"Bürgerversicherung hätte im Bundestag eine Mehrheit"

Frank Spieth: gesundheitspolitischer Sprecher der Linkspartei-Bundestagsfraktion

Die gesundheitspolitischen Aussagen des Koalitionsvertrags von Union und SPD bewertete der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Spieth als "zum größten Teil im Grundsatz positiv", aber "schwammig"...

Frank Spieth, MdBDie gesundheitspolitischen Aussagen des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD bewertete Frank Spieth, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, als "zum größten Teil im Grundsatz positiv", aber "schwammig" formuliert. Der bisherige DGB-Vorsitzende Thüringens, der im Wahlkreis Erfurt/Weimar für die Linkspartei neu in den Bundestags gewählt wurde, ist jetzt von seiner Fraktion zum gesundheitspolitischen Sprecher und Obmann im Gesundheitsausschuß bestimmt worden.

Spieth verwies darauf, dass die Entscheidung über einen wesentlichen Streitpunkt - die von der SPD versprochene Bürgerversicherung oder die von der Union favorisierte Kopfpauschale - im Koalitionsvertrag ausgespart wurde. Hierzu wollen die Regierungsparteien erst nächstes Jahr ein Konzept vorgelegen. Unter Verweis auf die Positionen seiner Partei, erläuterte der Linkspartei-Sprecher, dass es im Bundestag eine Mehrheit für die Einführung einer Bürgerversicherung gäbe. "Wir werden von der Linkspartei darauf drängen, dass die SPD hier nicht wie bei der Mehrwertsteuererhöhung ihr Wahlversprechen bricht", kündigte Spieth an. Außerdem befürchte er, dass eine Schieflage auch bei Pharmaindustrie, Ärzten und Krankenhäusern einerseits und Patienten sowie Pflegebedürftigen andererseits entstehen könnte. Wenn man wie bisher nur "halbherzig" die "Strukturprobleme im Leistungserbringerbereich" angehe, dann müsse man die Forderung der Koalition nach "Bereitschaft zu Selbsthilfe und ehrenamtlichen Engagement" als Androhung des weiteren Sozialstaat-Abbaus begreifen.

Positiv bewertete Spieth die Absicht, Zusammenschlüsse im Bereich der Krankenkassen zu ermöglichen. Es sei "nicht begründbar", dass es bei zu 90 Prozent festgeschriebenen Leistungen noch 250 Kassen geben müsse. Allerdings sollte bei Umgestaltungen darauf geachtet werden, dass nicht neue "unüberschaubare Größen" entstehen, die wiederum zu anderen "Effizienzeinbußen" führen könnten. Spieth begrüßte, daß die Bezahlung für ambulante Leistungen in Kliniken und Arztpraxen angeglichen werden soll. Er forderte jedoch, das komplizierte Honorarsystem in den Praxen "insgesamt zu reformieren": "statt Punktwerte lieber Pauschalvergütungen, ergänzt durch Einzelvergütungen für spezielle Leistungen".

Trotz positiver Ansätze, stünden Lösungen für das Gesundheitssystem doch noch im Ungewissen. Hier werde die Linkspartei Position beziehen und auf Effektivität dringen. So wolle die Regierung zwar die Arzneimittelpreise für zwei Jahre festschreiben, aber erforderlich sei auch, das "Tricksen mit Scheininnovationen, um das zu umgehen", zu verhindern. Auch habe die SPD im Wahlkampf versprochen, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Bereitschaftszeit von Ärzten zu Beginn nächsten Jahres umzusetzen, während nun im Koalitionsvertrag die Neuregelung mit einer Übergangsregelung um ein weiteres Jahr verschoben werde. Das könne "im Einzelfall tödlich sein", mahnte Spieth eine Arbeitszeitenregelung für Klinikärzte an.