Schluss mit Lustig

Politik der Großen Koalition

in (01.04.2006)

Politik der Großen Koalition: Die neue Harmonie im Lande

Endlich herrscht sie wieder im Lande, die Harmonie, die in einem neuen alten Wir-Gefühl und einer vermeintlich ideologiefreien Anpack-Mentalität schwelgt. Die große Koalition der besiegelten Einheitspartei hat sie uns gebracht.

Im Bundestag herrscht wieder blanker "Pragmatismus", denn mit Deutschlands Wirtschaft soll es wieder aufwärts gehen, weshalb immer mehr "Reformen" für die Konzerne und Unternehmen aber gegen die BürgerInnen gemacht werden.
Zum neoliberalen Umbau bzw. Abbau des bereits zerlöcherten Sozialstaats stehen neben der fast dreiviertel Mehrheit durch die schwarz-rote Koalition auch zwei der drei Oppositionsparteien, nämlich FDP und Grüne im Bundestag bereit. Außerdem sind die Mehrheiten im Bundesrat sowieso schon gesichert.

Nachdem nun keine der beiden "Volksparteien" mehr um die Gunst der WählerInnen buhlen muss, indem sie bloße Facetten des Neoliberalismus als Alternativen präsentieren, da keine von ihnen mehr auf der Oppositionsbank sitzt, kann die Große Koalition losregieren. Und das geschieht heutzutage angeblich ganz pragmatisch, im Sinne der Bürgerinnen. Denn schließlich gibt es ja angeblich keine Alternativen zum neoliberalen Marktradikalismus, in dem sich der Staat aus jedweder sozialen Verantwortung zurück zieht.

Unpolitische Politik?
Das Ganze nennt sich dann "Durchregieren" und ist auch noch "ideologiefrei", denn wo es angeblich keine Alternativen mehr gibt, braucht es quasi keine politischen Entscheidungen mehr, man entscheidet ja auch nicht, ob man atmet oder lieber nicht. Damit kann der politische Gegner in Parlamenten und in der außerparlamentarischen Opposition einfach zum verblendeten Ideologen abgestempelt werden, der es entweder noch nicht verstanden hat oder- noch schlimmer - die Gesellschaft ins Chaos vergangener Zeiten stürzen will. Das ist nicht nur falsch, sondern auch undemokratisch, denn diese Politik verhindert gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und bringt vor allem die Ausgebeuteten und Machtlosen um die Durchsetzung ihrer demokratischen Rechte.

Â… und ihre knallharte Umsetzung
Doch weder die neoliberale Doktrin noch die Große Koalition sind frei von politischen Konzepten und Ideologien, nach denen sie den Staat und die Bevölkerung formieren wollen. Die Politik des Neoliberalismus, die von der Großen Koalition fortgeführt und verschärft durchgesetzt wird, führt dazu, dass der Staat sich immer mehr aus den politischen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückzieht. Hier werden die staatlichen Regelungsmechanismen immer weiter abgebaut und der einzelne immer mehr zur privaten Verantwortung für sein Bildungsdefizit, seine Arbeitslosigkeit etc. gezogen. Hierdurch werden gesellschaftliche Probleme privatisiert, diese erscheinen nicht mehr als politische, sondern als persönliche, denen nur durch verschärfte Kontrolle des Staates Herr zu werden sei. Die Bürgerin wird immer mehr zur mutmaßlichen Sozialbetrügerin, Nachwuchs-Verweigererin und mehr.

Diese Entwicklungen, die den Kräften des freien Marktes im Wirtschaftsraum immer mehr Spielräume eröffnen, die ihnen ausgelieferten Menschen auszubeuten, bewirken gleichzeitig eine massive Verunsicherung über persönliche Perspektiven und die zukünftige soziale Sicherheit in der Bevölkerung. Um dieses Gefühl der Verunsicherung zu kompensieren, versucht sich der Staat einerseits in einer immer ausufernden Sicherheitspolitik und andererseits in der Schaffung eines Wir-Gefühls der Nation. Damit diese Entstaatlichung der Wirtschaftpolitik bloß niemand entdeckt, wird ein enormer Sicherheitsapparat hochgezogen. Wenigstens hier kann die Bürgerin noch das Gefühl haben, dass der Staat etwas für sie tut. Denn wenn sie schon nicht mehr vor gesellschaftlichen Risiken wie Arbeitslosigkeit geschützt oder in solchen Situationen aufgefangen wird, so kann sie wenigstens wissen, dass der Staat alles tun wird, um sie vor terroristischen Attacken oder ähnlichem zu schützen. Auch wenn dies um den Preis der Freiheit und Demokratie getan wird und ein Klima der Terror-Panik selbst erst medial erzeugt wird. Und sie bekommt erklärt, dass auch sie als kleines schlechtbezahltes Rädchen im Getriebe, und sei es als Klofrau während der WM, einen wichtigen Anteil an der deutschen Nation hat.

Wir sind dagegen!
So wie zu jedem politischen Konzept, gibt es auch zur Politik der Großen Koalition Gegenentwürfe. Es sind politische Entscheidungen und Kämpfe, ob eine Gesellschaft aus Individuen á la homo oeconomicus besteht, der nur das Maximale für sich selbst raus holt ohne Rücksicht auf oder Solidarität für andere, oder ob man eine friedliche, soziale, emanzipatorische Gesellschaft anstrebt, die durch Demokratie die Freiheit ihrer Mitglieder gestaltet und schützt.