Zwischen Hoffnung und Verzweiflung - Außenwirkungen von 1917

In zwölf Kapiteln auf 551 Seiten bereitet Aleksander Kan das gesamte Material über das Verhältnis und die Wechselwirkungen zwischen den Arbeiterbewegungen Schwedens und Rußlands im Ersten Weltkrie

und während der Jahre der russischen Revolution von 1917 bis 1920 auf und stützt sich dabei auf Material, das er in vielen Archiven und in mehreren Sprachen durchforscht hat. Er beginnt mit einer musterhaft konzentrierten Darstellung der Ausgangslage in Rußland und dem besonderen Verhältnis Schwedens zu Rußland: der historischen Rivalität und der Rußlandfurcht der schwedischen Bourgeoisie einerseits, der Sympathie der Sozialdemokraten beider Länder füreinander andererseits, letztere befördert durch die sozialistischen Flüchtlinge beider Strömungen aus dem Zarenreich.1 Diese "neutrale" Solidarität wird später überlagert durch die immer tiefere Spaltung der russischen Bewegung in der Revolution, durch die Spaltung der schwedischen Sozialdemokratie und durch die konsequente Parteinahme der rechten Sozialdemokratie unter Hjalmar Branting im Weltkrieg für die Westmächte. Diese Faktoren bewirken eine sich wandelnde Position der SAP zu den Bolschewiki - eine feindselige Haltung über längere Zeit, aber dennoch eine gewisse humanitäre Solidarität. Stockholm, die Hauptstadt des neutralen Schwedens, ist nicht nur Tummelplatz der Agenten beider Kriegsgegner; es ist auch Refugium und später Transitort sozialistischer Rückkehrer und lange Zeit Hauptstützpunkt der isolierten russischen Revolution, die bis 1920 von den Siegermächten in politischer Quarantäne gehalten und ökonomisch boykottiert wird.

Das zweite Kapitel schildert die schwedische Hilfe für beide russische Richtungen in den Kriegsjahren bis zur Februarrevolution. Die Linke unterstützt Zimmerwald, ist revolutionär-pazifistisch; die Bolschewiki erhalten viel Raum in der Arbeiterpresse. Das dritte Kapitel zeigt schon die differenzierende Wirkung der ersten Revolution von 1917, die bereits in Rußland die Frage nach dem weiteren Weg und Ziel stellt: bürgerliche Demokratie oder sozialistische Revolution, damit auch die Frage nach Fortsetzung des Krieges (zusammen mit den Westmächten) oder revolutionäre Beendigung des Völkermordens. Die rechten Sozialdemokraten unter Hjalmar Branting halten es mit den Rechtsmenschewiki, später unterstützt von den rechten Sozialrevolutionären, und mit den Westmächten, während die linken Sozialdemokraten die andere Seite unterstützen, zu der auch die Martow-Anhänger unter den Menschewiki gehören.

Die politische Spaltung wird zur organisatorischen. Im Mai 1917 entsteht die Schwedische Sozialdemokratische Linkspartei SSV mit starker Unterstützung in der Jugend, bald mit einer Tageszeitung ("Folkets Dagblad Politiken", FDP) und der Wochenzeitung der jungen Linken "Stormblockan". Die Gründung der SSV fällt zeitlich fast zusammen mit der der USPD; sie ist aber wesentlich radikaler, den Bolschewiki näher. Die russischen Debatten finden viel Platz in den Organen der beiden schwedischen Hauptrichtungen, aber auch bei den keineswegs unbedeutenden Syndikalisten.

Eine von den rechten Sozialdemokraten geplante internationale Friedenskonferenz im neutralen Schweden kommt nicht zustande, während die Zimmerwalder eine Art Konferenz durchführen. Angelica Balabanowa, Zimmerwald-Sekretärin nach Robert Grimms Rücktritt im Sommer 1917, jetzt in Stockholm, trägt dazu bei, die Zimmerwald-Bewegung zur wesentlichen Stütze der Bolschewiki zu machen; die SSV arbeitet mit ihr eng zusammen. Im Oktober 1917 werden die schwedischen Sozialdemokraten zum ersten Mal in die Regierung aufgenommen.2

Die Linken unternehmen erste Erkundungsreisen (Kapitel 4) und erleben in Petrograd die ersten Siege und die erste große Krise (Sommer 1918), das Auf und Ab, die militärische Besserung (Herbst 1918). Der Erfolg der Bolschewiki und die Erfolge der Roten Armee antagonisieren die schwedische Linke. Branting, ganz gewiß weder ein Kerenski noch ein Noske, verschärft seine Gegnerschaft gegenüber den Bolschewiki und plädiert sogar für die militärische Intervention der Westmächte gegen die Revolution, wirbt in London und Paris dafür. Als Reaktion beginnt eine hitzige Auseinandersetzung - etwas "unschwedisch" - auf der Linken mit Branting als Zielscheibe.

Das 6. Kapitel analysiert Inhalt und Menge der Nachrichten und Artikel aus und über das neue Rußland, vor allem in der Arbeiterpresse, berichtet ferner über die Schwierigkeiten der Kommunikation und mit der Zensur an beiden Enden. FDP berichtet regelmäßig über den Sieg und das Sich-Behaupten der Revolution, behandelt später die kritischen Punkte, in denen man das Vorgehen der Bolschewiki als zeitbedingt erklärt, aber zugleich kritisiert. Deutlich wird bei aller Kritik: Die schwedischen Sympathisanten erkennen und anerkennen, daß der weiße Terror, unterstützt von den westlichen Demokratien, am Anfang steht und den roten Terror hervorruft. Der Streit wird in der schwedischen Presse - manchmal wenig elegant - ausgefochten; FDP versucht immer wieder, den wilden Antibolschewismus zu widerlegen und zugleich für Solidarität zu werben.

Die letzte bedeutsame Phase der Zimmerwald-Bewegung mit der unermüdlichen Balabanowa wird in Kapitel 7 und 8 behandelt. Die Zimmerwalder Linke ist die einzige Verteidigerin der Bolschewiki, was Lenin zu einer positiven Neubewertung veranlaßt.3 Da der neue Rat der Volkskommissare unter Lenin diplomatisch nicht anerkannt wird, wird das Zimmerwald-Sekretariat zugleich die Verbindung des Petrograder, später Moskauer Außenministeriums zur Außenwelt. Der SSV-Mann Fredrik Ström ist de facto russischer Konsul und arbeitet nun mehrere Jahre - bis Ende 1921 - für die Sowjetregierung als ihr Beamter, bleibt aber Führungsmitglied der SSV. Außenminister Georgij Tschitscherin in Moskau und Maxim Litwinow in Kopenhagen, wo er "festsitzt", wären ohne Ström und seine Mitarbeiter völlig isoliert. Weder darf Ström nach Kopenhagen, noch Litwinow nach Schweden, dennoch finden sie Wege für ihre enge Zusammenarbeit. 4

Die ersten Erkundungs- und Solidaritätsreisen der schwedischen Linken mit allen ihren technischen Schwierigkeiten werden im revolutionären, aber hungernden Petrograd begeistert aufgenommen - die Isolierung wird durchbrochen. Das Sekretariat versucht, alle russischen Wünsche zu erfüllen: Informationen in beiden Richtungen, Kommunikation mit der Vertreterin der USA, Zeitungen nach Petrograd, Publikation der russischen Materialien, ihrer offiziellen Erklärungen, Vermittlung der Informationen an die Sympathisanten in Westeuropa, Organisation des ersten Warenaustauschs und der solidarischen Hilfe.5

Der Autor sieht daher in dieser "Zentrale", in der Zimmerwald mit der SSV engstens zusammenwirkt, den Vorläufer von Komintern, IRH und IAH. Die unermüdliche Balabanowa sorgt auch für Lebensmittelpakete an Nadeshda Krupskaja, Franz Mehring, Bertha Thalheimer (ins Zuchthaus Delitzsch), an Hugo Haase, Georg Ledebour, Rosa Luxemburg (ins Gefängnis), Käte Duncker, Eduard Fuchs, Lew Kamenew, Willi Münzenberg, Karl Liebknecht, Henriette Roland Holst und Oskar Cohn.

