Nationaler Kommunismus nach Auschwitz - die DDR und die Jüdinnen und Juden. Ein Bilanzierungsversuch

Vielfältig und widersprüchlich zeichnet sich das Verhältnis der DDR zu Jüdinnen und Juden, zum Zionismus und zu Israel.

Bei seinen Verhören durch die Stasi wird der Kommunist Hans Schrecker als "Drecksjude" bezeichnet (Otto 1993, S. 114). Die DDR verweigert jüdischen NS-Opfern die Restitution ihres Eigentums mit der Begründung, man wolle nicht "zionistische Großbesitzer" entschädigen (Timm 1993, S. 69). Anfang der 50er Jahre verlässt ein Großteil der Mitglieder jüdischer Gemeinden die DDR, mehrere Gemeindevorsitzende fliehen aus Angst vor Verfolgung (ebenda). Israel wird in den 60er Jahren von Walter Ulbricht als "gegen die Rechte des arabischen Volkes gerichtete (Â…) Speerspitze" des Imperialismus bezeichnet. (Keßler 1995, S. 150). Im Oktober 1988 erhält der Präsident des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman von Erich Honecker den "Großen Stern der Völkerfreundschaft" in Gold (Meining 2002, S. 466 f.). Im gleichen Jahr erkennt die DDR den virtuellen Staat Palästina an, den die PLO in Algier gegründet hat und empfängt Arafat dreimal mit allen Ehren. 1990 stehen die DDR und Israel, nach über 40 Jahren fast ohne offizielle Kontakte, kurz vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, 1990 bittet die letzte DDR-Volkskammer die Jüdinnen und Juden in aller Welt um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik (Keßler 1995, S. 147).

So vielfältig und widersprüchlich zeichnet sich das Verhältnis der DDR zu Jüdinnen und Juden, zum Zionismus und zu Israel. Mittlerweile ist auch dies ein recht gut ausgeleuchtetes Terrain.1 Das Verhältnis zu den Palästinenserinnen und Palästinenesern und der PLO hingegen macht den deutlich kleineren Teil der Literatur aus.2

Die KPD - antisemitisch und antizionistisch vorbelastet?
Voraussetzung der Positionen zu Juden, Antisemitismus, Zionismus müssen zunächst in der leninistisch-stalinistischen Vorgeschichte, also den Positionen der KPD gesucht werden 3, denn aus deren Führungsriege rekrutierte sich schließlich die spätere DDR-Spitze. Die traditionelle marxistischen Positionierung, also eine gewisse Blindheit für das Problem des Antisemitismus der lediglich als mittelalterliches Relikt betrachtet wird und eine klar assimilationistische und somit antizionistische Vorstellung von der Lösung der "Judenfrage", finden sich auch hier, jedoch mit einigen der spezifisch deutschen Situation geschuldeten Färbungen. Die KPD verurteilte den Antisemitismus häufig in ihren Schriften und vertrat eine antizionistische Position, was für sie beispielsweise die Ausschreitungen in Palästina im Jahre 1929 als antiimperialistischen nationalen Befreiungskampf erscheinen ließ.4 Die Forschung zeigt jedoch auch, dass die KPD in puncto Antisemitismus mehr als nur unsensibel war. Auch sie hoffte, wie schon Generationen von Marxisten vor ihr, auf das revolutionäre Potenzial des antisemitischen und extrem nationalistischen Mobs und kam diesem auch gelegentlich mit Karikaturen von hakennasigen jüdischen Kapitalisten entgegen. Den Hintergrund dafür bildet ihre Vorstellung vom Charakter des Faschismus, derzufolge hinter diesem das Kapital stand. Dies ließ die KPD jedoch auch annehmen, dass der Antisemitismus der Nazis nur vorgeschoben sei und nichtjüdische wie jüdische Kapitalisten ein Interesse an seiner Durchsetzung hätten.5

Besonders in die Kritik gerieten die beiden nationalbolschewistischen Phasen während der Ruhrbesetzung 1923 ("Schlageterkurs") und ab 1930. Die Kommunistinnen und Kommunisten versuchten damals offensiv Rechte für sich zu gewinnen. Berühmt-berüchtigt wurde die Rede der Vorsitzenden Ruth Fischer vor nationalistischen Studierenden in der sie fragt: "Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren? Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Sie sind gegen das Judenkapital und wollen die Börsenjobber niederkämpfen. Recht so. Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie. Aber meine Herren, wie stehen Sie zu den Großkapitalisten, den Stinnes, Klöckner...?"6.

An dieser Stelle tritt nur zu deutlich die fatale Ignoranz der KPD gegenüber dem Antisemitismus zutage. Trotzdem ist Vorsicht geboten, wenn, wie Kistenmacher (2005, o. J.) dies versucht, die KPD zu einem Haufen von Antisemiten gestempelt werden soll. Kistenmacher (2005) argumentiert dabei sehr schwach. Nicht nur macht er der KPD posthum Argumentationsvorschläge. So hätte sie beispielsweise die Zivilisations- und Fortschrittsmission des Zionismus loben können - ein Vorschlag, mit dem die KPD die Einseitigkeiten der Sozialdemokratie unter anderen Vorzeichen wiederholt hätte. Obwohl die angeführten kommunistischen Antisemitismen, die Ignoranz gegenüber den Jüdinnen und Juden und der nationalbolschewistische Kurs schon für sich sprechen, erweckt Kistenmachers Darstellung einen übereindeutigen Eindruck, der durch die Belege aber nicht gedeckt ist. Alles was gegen seine Position der durch und durch antisemitisch-antizionistischen KPD spricht, verniedlicht Kistenmacher, wenn er es auch in der Regel nicht verschweigt. Dazu gehört neben der parteiinternen Kritik an antisemitischen Auswüchsen die Tatsache, dass der inkriminierte Antizionismus in der KPD quantitativ nur eine marginale Rolle gespielt hat und auch, dass sein Hauptmotor nicht antijüdische Vorurteile gewesen sein müssen, sondern eben die universalistische kommunistische Hoffnung auf die Lösung aller Probleme durch die Revolution, die schon immer die marxistische Feindschaft gegenüber dem Zionismus fundierte. Besonders Keßler (1994 a, S. 59 ff.) weist auf die sich jeweils regende innerparteiliche Kritik an diesen Auswüchsen hin und auch darauf, dass die Parteipresse immer wieder gegen Antisemitismus polemisierte. Doch der Zionismus wurde ganz traditionell bekämpft (was seine Gegner heiligte), zur Lösung des Antisemitismus auf Assimilation gesetzt.

Erst Ende der 30er Jahre wird der KPD das ganze Ausmaß des Terrors der Nazis gegen die Juden deutlich. Erst hier erkannten sie, dass der Antisemitismus nicht nur vorgeschoben, sondern tatsächlich wesentlicher Bestandteil der NS-Ideologie und -Praxis war. Doch da war die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung längst zerschlagen, ein Teil ihrer Basis zu den Nazis übergelaufen und die NSDAP saß fest im Sattel. Das chiliastische Vertrauen in die orthodoxe Theorie der kommenden Revolution und die Mission des Proletariats hatten bis zuletzt verhindert, dass sich KPD und SPD verbündeten. Die KPD machte sogar Zugeständnisse an den faschistischen Mob - in der festen Überzeugung, die Nazis würden sehr schnell von der in nächster Zukunft erwarteten Revolution hinweggefegt. Es war jedoch vor allem die traditionelle Blindheit des mittlerweile um den Leninismus und Stalinismus "angereicherten " Marxismus und nicht eine tiefe Judenfeindschaft, die diese Positionen in der KPD bedingten. Festzuhalten bleibt, dass sich in der KPD der Weimarer Republik schon ideologische Grundstrukturen finden lassen, die auch in der Politik der DDR wiederkehrten, wenngleich in dieser zusätzlich noch die Folgen des nationalsozialistischen Judenmordes eine wichtige Rolle spielten.

DDR-Antisemitismus?
Es stehen sich in der Diskussion um das Verhältnis der DDR zu den Jüdinnen und Juden sowie zum Staat Israel letztlich zwei grundlegende Positionen gegenüber, welche streiten, ob es einen genuinen Antisemitismus der SED-Diktatur gab, der ein entscheidendes Moment der DDR und der sie legitimierenden Ideologie darstelle oder eben nicht. Der ersten Ansicht sind beispielsweise - wenn auch mit divergierenden Begründungen - Thomas Haury, Michael Wolffsohn, Lothar Mertens, Ulrike Offenberg und eingeschränkt Peter Maser, im Übrigen vorrangig Autoren aus dem Westen Deutschlands (nur Peter Maser ist ausgewanderter Ex-DDR-Bürger). Die Gegenposition geht von antisemitischen oder antisemitisch gefärbten Auswüchsen in der Geschichte der DDR aus, ohne diese zu einem bestimmenden oder grundlegenden Moment zu erklären und wird vor allem von ostdeutschen Autorinnen und Autoren vertreten, die noch in der DDR sozialisiert wurden (Mario Keßler, Wilfriede Otto). Der Zusammenhang zwischen Herkunft und der Einschätzung dieser Fragen ist bemerkenswert. Letztlich geht es in der Debatte darum, ob und wie die DDR ihrem eigenen Anspruch (oder auch: Gründungs-"Mythos", so beispielsweise Wolffsohn 1995, S. 384, Hartewig 2000, S. 614), nämlich das "bessere Deutschland" zu repräsentieren, wirklich entsprach. Zwischen allen Autoren, die sich intensiver mit dieser Frage befassten, besteht nämlich durchaus Einigkeit darin, dass dem nicht ohne Weiteres so ist, ja, dass es sich insbesondere beim Verhältnis der DDR zu den Jüdinnen und Juden und zum Staat Israel um eines der dunklen Kapitel der DDR-Geschichte handele.

