Bildung auf Finnisch

Lernen mal anders

in (11.06.2006)

Lernen mal anders

In den PISA-Schulvergleichsstudie hat Finnland sehr gut abgeschnitten. Das wirft die Frage auf, was in Finnland anders, ja besser läuft als in Deutschland, wenn es um Schulentwicklung geht. Das dreigliedrige deutsche Schulsystem ist international ein kaum anerkanntes Unikum .
Am Beginn des Weges zu einem integrierten Schulsystem stand in Finnland der Wille, allen BürgerInnen des Landes gleiche Bildungsmöglichkeiten zu bieten. Fördern statt Auslesen sollte das grundlegende bildungspolitische Konzept werden. Deshalb erstreckt sich ein Netz von Gesamtschulen über das ganze Land, in denen Kinder neun Jahre lang gemeinsam lernen. 40 Prozent der finnischen Schulen haben weniger als 50 SchülerInnen. Schulbildung ist gebührenfrei. Das gilt für Schulbücher ebenso wie für die Inanspruchnahme sozialer Leistungen in der Schule. Seit 1945 erhalten die SchülerInnen in ihrer Schule täglich ein warmes Mittagessen. Wer einen Schulweg hat, der länger als fünf Kilometer ist, wird kostenlos transportiert. Fast jede Schule verfügt über eine Bibliothek und ist in vieler Hinsicht beispielhaft mit neuen Medien ausgestattet. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen die SchülerInnen. Die Antwort auf Lernprobleme sind nicht Rückstellungen, Klassenwiederholungen oder Abschiebung an eine andere Schule, sondern individuelle Förderung und Ermutigung. Neugierde sowie die Freude am Lernen werden nicht durch überzogenes Leistungsstreben erstickt. Vor allem aber lernen SchülerInnen miteinander und voneinander, wofür ihnen in den ersten sechs Schuljahren viel Zeit eingeräumt wird. Nach erlangtem Gesamtschulabschluss wechseln 60 Prozent an ein Gymnasium. Charakteristisch für Finnland ist die Durchlässigkeit der Bildungssystems. So kann man auch über die berufliche Ausbildung an die Universität gelangen. Heute erreichen weit über 80 Prozent eines Jahrgangs einen Abschluss der dem Niveau einer Fachhochschule oder Universität entspricht. Bildung gilt trotz vieler neoliberaler Anfechtungen noch immer als Recht und nicht als Privileg. Nachhilfe ist nicht wie in Deutschland zu einem Wirtschaftzweig verkommen, der in der Hand von Konzernen liegt und satte Gewinne einbringt, sondern Bestandteil alltäglicher schulischer Arbeit.
In der Schule sollen die SchülerInnen befähigt werden, ihren Weg im Leben zu finden. Damit verbindet sich ein hoher Anspruch an die Tätigkeit der LehrerInnen. Sie unterrichten nicht nur, sondern verstehen sich mindestens ebenso sehr als BegleiterInnen von Lernprozessen. Die Befähigung der SchülerInnen zu Selbständigkeit und Eigenverantwortung ist in den zurückliegenden Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten.
Aber auch in Finnland kann man nicht voraussetzen, dass SchülerInnen stets mit Freude in die Schule gehen, LehrerInnen mit den häufig wechselnden Anforderung des pädagogischen Alltags zurechtkommen und Schulen immer pädagogisch sinnvoll auf das reagieren, was von ihnen abverlangt wird und letztlich sind Noten auch in Finnland ein autoritäres und sinnloses Bewertungsinstrument. Zudem werden auch im internationalen Vergleich erfolgreiche Länder wie Finnland die positiven Aspekte ihres Bildungssystems wohl kaum ausbauen. Auch sie stehen unter einem zunehmenden ökonomischen Druck, der sie in Richtung Privatisierung drängt.