Die heikle Frage der Finanzen wird eingehend in Kapitel 9 analysiert. Sie ist auch wegen der unerläßlichen engen Zusammenarbeit und der Doppelfunktion von Ström und einigen Genossen (vor allem Z. Höglund, O. Grimlund und später O. Samuelsson) kompliziert. Die erste russische Anweisung von zwei Millionen russischen Rubel wurde von Lenin und Höglund öffentlich verkündet, diente aber offenbar nur Ströms russischen Aufgaben. Später wurden Bargeld und wertvoller Schmuck transferiert für viele Aufgaben.6 Kan betont, daß Ström weiterhin sehr bescheiden lebte, alle Transfers ausführte und alle Belege aufbewahrte, die Kan im Ström-Archiv der Universität Göteborg durchsehen konnte. Ström und seine Genossen hielten sich auf Distanz zu Jacov Hanetzki-Fürstenberg, der großbürgerlich lebte. Später bekamen auch die zahlreichen Zeitungen der SSV Finanzhilfe, die man in Zeiten der Revolution durchaus als solidarische Hilfe ansehen durfte. Die politische Selbständigkeit und die kritische Distanz waren von dieser Hilfe nicht beeinträchtigt. Diese Distanz wird sehr deutlich bei dem Versuch des Revolutionsexports mit Hilfe der Roten Armee im Jahre 1920, der ein Fehlschlag wird. Vor diesem Versuch liegt jedoch der polnische Einmarsch in die Ukraine, der zur Eroberung von Kiew führt.

In dieser frühen Phase üben die schwedischen Genossen und viele andere, vor allem die ITF, aktive Solidarität, die ausführlich geschildert wird. Jedoch die Idee, über die ›politische Brücke‹ die Revolution in Deutschland zu erleichtern, wird von den Linken in Schweden nicht akzeptiert.7 Aber vorübergehend verstärkt sie erneut die Furcht der schwedischen Bourgeoisie vor der russischen Infektion.

Trotz dieser Distanz sieht der Autor in diesem Jahr einen Höhepunkt der revolutionären Begeisterung der Linken, die sich für die Parlamentswahlen im Herbst "vollständig mit dem Bolschewismus identifizieren". (S. 464) "Räteschweden" war die Wahlparole von Höglund und Ström. Die Wahlbroschüre Ströms titelte: "Hoch die Räterepublik Schweden". Die Wahlkampagne sollte "die Diktatur des Proletariats, Sowjetmacht, die Dritte Internationale, die soziale Revolution propagieren". (S. 464) Aber auch die SAP-geführte Regierung unter H. Branting (seit 20. März 1920) war inzwischen zugänglicher geworden: Ihre Minister empfingen heimlich die offiziell nicht anerkannten schwedischen Sowjetvertreter und verhandelten mit ihnen über ein Handelabkommen, während allmählich die Wirtschaftsblockade sich lockerte. Auf dem Parteikongreß im Februar 1920 machte die SAP auch öffentlich eine radikale Wendung: Man stellte "mit Befriedigung fest, daß die Versuche, in Rußland erneut ein reaktionäres Regime zu errichten, mißlungen sind". (S. 520) Bei Lenins Tod sprach Branting anerkennende Worte über den großen Revolutionär.8

Um den verschlungenen Pfad der russisch-schwedischen Beziehungen vollständig nachzuzeichnen, haben wir die finnische Entwicklung übersprungen, die in Kapitel 11 ausführlich dargestellt wird. In dieser wie in einigen anderen Fragen erschloß der Autor weitgehend Neuland. Es ist beachtlich, daß trotz der geographischen und politischen Nähe hier kaum geforscht wurde. Vielleicht ist der schamlose Terror der Weißen einer der Gründe des Beschweigens. Die Beziehung zwischen Finnland und Schweden hat eine lange Geschichte, sie ist jedoch völlig anders für die Bourgeoisie und das Proletariat. Im Großfürstentum Finnland, das bis 1917 zum Zarenreich gehörte, war die Sozialdemokratie recht radikal und einflußreich. Im Landtag hatte sie 1916 die Mehrheit. Sie war wohlhabend, half der schwedischen Bewegung gelegentlich finanziell. Ebenso eng war die Beziehung der Bourgeoisie beider Länder. Der revolutionäre Aufstand im Frühjahr 1918 war anfangs siegreich; aber in der von Gustav Mannerheim geführten Gegenoffensive wurde dieser niedergeschlagen; es folgte blutigster Terror. Die Weißen bekamen viel Hilfe mit freiwilligen Soldaten (etwa 300 Schweden) und Material. Die SAP schwankte, manche, auch Branting und sein SAP-Kollege Erik Palmstierna, dachten an Hilfe für Mannerheim.9 Die Linke organisierte eine umfassende Solidaritätskampagne für die Revolutionäre. Während die SAP sich bald aus dem Hilfskomitee der schwedischen Arbeiterorganisationen zurückzog, arbeiteten die Linken darin weiter und erweiterten den Kreis der Helfer auf Norwegen und Dänemark.10 Eine begrenzte Zusammenarbeit ergab sich mit den schwedischen Behörden bei der Überprüfung und Legalisierung der etwa 600 revolutionären Flüchtlinge. Schließlich wanderten sie nach Sowjetrußland aus.

