Gegen das neoliberale Uhrwerk!

Beitrag der JD/JL-Partnerorganisation ÖDP Youth (Türkei)

in (10.05.2004)

Interview mit Kivanc Eliacik (ÖDP) Übersetzung: Daniel Leisegang

Eine historisch neue, breite Koalition aus linken Kräften in der Türkei rüstet sich für die kommenden Regionalwahlen

Während die Türkei vorrangig damit beschäftigt ist, die eigene EU-Erweiterung voran zu treiben sowie die Zypernfrage zu lösen, finden bald auch türkische Regionalwahlen statt. Die Hürde für die Parteien, um ins Parlament zu gelangen, liegt unglaublich hoch: 10% der Stimmen muss eine Partei mindestens auf sich vereinigen, um mit ihren Abgeordneten repräsentiert zu sein. Die Folge ist, dass aus diesem Grund gerade nur zwei Parteien im Parlament vertreten sind. Demokratie "a la turca"Â…

Hält man sich das übliche Wahlverhalten der türkischen Bevölkerung vor Augen, dann ist davon auszugehen, dass sie auch dieses Mal für in der großen Mehrheit für eine der beiden Parteien stimmen werden, die bereits an der Macht sind. Die AKP (Gerechtigkeits-
und Entwicklungspartei) wird demnach wenig überraschend nach der CHP (Republikanische Volkspartei) wieder stärkste Fraktion im Parlament sein.
Eine breite linke Koalition
Während die Linke in der Türkei lange Zeit noch mit den Nachwirkungen des Staatsstreiches 1980 durch die Armee beschäftigt war, formiert sich gegenwärtig eine in der türkischen Geschichte ungewöhnliche und breite Koalition, die von den Sozialdemokraten bis hin zu den Marxisten reicht - also von den patriotischen bis zu den radikal linken Kräften.

Die ÖDP (Partei der Freiheit und Solidarität), die DEHAP (Demokratische Volkspartei), die SHP (Sozialdemokratische Volkspartei) sowie die EMEP (Arbeiterpartei) sind die Hauptakteure in dieser politischen Koalition. Die DEHAP, die dabei den Rückhalt der meisten KurdInnen in der Türkei genießt, ist vor allem eine Herausforderung in den östlichen Städten. In einigen anatolischen Gemeindebezirken hat eine linke Koalition, die sich Demokratische Kooperation nennt, gute Ausgangsbedingungen die Wahlen für sich zu entscheiden. Demnach scheint eine andere, linke Politik auf lokaler Ebene vorstellbar!

Die Koalition tritt dabei mit den gleichen, bekannten und weithin respektierten Kandidaten zur Wahl auf. Das gemeinsame Programm vereinigt Ziele für mehr direkte Demokratie, soziale Gerechtigkeit und spricht sich gegen die neoliberale Politik des Internationalen Währungsfond aus. Vielleicht steht uns ein zweites Porto Allegre bevor...
Gemeinsamer Widerstand gegen den neoliberalen Kurs
Gewinnt die gegenwärtig mehrheitlich regierende AKP als konservative Partei mit islamischen Grundwerten mehrheitlich die Regionalwahlen, werden sich auch weiterhin wie ein Uhrwerk und ohne Zögern an der Durchsetzung neoliberaler Interessen arbeiten. Sie strebt u.a. eine Privatisierung der öffentlichen Einrichtungen und Dienste. Wegen ihres klar auf eine Neoliberalisierung der Türkei ausrichteten Kurses wird diese Politik der AKP innerhalb der EU durchaus geschätzt, weil sie so den "Clash der Gesellschaften" für diese abmildert.

Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die aktuellen lokalen Wahlen für die türkische Linke von enormer Wichtigkeit - aber auch eine Prüfung nach jahrelanger Zusammenarbeit und Kooperation.