Fixerstuben - Drogenhilfekonzept ausreichend umgesetzt?

Zur rechtlichen und politischen Situation von Drogenkonsumräumen in Deutschland

in (01.05.2003)

Kriminalisierungs- und Verdrängungsstrategien prägen den politischen Umgang mit Drogensucht. Die jüngsten Negativ-Schlagzeilen kommen in diesem Zusammenhang aus Hamburg. Nachdem im Wahlkampf 2001 in Hamburg das Drogenproblem und die Angst der BürgerInnen vor DrogenkonsumentInnen intensiv thematisiert worden waren, konnte die neu gewählte Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP der Drogenpolitik ein neues, erschreckendes Gesicht geben. Die Schließung einiger Drogenkonsumräume wurde forciert. Der Szene-Schwerpunkt ist immer intensiverer polizeilicher Repressionstaktik ausgesetzt. Das verstärkte polizeiliche Auftreten in der Nähe von Drogenkonsumräumen führt dazu, dass die Klientel diese Räumlichkeiten aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung weniger besucht und somit unter den alten und problematischen Bedingungen Drogen konsumieren muss und die Gefahr besteht, dass der bestehende Kontakt zu den DrogenkonsumentInnen abreißt.
Außerdem entschloss sich die Stadt, bisher getrennte Einrichtungen mit unterschiedlichen Angeboten in einem Gebäude zusammenzulegen. Die Umsetzung wird sich allerdings noch mehrere Monate hinziehen.
Auch an anderen Punkten wird versucht, durch intensive Maßnahmen eine Verdrängung der Suchtproblematik herbeizuführen: So ist allem voran der noch von der SPD-Regierung initiierte Brechmitteleinsatz gegen vermeintliche DrogendealerInnen zu nennen, der verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen steht und im Sommer 2001 zu dem Tod von Achidi John führte, dem eine Magensonde zur Verabreichung des Mittels gewaltsam eingeführt wurde. Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass trotz der Existenz von Drogenkonsumräumen die Drogenpolitik in Hamburg menschenverachtend ist und zunehmende Repression ein gegenseitiges Hochschaukeln des Aggressionspotenzials mit sich bringt.
Positiv zu bewerten bleibt nur, dass auch in Hamburg der Modellversuch zur kontrollierten Heroinvergabe im letzten Jahr angelaufen ist. Hier führen unter anderem die hohen Aufnahmeanforderungen allerdings dazu, dass sich nur sehr schleppend ProbandInnen dafür finden lassen.
Aus dieser vielschichtigen Problematik soll im Folgenden die Situation der Drogenkonsumräume beleuchtet werden.

Geschichte

Nachdem im Frühjahr 2000 durch die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) der Weg frei gemacht worden war, konnten sich die bereits bestehenden Drogenkonsumräume in Deutschland, umgangssprachlich auch Fixerstuben genannt, aus der rechtlichen Grauzone befreien. Diese bestand darin, dass es keine Regelung gab und nicht geklärt war, ob sich die BetreiberInnen strafbar machten.
Zwar ist die Existenz der Einrichtungen immer noch davon abhängig, wie bzw. sogar ob die Landesregierungen die im BtMG eingefügte Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung umsetzen. Dennoch kann der größte Teil der Institutionen vorläufig weiterarbeiten. Fixerstuben bestehen in Deutschland u. a. in Hamburg, Frankfurt und Hannover. Vorreiterin auf diesem Gebiet war die Schweiz, die erste sog. Gassenzimmer in einigen Städten einrichtete.

Wie funktionieren Drogenkonsumräume?

In den Drogenkonsumräumen wird drogenabhängigen Menschen die Möglichkeit geboten, unter sauberen Bedingungen Drogen intravenös, inhalativ oder nasal zu konsumieren. Angeschlossen sind an solche Einrichtungen daneben oftmals Beratungsstellen - rechtlich wie therapeutisch -, Dusch- und Waschgelegenheiten, preisgünstiger Verkauf von Nahrungsmitteln. In den meisten Fällen wird der Umtausch gebrauchter in neue sterile Spritzen angeboten, wobei zusätzlich andere benötigte Hilfsmittel wie Ascorbinsäure oder Einweglöffel erworben werden können. Ebenso wird eine akutmedizinische Versorgung gewährleistet. Dabei unterscheidet sich das Angebot von Einrichtung zu Einrichtung. Die Einhaltung der rechtlichen Rahmenvorschriften wird durch eine Hausordnung - unter anderem mit der Sanktion des Hausverbotes - und durch geschultes Personal - neben SozialpädagogInnen medizinisches Personal sowie Hilfskräfte - erreicht.
Oberstes Ziel beim Betreiben von Drogenkonsumräumen ist die Überlebenssicherung der DrogenkonsumentInnen. So wird das Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten verringert, die Gefahr von Notfällen beim Konsum wird durch Aufklärungsarbeit und die Schaffung einer ruhigeren Atmosphäre reduziert, und beim Auftreten von Drogennotfällen, zumeist Atemdepressionen, kann sofortige medizinische Hilfe die Gefahr des Versterbens auf ein Minimum herabsetzen. Zudem werden durch die oben beschriebenen humanitären Angebote die Lebensbedingungen der meist obdachlosen Klientel ein wenig gesteigert.
Wichtig ist, dass das ganze Konzept auf Akzeptanz beruht, dass Drogenabhängige als Menschen verstanden werden, die vorerst auf den Konsum angewiesen sind und denen in diesem Bereich Hilfe angeboten werden muss. Ein wichtiger Schritt für die akzeptierende Drogenhilfe ist somit die rechtliche Absicherung der Drogenkonsumräume.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Zentrale Norm in dem behandelten Kontext ist der neu eingefügte § 10a BtMG - Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen. In Absatz 1 findet sich eine Legaldefinition: Danach sind Drogenkonsumräume Einrichtungen, "in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird".
Neben Verfahrensvorschriften (Absatz 3) werden die von den Landesregierungen zu erlassenden Rechtsverordnungen, auf deren Grundlage Fixerstuben ermöglicht werden, durch einen großen Katalog von Bedingungen in ein fertiges Korsett gezwungen (Absatz 2). Die Voraussetzungen sollen zwar einen engen Rahmen vorgeben und zu einer einheitlichen oder zumindest vergleichbaren Umsetzung in den einzelnen Bundesländern führen. Dennoch bleibt ein gewisser Spielraum je nach strengerer oder weiterer Auslegung. Die Maßnahmen zur Verhinderung von BtMG-Straftaten innerhalb der Einrichtungen (§ 10a II 2 Nr. 5 BtMG) sind in den oben angesprochenen Hausordnungen zu erblicken. In Absatz 4 wird die Substanzanalyse, das heißt die Überprüfung der Zusammensetzung des zu konsumierenden Stoffes, ausdrücklich verboten. Eben diese Einschränkung ist aber drogenpolitisch umstritten, da durch eine Analyse der Konsum gesundheitsschädlicher Zusatzstoffe reduziert werden könnte. Gerade unbeabsichtigte Überdosierungen oder sog. Mischintoxikationen sind mit weitem Abstand die häufigsten Todesursachen bei DrogenkonsumentInnen1. Somit ist das Verbot der Substanzanalyse als Klarstellung, aber leider auch als großer Rückschritt zu bewerten.
Der dennoch große Schritt, der durch die Änderung des BtMG und damit auch der rechtlichen Absicherung von Drogenkonsumräumen gemacht wurde, wird jedoch nicht einheitlich als positiv bewertet. GegnerInnen befürchten, dass solche Einrichtungen den Drogenkonsum verharmlosen, ja sogar eben diesen noch fördern und die Therapiemotivation drogenabhängiger Menschen reduzieren. Ebenso bestehe die Gefahr, dass gerade jüngere Menschen sich von diesen Räumlichkeiten "anlocken" ließen. Dazu ist zu sagen, dass sich die Klientel größerer Fixerstuben zum überwiegenden Teil aus sog. "therapieresistenten" AltfixerInnen zusammensetzt und daher die befürchtete Lockvogelwirkung auf jüngere Menschen sich empirisch nicht bestätigen lässt. Mit Drogenkonsumräumen wird aber Therapiewilligen eine erste Anlaufstelle geboten, die sie ohne innere Barriere auch aufsuchen. Zudem versuchen Menschen, die sich am Anfang ihrer Drogensucht befinden, sich von der wohnungslosen Schicht der DrogenkonsumentInnen fernzuhalten und suchen selten diese Räumlichkeiten auf.
Ein weiterer auch rechtlich umstrittener Aspekt liegt darin, ob ein Verstoß gegen Völkerrecht in Form des sog. Wiener Suchtstoffübereinkommens vorliegt2. Dort wird in Artikel 3 vorgeschrieben, dass Drogenbesitz und ähnliches unter Strafe gestellt werden muss. Dies werde durch eine Legalisierung von Drogenkonsumräumen nicht eingehalten.3 Nach anderer Auffassung wird allerdings die Strafbarkeit auch in der aktuellen BtMG-Fassung aufrecht erhalten; nur die Strafverfolgung, über die sich das Wiener Suchtstoffübereinkommen nicht eindeutig äußert, wird zum Teil aufgehoben. Dies erscheint als richtiger Weg, um der Legalisierung von Fixerstuben keine Steine in den Weg zu legen. Eine ähnliche Problematik stellt sich übrigens auch im Zusammenhang mit den sog. Coffee-Shops in den Niederlanden, in denen kleinere Mengen Haschisch käuflich erworben werden können.

