IM Zwischendeck

DokuSoap Windstärke 8

Warum segelt eine PDS-Politikerin ins gelobte Land USA?


"Windstärke 8 - Eines der letzten Abenteuer unserer Zeit", verspricht der WDR auf seiner Internetseite über die Doku-Soap der ins Jahr 1855 versetzten Atlantikreisenden. Aus Thüringen segelte ab Oktober 2004 Almuth Beck für den Fünfteiler nach Nordamerika, der gerade im ersten Programm - Ende Mai und Anfang Juni - gezeigt wurde.

Sie führt die Passagierliste an und ein Mausklick führt "Zum Steckbrief von Almuth Beck". Dort erfährt man zwar, daß die "bekennende Kommunistin" Beck "auch schon mal PDS-Abgeordnete im Thüringer Landtag" gewesen sei, aber ausgerechnet juristisch Heikles spart der WDR-"Steckbrief" aus: Beck hat nicht freiwillig das Landesparlament verlassen, etwa um Zeit zu haben, solch ein "Auswandererschiff" zu besteigen. Selbst dann wäre zu fragen, was eine deutsche Kommunistin ins gelobte Land Amerika treibt, hinterließ doch schon Bert Brecht als Marxist im dortigen Exil der Nachwelt: "hier kommt man sich vor wie franz von assisi im aquarium, lenin im prater (oder oktoberfest), eine chrysantheme im bergwerk oder eine wurst im treibhaus".

Die Frau aus Sonneberg hat nicht so düstere Gedanken: "Von Anfang an übernimmt sie das ‚KommandoÂ’ unter den Zwischendeckern", heißt es auf der Internetseite über die einstige Lehrerin, die einst als "Referent für Kader" der Kreisverwaltung und SED-Genossin gelernt hat, einen Führungsanspruch - damals den der Partei der Arbeiterklasse - durchzusetzen. Sie sei "mit Feuer und Flamme dabei, wenn es darum geht, die Vergangenheit in die Gegenwart zu holen" und "erzählt Geschichten von früher", heißt es weiter. Ob sie auch erzählt, daß in ihrem Fall erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Landtagsmandat wegen Stasi-Verstrickungen entzogen wurde? So geschehen 1999 mit der Mehrheit einer großen Koalition aus CDU und SPD, die das Konterfei der "biederen Großmutter" (der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel über Beck) aus dem Abgeordnetenhandbuch verbannen wollten.

Die Zeitreisende könnte ihren Mitreisenden allerdings auch davon erzählen, daß sie mit einer Klage vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof im Mai 2000 erfolgreich war. Dieser stellte im von ihr angestrengten Normenkontrollverfahren fest, die Thüringer Regelung über den Verlust des Abgeordnetenmandats infolge wissentlicher Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit sei verfassungswidrig; eine Parlamentariermehrheit steht nicht über dem Wählerwillen . Vielleicht gibt es einmal einen DirectorÂ’s Cut oder Making-Of-Film zur Atlantikquerung, in dem auch solche Schiffsprosa zur Sprache kommt. Und in dem man erfährt, warum die Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts, verkleidet in Gewänder des neunzehnten, von der Spitze des Weltproletariats in die Metropole des Weltimperialismus strebende Genossin ihren Marx vergessen hat, der etwa zeitgleich mit jener "Zeitreise", nämlich 1852 schrieb, "daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen", nämlich "das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce".