Performance, Performance, Performance

Die Macht der Wiederholung und Aneignungsstrategien der Prekären

in (01.08.2006)

Okay, womit beginnen: Vielleicht so...

1. Ideologie performt

Aber warum? Performance, Performanz, Performativität sind Wörter, die leicht miteinander verwebt werden, aber nicht dasselbe bedeuten. Performance als künstlerische Ausdrucksform erscheint da noch einen leichteren Zugang zu bieten, auch wenn, und das ist gut so, Performance Kunst ein nicht klar definierter Raum ist. Performanz oder Performativität meint jedoch die Praxis der Bedeutungsproduktion und diese Praktiken sind die Einsätze zur Subjektivierung, zur Feststellung von Identitäten. Performanz eingesetzt zur Machtbewahrung bzw. -herstellung arbeitet mit Wiederholung, die Prozesse darob werden verschleiert, versteckt... Die blau-schwarz-orangen Regierungen haben in vielen performativen Windungen demonstriert, wie Performanz zur täglichen politischen Praxis gehört. Inszenierungen vom Ortstafel-Verrücken, sich 2005 Gedanken machen, bis zum Sparbuch-Eröffnen sind nur ein paar Praxen aus der letzten Zeit, die Setzungen der letzten 6 Jahre würden wahrscheinlich Bände füllen, aber zur Beruhigung, diese Setzungen sind keine Erfindung von blau-schwarz-orange und es werden noch andere FinanzministerInnen kommen, die meinen, einen guten Tag mit einem sanierten Budget beginnen lassen zu müssen. Ideologie performt, klingt immer noch kompliziert. Fragen wir mal Foucault, der sagt: "die Macht ist nicht eine Institution, ist nicht eine Struktur, ist nicht eine Mächtigkeit bestimmter Mächtiger. Die Macht ist der Name, den man in einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt." Macht an sich muss identifiziert werden und zwar fortlaufend, obwohl seitens der jeweils "Mächtigen" versucht wird, diesen Prozess, diese notwendige Praxis zu verschleiern, um den gewünschten Effekt, nämlich die Bewegung, die Geschichtlichkeit zum Stillstand zu bringen. Gleichzeitig ist aber die Wiederholung dieser Identifikation vonnöten: "In diesem Sinne kann ein Begriff oder eine Äußerung nicht performativ funktionieren, wenn ihre Kraft nicht geschichtlich aufgebaut und zugleich verborgen ist." (Judith Butler)

2. Reden = Handeln

Wenn wir reden, dann handeln wir. Meint zumindest John L. Austin in seiner Sprechakttheorie. Aber Moment mal: Diese Sprechakte haben nur einen Effekt, wenn wir uns in einer macht-sprechenden, oder recht-sprechenden Situation befinden, so Austin weiter. Das wohl beliebteste Beispiel dafür ist das Ritual der Eheschließung: Eine befugte Person (ein/e PriesterIn oder ein/e Standesbeamte/Standesbeamtin) erklärt zwei Menschen (in Österreich immer noch Mann und Frau) zu Eheleuten, wenn sie den Sprechakt "Ja, ich will..." vollzogen haben. Im Englischen sagen sie interessanter Weise "I do..." - Ich tue, also handle mit diesem Sprechakt und der Effekt (die Vermählung) tritt in diesem Moment ein. Nur zur Erinnerung: Österreichische Politik hat aber auch hier Grenzen dieses Effektes gezogen, mit den Ergebnissen, dass bikulturelle Ehen durch die Gewalt des Staates getrennt werden, gemeldet von den StandesbeamtInnen, die eigentlich das Recht auf Eheschließung vollziehen und nicht verhindern sollen.

3. Widerspruch: zum Beispiel "Queer"

Ja aber, gibt es jetzt eine Hintertür raus aus diesen performativen Akten? Oder gar die Möglichkeit, einen Akt des Widerspruches zu setzen? Dazu noch mal einen Schritt zurück zu der Frage, wie es das Schimpfwort "Queer" z. B. in die Ränge akademischer Diskursproduktion geschafft hat?
Das System von männlicher/weiblicher Geschlechtsidentität reproduziert sich durch eine Praxis der Wiederholung von Geschichtlichkeit und der Zitatcharakter dieser performativen Äußerung der Geschlechtlichkeit versetzt die jeweiligen Geschlechter in die "angestammte" Position. Diese Produktion von Geschlecht muss, um unantastbar zu bleiben, im Unbewussten, ja verschleiert bleiben. Im Gegenzug dazu bietet die bewusste Hervorbringung dieser Bezeichnungsakte für Butler eine Strategie des politischen Handels. Ein politisches Handeln, das möglich wird durch die Aneignung von Wiederholungspraxen, eine Fehlaneignung von Subjekten, denen eigentlich keine mächtige Position zugedacht wird. Der Begriff "Queer" ist ein wunderbares Beispiel für eine relativ gelungene Praxis politischen Handelns. Relativ deswegen, weil ebenso wie Ideologie durch Wiederholung seine Mächtigkeit inszenieren muss, darf auch die Intervention in dieses Bezeichnungssystem nicht zeitlich begrenzt werden. Im Gegenteil, werden doch oftmals im Sinne eines Turbokapitalismus diese Aneignungen assimiliert und entpolitisiert. Daher wachsam und aktiv bleiben. Im anglo-amerikanischen Raum wurde "Queer" als ausschließlich verletzend gemeinte Benennung durch Fehlaneignungen entmachtet. Das englische Wort "Queer" war und ist neben Bedeutungen, wie seltsam, sonderbar, eigen, unwohl, ein Schimpfwort für Lesben, Schwule und Transgenders, eine als verletzend gemeinte Anrufung. Wiederum hat das Wort durch seine Geschichtlichkeit und durch seinen zitathaften Charakter eine Macht erlangt, ein Individuum als Subjekt zu konstituieren und zu unterwerfen. Die Aneignung dieses Wortes durch Lesben und Schwule hat jedoch diesen vormals klaren performativen Ausdruck gestört und eine Mehrdeutigkeit eingeführt, die die Macht des Ausdruckes stören und vielleicht eines Tages die verletzende Bedeutung sogar auflöst. Der Begriff "Queer" hat Einzug in das akademische Feld gehalten, längst gibt es Queer Studies und Symposien, Queer Filmfestivals, etc...

4. Die Dinge beim Namen nennen

Ideologie ruft ihre Subjekte an (nicht unbedingt telefonisch, außer es ist die Markt- und Meinungsforschung am Apparat). Louis Althusser hält in seinem Aufsatz Ideologie und ideologische Staatsapparate fest, dass Ideologie Individuen als Subjekte anruft, sie als solche konstituiert. Diese Konstitution ist ebenso ein repetativer Vorgang und benötigt was Althusser "ideologische Wiedererkennungsrituale" nennt. Wie sich der Vorgang der Anrufung von Subjekten durch die Ideologie vorstellen lässt, erklärt Althusser mit einem einfachen Beispiel: "Man kann sich diese Anrufung nach dem Muster der einfachen und alltäglichen Anrufung durch einen Polizisten vorstellen: >He, Sie da!ganz von alleinvollzieht