativen nötig, um die Wirtschaftstätigkeit bereits kurzfristig und mit langfristiger Wirkung anzuregen. Dies gilt insbesondere für öffentliche Investitionen vor dem Hintergrund, dass bei Städten und Gemeinden ein Investitionsbedarf von über 10 Mrd. EUR besteht, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die neben dem Bürokratieproblem und der nachlassenden öffentlichen Investitionstätigkeit mit enormen Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung konfrontiert sind. Für die Initiative der Bundesregierung zur Gründung einer Mittelstandsbank ist es deshalb notwendig, ein umfangreiches zusätzliches Kreditvergabevolumen bereitzustellen, die Wirtschaftsfelder, die zugleich Wachstum und Umweltvorsorge ermöglichen. Die neuen Initiativen müssen deshalb strukturpolitischer Art und dabei geeignet sein, aktuell die Konjunktur zu beleben. Um zu vermeiden, dass die dafür zu mobilisierenden öffentlichen Mittel die Staatsverschuldung erhöhen, ist es notwendig gegenwärtige eingesetzte öffentliche Mittel zielgerichtet umzuwidmen, um damit eine zukunftsfähige Wirtschaftsdynamik ingangzusetzen. Die Initiative muss vor allem einen binnenwirtschaftlich wirksamen Effekt haben. Ein nach diesem Kriterien gestaltetes wirtschaftsstrategisches Zukunftskonzept muss sich vor allem auf folgende Bereiche beziehen:

Neue Energietechnologien

Neue Energieumwandlungstechniken für Erneuerbare Energien und die generelle Steigerung der Energie- und Umwelteffizienz sind entscheidender Motor der industriellen Entwicklung, der Sicherung des Wirtschaftsstandorts und der künftigen Exportaktivitäten. Die Technologieunternehmen, die hier Vorreiter sind, werden die größten Weltmarktchancen haben. Dies betrifft die Sektoren der Fahrzeug-, Schiffs- und Luftfahrtindustrie, der Heizungs- und Klimatechnik, des Maschinenbaus, der Windkraft- und Solaranlagenindustrie, der Elektrotechnik und der Mikroelektronik und der Glas- und sonstigen Baustoffindustrie, die Baumaterialien herstellt, die gleichzeitig eine energetische Funktion haben. Mobilisierung heimischer Kraftstofferzeugung aus Bio-Energie Die weltweit knapper werdenden fossilen Energievorräte besonders bei Erdöl sind nicht nur eine zunehmende internationale Konfliktgefahr und eine Gefahr für die wirtschaftliche Stabilität. Sie betreffen auch die Grundstoffsicherung der chemischen Industrie. Die Alternative sind neue Kraftstoffe (Bio-Methanol, Bio-Ethanol, Wasserstoff aus Biomasse, Pflanzenöl) und nachwachsende Rohstoffe für die chemische Industrie. Dies ist die Chance für einen massiven Bedeutungszuwachs der Land- und Forstwirtschaft. Tendenziell wird diese die Umsätze auf dem Gebiet der Kraftstoffe und der chemischen Grundstoffe machen, die heute von den global operierenden Rohenergielieferanten gemacht werden. Diese wird dadurch wieder zu einem wachsenden und dauerhaft notwendigen volkswirtschaftlichen Sektor mit vielen neuen Arbeitsplätzen, die regional breit gestreut sind.

Schlüsselbereich Wasserversorgung

Im Bereich der Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsnetze liegt die Zukunft in der Bereitstellung integrierter Infrastruktur, wirtschaftlichen Doppel- und Mehrfachnutzen von Netzen zu nutzen.

