Die USA, der Iran und Israel

John Bolton hat eine Mission. Der amerikanische UN-Botschafter will, dass der UN-Sicherheitsrat so scharf wie möglich gegen den Iran vorgeht.

Sanktionen sollen so früh wie möglich auf die Tagesordnung kommen. Prophylaktisch droht er sogar dem Sicherheitsrat: Für den sei das Ganze ein "Test". Der Test, ob der Sicherheitsrat den Anforderungen der USA genügt.
Doch Bolton hat auch ein Problem. Nicht alle denken so wie der Neokonservative. Als der Sicherheitsrat sich jüngst mit dem Iran befasste, einigte er sich auf eine Erklärung seines Präsidenten, nicht auf eine Resolution. Dreißig Tage gab das Gremium dem Iran Zeit, um seine Anreicherungsforschung wieder zu beenden und mit der Internationalen Atomenergiebehörde umfassend zusammen zu arbeiten. Aussagen darüber, was passiert, wenn die Iraner dieser Forderung nicht nachkommen, machte der Sicherheitsrat nicht. Darüber gibt es keine Einigkeit.
Bolton hat allerdings auch keinen leichten Stand. Er gilt als einer der wichtigsten Architekten der US-Begründung für den Krieg gegen den Irak. Er bog die Fakten in Sachen Irak so zurecht, wie es ihm gerade passte. Jeder traut ihm zu, dass er in Sachen Iran genauso vorgeht.
Bolton verkörpert damit jenes Dilemma, in das sich die Regierung Bush selbst gebracht hat: Sie führt einen weltweiten "Krieg gegen den Terrorismus", in der moslemischen Welt aber wächst der Eindruck, in Wirklichkeit gehe es um einen Kreuzzug gegen den Islam. Sie marschierte in Bagdad ein und konnte die "Kriegsgründe" nicht belegen. An die Stelle einer brutalen Diktatur traten nicht Demokratie, Rechtssicherheit und Menschenrechte, sondern alltägliche Gewalt und Unsicherheit. Statt Stabilität entstanden Freiräume für militante und terroristische Gruppen. Die US-Armee ist für Folterexzesse verantwortlich, die es auf Jahre jedem amerikanischen Präsidenten unmöglich machen müssen, glaubwürdig von Menschenrechten und Demokratisierung zu reden.
Und nun also dasselbe Spiel noch einmal? Nur im Iran?
George W. Bush und seine Regierung haben derzeit allen Grund, vorsichtig zu agieren. Und tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die Parole in Sachen Krieg gegen den Iran "derzeit noch nicht" heißt. Ein übereilter Militärschlag ist von der Sache her für die US-Regierung nicht nötig und hinsichtlich seiner Auswirkungen momentan unkalkulierbar.
Der Iran liefert den USA international Pluspunkte auf dem Silbertablett. Er attackiert Israel und verteidigt ein wirtschaftlich zweifelhaftes Atomprogramm. Er verwickelt sich in Streit mit seinen europäischen und russischen Verhandlungspartnern und strapaziert deren Geduld.
Der Iran ist für George W. Bush ein dankbarer Gegner. Den diplomatischen Konflikt mit dem Iran zu eskalieren, bringt Vorteile: Da der Streit in den Sicherheitsrat eingebracht wurde, kann Washington nun mit seinem Veto verhindern, dass er für beendet erklärt wird. Wenn es Bush gelänge, den Iran unter internationale Sanktionen zu stellen, dann hätte er mehr erreicht als all seine Vorgänger. Washington geht es nicht vorrangig um das iranische Atomprogramm oder um eine iranische Unterstützung des irakischen Widerstandes sowie von Terrorgruppen, die USA wollen einen Regierungswechsel im Iran. Der Streit um das iranische Atomprogramm ist dafür ein gutes Vehikel. Im Iran ist das Atomprogramm zu einem Symbol dafür geworden, nationalen Stolz zu demonstrieren. Washington muss nur noch überzogene Forderungen stellen und mögliche Kompromisse ablehnen, damit auch der Iran sich kompromisslos zeigt. Washington braucht derzeit keine Kompromisse, sondern den Streit, um seinem Ziel einer Ablösung der Ajatollahs näher zu kommen. Eine Eskalation des Konfliktes schließt aber immer auch perspektivisch die Gefahr des Krieges ein. So zitiert Seymor Hersh im "New Yorker" (08.04.06) einen hohen Berater im US- Verteidigungsministerium: „Das Weiße Haus glaubt, dass der einzige Weg zur Lösung des Problems darin bestehe, die Machtstruktur im Iran zu ändern – und das bedeutet Krieg.“
Gefahr verschärfend kommt hinzu: Die USA sind nicht nur treibende Kraft der Eskalation, sie sind auch getriebene Supermacht. Israel droht damit, im Alleingang militärisch gegen den Iran vorzugehen. Die Israelis beharren darauf, dass schnell gehandelt werden muss, sonst könne Teheran schon bald der Weg zur Bombe nicht mehr verwehrt werden.
Sollte Israel aber den Iran angreifen, dann würde Washington politisch in der islamischen Welt mitverantwortlich gemacht. Da bleiben Bush nur zwei Alternativen: Druck auf Israel oder Aufbau glaubwürdiger militärischer Handlungsoptionen und die Betonung des Willens zu militärischem Handeln. Die Bush-Administration präferiert offensichtlich die zweite Variante, und in Israel weiß man, dass diese israelfreundliche US-Regierung nur noch bis 2008 im Amt sein wird. Beides prägt nicht nur die Bedrohungsanalyse, sondern auch die Zeitpläne.
Otfried Nassauer leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit, BITS (www.bits.de)