Zusammenfassend stellt der Autor fest, daß "die ursprünglich pazifistischen Sturmvögel (die jungen Linken) und die den Bürgerkrieg befürwortenden Bolschewiki sich ihrer Meinungsunterschiede bewußt " waren (S. 507). Aber beide waren einig "in der Ablehnung der Burgfriedenspolitik und der Vaterlandsverteidigung, in ihrem Internationalismus und ihrer Aktionsbereitschaft" (S. 507). Gemeinsam suchten sie sich "gegen die Infiltration der kaiserdeutschen Agenten" zu schützen.

Für das schwedische Bürgertum waren die "Russen" Erbfeinde, für die Arbeiterklasse galt brüderliche Solidarität, die erst "mit Stalins Xenophobie und Spionagehysterie" zerbrach.

Beide sozialistische Richtungen zeigten ihre Solidarität mit den kommunistischen Angeklagten der Moskauer Schauprozesse. Die Linkssozialisten schickten im März 1938 eine Delegation zur russischen Botschaft, um die Todeskandidaten zu verteidigen; diese wurde aber nicht empfangen. Der Bruch dauerte von den Schauprozessen bis zu Hitlers Überfall im Juni 1941. "Die sowjetischen Siege stärkten wieder ihren inneren Glauben an den Sozialismus." (Kan, S. 523)

Die schwedische Arbeiterbewegung hatte ihre eigenen Wurzeln. Aber die russischen Revolutionen erschütterten ganz Europa, auch die Selbstsicherheit der Herrschenden in Schweden, und ermutigten die Werktätigen zu "Hungerunruhen, Solidaritätsdemonstrationen und zur Bildung örtlicher Arbeiterräte" (S. 508), führten zu innenpolitischer Demokratisierung (allgemeines Wahlrecht) und zur zweiten sozialdemokratischen Regierung 1920 mit Hjalmar Branting als Ministerpräsident. Furcht der Bourgeoisie, Ermutigung der Arbeiterklasse - auch das gehört zu den Aktiva der russischen Oktoberrevolution, deren gewaltige Außenwirkung heute kaum vorstellbar ist. Aber sie vertiefte zugleich die Spaltung der Arbeiterbewegung, die man durchaus als historisch notwendig verstehen kann. Schwedens Linkssozialisten standen in den kritischen Jahren den Bolschewiki näher als ihre Genossen in jedem anderen Land, und sie hatten in manchen Fragen ähnliche Bedenken und Distanz wie Rosa Luxemburg, der Spartakusbund und seine Erben.11

Alexander Kans Buch beleuchtet eine wichtige Periode in der Geschichte der europäischen Arbeiterbewegung mit Verständnis und zugleich mit Distanz, mit Luxemburgs kritischer Solidarität.12 Einige bisher vernachlässigte oder unbearbeitete Fragen greift das Buch auf. Es faßt ein riesiges Material sehr konzentriert zusammen, ist wissenschaftlich genau und gut dokumentiert. Schade, daß es bisher nur auf Schwedisch zu lesen ist.

