Integration statt Ausgrenzung

in (27.06.2006)

Nachdem die Berliner Rütli-Hauptschule wegeneines Hilferufs in die Schlagzeilen geraten ist, werden zwei Schlussfolgerungen gezogen, die nicht weit genug gehen oder falsch sind.

Nachdem die Berliner Rütli-Hauptschule wegen
eines Hilferufs des Kollegiums an den Schulsenat in die Schlagzeilen geraten ist, werden vor allem zwei Schlussfolgerungen gezogen, die entweder nicht weitreichend genug oder sogar komplett falsch sind.
1. "Lösen wir die Hauptschulen doch einfach auf"
Mehr Polizei, härtere Kontrollen gehören zu den einfallslosesten Vorschlägen. Aber auch mehr Sozialarbeiter oder bessere Einbeziehung der Eltern bleibt Symptombekämpfung.
So berechtigt die eine oder andere Maßnahme im konkreten Krisenfall sein mag: Eine langfristige Perspektive kann sie nicht bieten. Bei der Hauptschule selbst anzusetzen, kommt dem Problem schon recht nahe, allerdings muss in der Diskussion das gesamte Schulsystem in Frage gestellt werden. Nach der Grundschule entscheidet sich, welche Chancen man im späteren Leben hat, bzw., im Fall der Hauptschule vielmehr, welche Chancen man nicht hat. Das dreigliedrige Schulsystem zementiert damit gesellschaftliche und soziale Unterschiede. Es reicht deshalb nicht, die Hauptschulen mit den Realschulen zusammenzulegen, denn auch Gymnasien sind ein Auslaufmodell. Die Gesamtschule macht ausschließlich als integrierte Schule Sinn, in der die drei herkömmlichen Schultypen aufgehoben sind. Dadurch würden alle Schüler eine fairere Chance auf einen vernünftigen Bildungsabschluss erhalten. Einem demokratischen Bildungsideal entspricht nur eine Schule, in der "bessere" und "schlechtere" SchülerInnen gemeinsam lernen und sich gegenseitig unterstützen. Nicht nur die Hauptschule ist als gescheitert anzusehen, sondern das ganze deutsche Schulsystem.

2. "Manche wollen sich einfach nicht integrieren"
Mal wieder wird behauptet: "Multikulti ist gescheitert." Dabei ist eine multikulturelle Gesellschaft noch nicht einmal angestrebt worden. Wie aufgeschlossen dieses Land ist, erkennt man deutlich an der Forderung: "Jugendliche Straftäter schneller abschieben!" Dabei vermitteln Einbürgerungstests, Rasterfahndung, Abschiebeknäste und Leitkulturdebatte die ganze Zeit, dass Nicht-Deutsche eigentlich schon immer unerwünscht waren. Dass Menschen die Regeln einer Gesellschaft, welche sie gar nicht teilhaben lässt, nicht besonders respektieren, kann kaum überraschen.
Die Situation in der Rütli-Schule ist kein Ausländerproblem, wie viele behaupten, sondern vor allem ein soziales. Die Perspektivlosigkeit, die inzwischen weite Teile der Gesellschaft erfasst, weil sie kein Auskommen haben - noch nicht einmal eine realistische Chance darauf - ist die Ursache. Die Tatsache, dass das Menschen mit migrantischem Hintergrund viel öfter trifft, veranschaulicht auch die letzte PiSA Studie. Demnach ist Deutschland das einzige Land, in dem die Kinder der ersten Migrantengeneration noch weniger Bildungserfolge haben als nicht in Deutschland geborene migrantische Kinder. Das Ergebnis ist somit Ausdruck des strukturellen Rassismus unserer Gesellschaft.