II. Finanzwirtschaftliche Umwidmungsoptionen

Zur Mobilisierung der vorgenannten Wirtschaftsfelder und Unternehmen sind sowohl gesetzliche Rahmenbedingungen als auch indirekte wie gezielte direkte finanzielle Anreize möglich, aus denen selbsttragende Entwicklungen werden müssen. Für die finanziellen Anreize bieten sich folgende Optionen der Umschichtung bzw. Umwidmung öffentlicher Haushalte an: Mit der Etablierung der Europäischen Zentralbank und der Einführung des Euro am 1.1.2002 ist eine völlig neue Situation eingetreten, in der die Bundesbank ihre klassische Rolle als Währungshüter abgegeben hat. Ihre Devisenbestände sind allenfalls noch eine "Reserve der Reserve" der EZB. Die Devisenreserven der Bundesbank lagen im Dezember 2001 bei 108,9 Mrd. Euro. Die beiden größten Posten waren 34,3 Mrd. Goldreserven und etwa 50 Mrd. Dollarreserven. Deutschland hat einen EZB-Anteil von 24,4 Prozent, stellt aber mit seinen Devisenreserven 40 Prozent aller bei den nationalen Notenbanken im Euro-Raum noch vorhandenen Devisenreserven von insgesamt 250 Mrd. EUR. Daraus ergibt sich, dass von den 108,9 Mrd. Euro etwa 50 Mrd. Euro Devisenreserven aufgelöst und umgewidmet werden könnten, ohne dass Deutschland die Gemeinschafts-Konformität im Euro-Raum verlässt. Es verblieben noch 60 Mrd. EUR Devisenbeständen bei der Bundesbank, die dann immer noch 25 Prozent aller Devisen der nationalen Notenbank ausmachen. Die aufgelösten Reserven sollten jedoch nicht konsumiert werden, sondern einem anderen langfristig angelegten Zweck dienen und dafür aktiviert werden. Die Einnahmen der Öko-Steuer belaufen sich ab 2003 auf etwa 17 Mrd. Euro. Mit Ausnahme der Mittel für das Marktanreizprogramm für Erneuerbare Energien in Höhe von 230 Mio. Euro, werden diese bisher zur Mitfinanzierung der Rentenversicherung eingesetzt. Zu erwägen ist, die Einnahmen für ein ökologisches Zukunftsprogramm einzusetzen. Damit könnten die Einnahmeausfälle für die Rentenversicherung in etwa gleicher Höhe kompensiert werden. Die steuerfreien Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber für die atomare Entsorgung liegen derzeit bei einem Betrag von etwa 35 Mrd. Euro. Sie wirken wie steuerfreie Gewinne, weil damit in beliebige Zwecke investiert werden kann. Die Folge ist ein einzigartiger Wettbewerbsvorteil, der für Unternehmensaufkäufe genutzt wird und den Konzentrationsprozess der Wirtschaft vorantreibt. Zu erwägen ist die Beendigung dieser Rückstellungspraxis, woraus jährlich etwa zwei Mrd. Euro Zusatzeinnahmen erwachsen würden. Die Mineralölsteuerbefreiung für mineralölverarbeitende Betriebe: Diese liegt bei mindestens einer Mrd. Euro jährlich. Noch wesentlich höher ist die Flugtreibstoffsteuerbefreiung, die nur - solange sie international gilt - national durch eine Erhöhung der Start- und Landegebühren kompensiert werden kann und muss.

III. Die Initiative

Aus diesen finanzwirtschaftlichen Umwidmungspotentialen ergeben sich folgende Ansatzpunkte einer Zukunftsstrategie: 1. 50-Milliarden-Kapitalstock für die Mittelstandsbank Ein 50-Milliarden-Kapitalstock aus aufgelösten Devisenreserven für die neue Mittelstandsbank. Damit sollen dem Mittelstand einschließlich der Landwirtschaft auf unbürokratischem Wege zinsgünstige Kredite deutlich unterhalb des Marktzinses und mit langen Laufzeiten angeboten werden. Dies wäre das ambitionierteste Mittelstandskreditprogramm der Wirtschaftsgeschichte. Die Auflösung der Devisenreserven hierfür kann dabei schrittweise eingeleitet werden. Der Präsident der Bundesbank hat diese Möglichkeit bereits öffentlich in Aussicht gestellt.

2. Ökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm

Die Einnahmen der gegenwärtigen Ökosteuer könnten schrittweise für ein ökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm aktiviert werden, das beispielsweise aus folgenden Elementen bestehen könnte: eine Erhöhung der Investitionszuschüsse für die Bundesbahn, für Gleisbau, Bahnhofsbau und Schienenfahrzeuge (5 Mrd.), eine Aufstockung des Altbausanierungsprogramms mit ökologischen Auflagen (2 Mrd.), eine Aufstockung des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien (2 Mrd.), ein kommunales Infrastruktur-Erneuerungsprogramm (5 Mrd.), ein Sonderprogramm zur Förderung von regionalen Nahverkehrssystemen (3,5 Mrd.). Daraus ergibt sich ein durchgehend binnenmarktwirksames Investitionsvolumen, das bei den direkten Investitionshilfen für die Bundesbahn und den Nahverkehr der Höhe der hier angegebenen Haushaltsmittel von 8,5 Mrd. entspricht, wenn es sich um 100 %-Förderzuschüsse handelt. Die weiteren Ansätze könnten Beihilfen in Höhe von vielleicht 25 % der Investitionssummen darstellen, mit denen der vierfache Investitionseffekt erzielt werden kann, also insgesamt etwa 32 Mrd. Dies ergäbe jährlich zusätzliche Gesamtaufträge von über 40 Mrd. Da pro 75.000 Euro Neuinvestition innerhalb des Baugewerbes etwa ein neuer Arbeitsplatz entsteht, steckt allein in diesem Programmansatz ein Potential von mindestens 650.000 neuen Vollerwerbsbeschäftigten. Die Gefahr eines Einnahmeausfalls für die Rentenversicherungsträger besteht dabei nicht: Die für das Investitionsprogramm zur Verfügung gestellten Investitionsanreize würden etwa zeitgleich und in dem Ausmaß, in dem sie aus dem Bundeshaushalt aktiviert würden, unmittelbar gewerblich umgesetzt und damit zusätzliche Beschäftigung schaffen. Daraus könnten etwa in gleicher Höhe Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge geschöpft sowie soziale Transferleistungen eingespart werden. Da ein Arbeitsloser etwa 25.000 EUR kostet, würden 650.000 Beschäftige einen Mehreinnahmeeffekt von 16,25 Mrd. EUR bedeuten - wobei die zusätzlichen Dynamisierungseffekte für die wirtschaftlichen Kreisläufe nicht genau zu zählen sind, die durch die Kaufkraftsteigerung über neue Arbeitsplätze auftreten. Würde ein solches Zukunftsinvestitionsprogramm dagegen nicht im vollen vorgesehenen Umfang in Anspruch genommen werden, so würden auch entsprechend weniger Mittel aus dem Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden - und stünden damit weiter direkt als Rentenversicherungszuschuss zur Verfügung.

3. Landwirtschaftserweiterungsprogramm hin zu Biomasse für Energie und Rohstoffe:

Dazu bedarf es weiterer politischer Initiativen, vor allem die im EU-Ministerrat durchzusetzende Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung für mineralölverarbeitende Betriebe, die eine Steuervergünstigung beim Einsatz fossiler Energien und Rohstoffe darstellt. Die durch Aufhebung der Steuerbefreiung zusätzlichen Steuereinnahmen von etwa einer Mrd. EUR könnte direkt weiterverwendet werden für eine Umstellung der landwirtschaftlichen Produktionsmaschinen auf Bio-Energie. Dies setzt die landwirtschaftliche Erzeugung für nachwachsende Rohstoffe in Gang. Ergänzend dazu könnte in einer neuen Verpackungsverordnung festgelegt werden, dass ab dem Stichtag 1.1.2006 nur noch Kunststoffe, Farben, Lacke und Schmierfette auf der Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden. Hinzu kommt, dass die Mineralölbetriebsbeihilfe in der Landwirtschaft künftig an den Einsatz von Bio-Treibstoffen geknüpft werden sollte. Die Landwirtschaft selbst muss Kooperationsformen für Biomasse aufbauen, um die Wertschöpfungskette in der Hand der landwirtschaftlichen Betriebe zu halten. Sonderforschungsprogramm Nutzpflanzen und Energiespeicherung Aus den Einnahmen der zu erhebenden Brennstoffsteuer aus Kohle und Atombrennstoffen sowie aus der Beendigung weiterer atomarer Entsorgungsrückstellungen ist ein Drei-Milliarden-Programm zur Ressourcenforschung für nachwachsende Rohstoffe möglich, das die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten der Nutzpflanzen erfasst. Auf diesem Feld gibt es den größten Nachholbedarf in der Forschung und Entwicklung, obwohl die Nutzpflanzen die bedeutendste Rohstoffquelle der Zukunft sind. Das zweite Sonderprogramm zielt auf dezentrale Energiespeichertechniken, mit deren Hilfe Erneuerbare Energien durchgängig wettbewerbsfähig werden. aus: SPW 129