Theodor Bergmann - Jg. 1916, Prof. Dr., Agrarwissenschaftler

Aleksander Kan: Hemmabolsjevikerna. Den svenka socialdemokratin, ryska boljeviker och mensjeviker under världskiget och revolutionsaren 1914-1920 (Die schwedischen Bolschewiki. Die schwedische Sozialdemokratie, die russischen Bolschewiki und Menschewiki im Weltkrieg und während der Revolutionsjahre 1914-1920), Stockholm 2005, 551 S.

1 "Die Natur hat Schweden zur großen Brücke nach Rußland gemacht ... die Zeit ist noch nicht reif, Schwedens Rolle als Brückenbogen in der Weltrevolution zu schildern." (Fredrik Ström, in: Das rote Rußland 1917-7/11-1919) (Motto von Kans Buch).

2 "Es ist ein historisches Faktum, daß der Durchbruch der Demokratie in Schweden in hohem Maße eine Frucht der Revolutionen in Europa und natürlich in erster Linie der russischen Revolution war." (Hjalmar Mehr, Sohn des russischen Menschewiken Mehr, 1970. Kan, S. 23).

3 Viele Forscher ignorieren oder kennen Angelica Balabanowas Behauptung nicht, daß die wichtigste der Zimmerwald-Konferenzen die in Stockholm im Sommer 1917 war. Die Bedeutung der Konferenz wurde durch ihren Zeitpunkt unterstrichen: zwischen den zwei russischen Revolutionen, als die Machtübernahme der Arbeiterklasse gerade auf der Tagesordnung stand, und gerade während des Mißlingens der breit angekündigten sozialpatriotischen Friedenskonferenz.

4 "Während der Monate, als die Regierung der Bolschewiki von der Außenwelt völlig isoliert war, war deren einziger europäischer Vertreter nur eine kleine, aber sehr energische, fleißige und vor allem voll zuverlässige Gruppe der Schwedenbolschewiki in Stockholm. Ström war der einzige Ausländer in Sowjetdiensten in Westeuropa - soweit mir bekannt, der eine offizielle Vertretungsvollmacht vom sowjetischen Außenministerium bekam und gleichzeitig nicht von den eigenen Behörden in seiner Amtstätigkeit behindert wurde. Diese Arbeit als Repräsentant war bis zur Etablierung der Sowjetvertretung in Schweden im Februar 1921 die einzigartige Unterstützung der Schwedenbolschewiken für Sowjetrußland." (Kan, S. 376)

5 "Schwedens günstige Lage, geographisch, innenpolitisch und international, Ströms Organisationsgabe und Ehrlichkeit (der Schweden bekannte Tugend) machten ihn zum ausländischen Bankier der Internationale, zum Geld- und Edelsteinlieferanten der sozialistischen Linken im Westen." (Kan, S. 407)

6 "Wir fühlen uns mehr verbunden mit Rußlands Arbeitern und Bauern, mit Rußlands revolutionärem Proletariat, als mit der kapitalistischen, militaristischen Ausbeuterklasse hier. Wir bekennen daher offen, daß wir es als eine große und ehrenvolle Sache ansehen, wenn die Führungstruppen der sozialen Revolution einen klingenden Solidaritätsbeweis für die Aktivität ihrer Genossen in anderen Ländern geben." (Z. Höglund über die sozialistische Finanzhilfe in FDP, 4. Januar 1918; Kan, S. 396.)

7 "Mit und ohne Balabanowa hatten die schwedischen Zimmerwald-Aktivisten eine breite, linkssozialistische, Zimmerwald-Internationale gewünscht mit Sowjetrußland als Leitstern, aber nicht als Modell, mit den Bolschewiki als Helden, aber nicht als Vorbilder für die eigene Taktik." (Kan, S. 338).

8 Den Tiefpunkt erreichte rechtssozialdemokratischer Antikommunismus nach dem Attentat der Sozialrevolutionärin Dora Kaplan. Sven Backlund schrieb am 7. September 1918 einen Leitartikel im SAP-Zentralorgan unter dem Titel "Todestreppe": "Wir sind fest überzeugt, daß Lenins Leben nicht zu retten ist. Wenn Dora Kaplans Schuß sein Ende würde, wäre es ein Schicksalsschlag und eine Erlösung für ihn." (Kan, S. 230).