Ausreichend Drogenkonsumräume?

Die oben schon angesprochene Abhängigkeit des Betreibens von Drogenkonsumräumen vom Willen der Landesregierungen stellt eines der wesentlichen Probleme dar. Zum einen kann eine flächendeckende und vergleichbare Versorgung von DrogenkonsumentInnen nicht gewährleistet werden. Zum anderen besteht die Gefahr, dass es zu einer Form der Abwanderung drogenabhängiger Menschen in Gegenden bzw. Städte kommt, wo solche Einrichtungen bestehen. Böse Zungen könnten behaupten, dass dies beabsichtigt sei, um erstens bestimmte Regionen von DrogenkonsumentInnen zu befreien und zweitens den KritikerInnenstimmen entgegenzukommen, die eine Ballung von Drogenumschlagsplätzen durch Schaffung von Drogenkonsumräumen befürchten. Diese nicht abgesicherte Prognose, soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die auf Freiwilligkeit beruhende Umsetzung durch die einzelnen Bundesländer immense Probleme in sich birgt.

Ausblick

Noch immer ist aufgrund fehlender Umsetzung der Rechtsverordnungen in vielen Bundesländern ein ausreichendes Angebot von Drogenkonsumräumen in ganz Deutschland nicht vorhanden. Ganz im Gegenteil wird versucht zu zentralisieren und Ballungsräume zu schaffen. Einrichtungen werden geschlossen oder zusammengelegt. Damit werden die schon jetzt nicht ausreichenden Kapazitäten weiter verkleinert. Zudem ist die Substanzanalyse, die vielfach das Risiko des Konsums von Fremdstoffen minimieren könnte, weiterhin verboten. Auch die Stigmatisierung von DrogenkosumentInnen als Kriminelle wird durch eine repressive Drogenpolitik weiter vorangetrieben. Für eine sinnvolle akzeptierende Drogenhilfe ist es von elementarer Bedeutung, ein umfassendes Netz von Drogenkonsumräumen zu errichten, um den Menschen, die am untersten Ende der Gesellschaft stehen, Hilfestellungen zu bieten und ihnen in erster Linie das Überleben zu sichern. Daneben ist es natürlich ebenso erforderlich, drogenabhängigen Menschen unkompliziert und ausreichend Therapiemöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und sie vor allen Dingen zu entkriminalisieren. Ein erster Schritt ist mit dem Modellversuch für kontrollierte Heroinvergabe bereits getan. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, DrogenkonsumentInnen die Hilfe zu bieten, die sie benötigen.

Kawus Klapp promoviert über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Fixerstuben in Hamburg und arbeitet als pädagogische Hilfskraft in der Drogenhilfeeinrichtung Drob Inn.

Anmerkungen

1 Vgl. Legge, Ingeborg/Bathsteen, Michael u. a.: Sozialer und medizinischer Hintergrund des Drogentodes, Hamburg 1992, S. 81.
2 Dargestellt in Katholnigg, Oskar: Die Zulassung von Drogenkonsumräumen und strengere Kriterien bei der Substitution - das Dritte Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, NJW 2000, S. 1217 ff., S. 1223 ff.
3 Vgl. Report of the International Narcotics Control Board for 1999, United Nations, New York, 2000.

Literaturhinweise:
Katholnigg, Oskar: Die Zulassung von Drogenkonsumräumen und strengere Kriterien bei der Substitution - das Dritte Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, NJW 2000, S. 1217 ff.
Homann, Bernd u. a.: Drogenkonsum und Gesundheitsraumbedarf in der Hamburger "offenen Drogenszene", Sucht 46 (2) 2000, S. 129 ff.