Die neue alte Leier

Frauenpolitik der Bundesregierung

in (19.04.2006)

Deutschland hat eine Bundeskanzlerin - ansonsten hat sich frauenpolitisch nichts getan. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag kommen Frauen schlicht nicht vor.

Die konservative Tageszeitung "Welt" lobt indes: "Die 100-Tage-Bilanz von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) kann sich sehen lassen. Immerhin ist es ihr gelungen, die Familienförderung in kurzer Zeit zu einem Topthema der Koalition zu machen." - und trifft den Nagel auf den Kopf, wenngleich man zugeben muss, dass die meisten schnellen Erfolge von der Leyens von ihrer Vorgängerin Schmitt "geerbt" sind: Schon Anfang 2005 hatte Schmitt nach dem Erscheinen der Studie "Nachhaltige Familienpolitik" das neue Topthema gesetzt und langsam den danach aufkommenden Boom der Familienpolitik und auch die Idee des "Elterngeldes" in die Öffentlichkeit gebracht.

Seitdem sind vor allem zwei Diskussionen öffentlich geführt worden: Die eine darum, ob Elterngeld einkommensabhängig gezahlt werden soll und damit nicht mehr "Jedes Kind gleich viel wert" ist, die andere wurde
darum, dass Akademikerinnen angeblich zu 40% die Mutterschaft verweigern. Die Zahl ist falsch, aber dennoch ist es alarmierend, was seitdem auf Frauen einprasselte. "Wir müssen die Erst-Mal-Mentalität überwinden, die vor das Kind erst mal Berufseinstieg, Hausbau, Heirat, großes finanzielles Polster setzt", so der begeistert in allen großen Zeitungen wieder und wieder reproduzierte Tenor. Die Frauen seien zu eigennützig, zu bequem. Sogar vom "Beitrag zur Zukunft unseres Landes", den Frauen zu leisten hätten, war unverblümt die Rede.

Das geforderte Verhalten ist offensichtlich unvernünftig: Alleinerziehend oder arbeitslos zu sein sind neben der Altersarmut, die letztlich die gleichen Ursachen hat, die größten Armutsrisiken: Mehr als 80 Prozent der alleinerziehenden Frauen sind von Armut betroffen, und Alleinerziehende stellen 20% der "Eltern-Kind" Gemeinschaften.
Solange keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wird, ist weder für Frauen noch Männer im deutschen Sozialsystem eine befriedigende Absicherung vorgesehen, denn aus Kindererziehung leitet sich noch kein Anspruch ab, der Abstieg in die Sozialhilfe ist - zumal seit Hartz - oft vorprogrammiert, ein (Wieder)Einstieg ins Berufsleben dagegen bei chronisch schlechter Kinderbetreuung und deren Kosten in Deutschland nahezu unmöglich.

Die ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung dürften junge Menschen in Ausbildung oder im Berufseinstieg kalt lassen: Weder das Elterngeld - 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens für die Person die bis ein Jahre lang die Kinderbetreuung übernimmt - noch die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten über 1000 Euro für Paare mit einem oder auch zwei verdienenden Elternteilen sind keine Anreize wenn man knapp bei Kasse ist.

Was Frauen an Regierungshandeln zugute kommt, wird noch nicht einmal im Namen der Gleichstellung gefordert: Eine ausreichende Betreuung von Kindern wird nicht vor dem Hintergrund von Arbeitsentlastung und damit der Ermöglichung einer sozial abgesicherten Lohnerwerbstätigkeit gefordert, nein die Frühförderung der Kinder steht im Vordergrund. Bei der Vorstellung des Konzepts Elterngeld wurde nicht vergessen zu unterstreichen, dieses Konzept sei auch gut um den "Haushalt als Arbeitgeber" zu fördern und um die Schwarzarbeit zu bekämpfen.

Dabei gäbe es wahrlich genügend Probleme anzupacken um die Gleichstellung zwischen Mann und Frau tatsächlich zu verbessern.
Beispielsweise müssten sozial ungesicherten Minijobs in reguläre Arbeit umgewandelt werden, denn nur dann haben Frauen, die zum überwiegenden Teil dieser "McJobs" innehaben, die Chance sich eine eigenständige Sicherung zu erwerben. "Folgeprobleme" der ungesicherten Nebenjobs wie ein schnelles Abrutschen in die Sozialhilfe und Altersarmut wären gemildert.
Arbeiterinnen verdienen 26 % weniger als Arbeiter, Weibliche Angestellte verdienen 29 % weniger als männliche, Frauen in gehobeneren Positionen wie Geschäftsführung, Juristin o.Ä. verdienen 17 % weniger als Männer im gleichen Beruf. Dieser Lohndiskriminierung könnte das von der CDU torpedierte Anti-Diskriminierungsgesetz zumindest rechtlich Abhilfe schaffen.

Noch eine ganze Reihe an Forderungen sind schon lange diskutiert, bekannt und auf den Wunschlisten auch der SPD-Frauen oder der Frauen-Union. Die Bundesregierung will aber, geführt von einer Frau, den Schwerpunkt lieber auf Familienpolitik setzen als Frauen ein eigenständiges Leben mit eigenständiger Absicherung zu vergleichbaren Bedingungen wie Männern näher zu bringen.
Kein Wunder, dass Frauen sich nicht in die "Babyfalle", die unsichere und unangenehme Abhängigkeit von "Familienoberhäuptern" begeben wollen. Sie denken eben mit.