9 Erik Palmstierna, SAP, Marineminister, in seinem Tagebuch: "Der sozialistische Parteivorstand, Arbeiter und Kleinbauern auf der einen Seite, die von der schwedischen Oberklasse geführte (finnische) Ordnungsmacht - die jedoch unsere Sympathien genießt - andererseits." Die "russische Infektion", die "bolschewistische Gefahr", bedrohte laut Branting auch Schweden und sollte auf finnischem Boden gestoppt werden. Palmstierna und Branting standen in dieser Situation in der Finnland-Frage rechts von der eigenen Parteiführung. (Kan, S. 219.)

10 "Die Solidarität (mit den finnischen Revolutionären) wurde durch die finnische materielle Hilfe für die Schweden in Form beträchtlicher Anleihen untermauert. Eine starke Strömung gegen eine schwedische Intervention auf der Seite der Weißen wurde von allen sozialistischen Organisationen in Schweden aufgebaut. Die SSV ergriff die Initiative, die SAP und die Gewerkschaften gaben der Bewegung ein eindrucksvolles Gewicht. C. G. Andrae hat die schwedische Friedens- und Solidaritätsbewegung treffend als eine proletarische Einheitsfront bezeichnet: Die Einheitsfront kam "von unten - eine Einheit, die nicht vorher zwischen den Führungen ausgehandelt worden war." (Kan, S. 475)

11 "Ohne mit den Bolschewiki identisch zu sein, nahm die SSV in der Arbeiterbewegung ihres Landes wie jene in Rußland den gleichen Platz ein. Auch die neue schwedische Partei stritt gegen Burgfrieden, gegen Militarismus und Ministerialismus, gegen nur-parlamentarische Kampfmittel, Teilreformen und Kompromisse und für die außerparlamentarische politische Massenaktion, für den Sozialismus als Gegenwartsaufgabe." (Kan, S. 164).

12 "Ebenso wichtig war, daß die Führer der Bolschewiki dem schwedischen Ideal eines Revolutionärs zu entsprechen schienen: Anspruchslosigkeit und Aufopferung. Das scheint auf die schwedischen Linkssozialisten während ihres Aufenthaltes in Sowjetrußland den tiefsten Eindruck gemacht zu haben." (Kan, S. 175).

in: UTOPIE kreativ, H. 196 (Februar 2007), S. 156-160

 

aus dem Inhalt:
Bebel zum Nachdenken August Bebel an Karl Liebknecht: "... vor allen Dingen finanziell von der Partei unabhängig sein"; Essay JÜRGEN MEIER: "Für alle ist irgendwo ein Lächeln..." Dmitri Schostakowitsch zum 100.; Gesellschaft - Analysen & Alternativen MICHAEL R. KRÄTKE: Steuern und Grundrechte: Das Recht auf ein Existenzminimum; KATJA KIPPING: Ist Marx ein Muss für die neue Linke?; ULRICH SCHACHTSCHNEIDER: Soziale Nachhaltigkeit als konkrete Utopie?; PETER STRUTYNSKI: Exportartikel Menschenrechte? Auf das "Wie" kommt es an; Die Linke historisch THEODOR BERGMANN: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung - Außenwirkungen von 1917; WERNER SEPPMANN: Der Marxismus und das Christentum der Bergpredigt; Konferenzen & Berichte LENA ELLENBERGER, FRANK NITZSCHE: Erneuerung des Sozialstaats in Europa - Chance gegen den Neoliberalismus; B>Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften Günter Schmidt, Ulrich Kaufmann: "Ritt über den Bodensee". Studien und Dokumente zum Werk des Jenaer Germanisten Joachim Müller (KAI AGTHE); Gerd Koenen: Der Rußland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900-1945 (GÜNTER WIRTH); Alexander Karmann, Joachim Klose (Hrsg.): Geld regiert die Welt? Wirtschaftliche Reflexionen (ULRICH BUSCH); Die Neue Menschheit. Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Boris Groys und Michael Hagemeister unter Mitarbeit von Anne von der Heiden; Am Nullpunkt. Positionen der russischen Avantgarde. Hrsg. von Boris Groys und Aage Hansen-Löve unter Mitarbeit von Anne von der Heiden (MICHAEL WEGNER); Summaries