Dabei hatten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gerade viele der zurückkehrenden Jüdinnen und Juden die SBZ/DDR zu ihrer Heimat gewählt, weil sie im sozialistischen Teil Deutschlands die klarere Abkehr von NS-System erwarteten.7 Als problematisch für diese Menschen erwies sich jedoch nicht nur der in der Bevölkerung noch weit verbreitete Antisemitismus 8, der in der SBZ/DDR in der Regel konsequent verfolgt wurde, sondern auch bald die sich selbst als eindeutig antifaschistisch verstehende SED. Herzog (1999) listet fünf schwerwiegende Vorwürfe auf, die typischerweise aufgeführt werden, wenn es um das Versagen des SED-Antifaschismus vor den Jüdinnen und Juden ging; zu diesen nun im Einzelnen.9

1) Verweigerte Restitution
Die SED-Führung weigerte sich entgegen den Bemühungen einzelner Funktionäre und einer kurzfristig in Thüringen praktizierten Sonderregelung (Timm 1997, S. 60) ab Ende der vierziger Jahre strikt, eine Restitution jüdischen "arisierten" Eigentums vorzunehmen. Dies muss einerseits im Zuge der allgemein angestrebten Verstaatlichungskampagnen von Eigentum in der DDR verstanden werden, traf andererseits aber die Jüdinnen und Juden gesondert, und das auch, weil schon wieder stereotype Begründungen mit klarer Nähe zum Antisemitismus Verwendung fanden. Die Ablehnung von Restitution mit der Begründung, dass die "zionistischen Großbesitzer" (vgl. Timm 1993, S. 69) ohnehin enteignet worden wären, ist in mehrfacher Hinsicht fatal. Nicht nur, dass Jüdinnen/Juden und Zionistinnen/Zionisten in eins gesetzt werden, nein, auch das antisemitische Motiv des immer reichen, kapitalistischen Juden wird wieder bedient. Einen der Hintergründe für diese historische Fehlleistung bildet das Verständnis der kommunistischen Bewegung von Antisemitismus und Nationalsozialismus, wie es oben erläutert wurde.

2) "Rassisch Verfolgte" als "Opfer zweiter Klasse"
Gleichzeitig zeichnete die DDR ein sehr spezifisches Bild des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, in dem fast ausschließlich kommunistische Antifaschistinnen und Antifaschisten eine Rolle spielten. Dabei wurde auch deren Rolle als Verfolgte des NS gegenüber der anderer Verfolgter aufgewertet. Kommunistische Antifaschistinnen und Antifaschisten bekamen den Status "Kämpfer gegen den Faschismus" zugewiesen, während so genannte rassisch Verfolgte den zweitklassigen Status von bloßen "Opfern des Faschismus" und "Opfern der Nürnberger Gesetzgebung" erhielten. Ganz eindeutig kamen alle anerkannten Opfergruppen in den Genuss von Vergünstigungen, die sie angesichts ihres Leidensweges gegenüber der Normalbevölkerung besser stellten, doch der Opferstatus der "rassisch Verfolgten" musste von diesen zunächst erkämpft werden und beinhaltete beispielsweise nicht die Ehrenpension der "Kämpfer" (Keßler 1995, S. 37 ff., Timm 1997, Kap. 2). Zudem wurde mit der Auflösung der VVN im Januar 1953 auch die Organisation, die noch am ehesten die Interessen vieler jüdischer NS-Opfer wahrnahm, beseitigt (Timm 1997, S. 123.)

3) (Nicht-)Aufarbeitung des NS und der Shoah
Einen der Hintergründe dieser Ungleichbehandlung mag das Verständnis der SED von der Shoah bilden. Der nationalsozialistische Judenmord wurde in der DDR nie seinem Stellenwert entsprechend gewürdigt. 10 Er wurde natürlich nicht geleugnet oder verschwiegen, aber war nach der herrschenden Auffassung nicht zentral für das Verständnis des NS, dessen imperialistischer Charakter durch die Dimitroffsche Faschismusdefinition vorrangig betont wurde. Expansive Kapitalinteressen wurden also sehr hoch bewertet, ideologische Momente wie der (Vernichtungs-)Antisemitismus jedoch bestenfalls als Beiwerk oder Verschleierungstaktik gesehen. Das im Zuge der Blockkonfrontation sehr schlechte Verhältnis zum Staat Israel wird diese gewisse Ignoranz gegenüber dem Leiden der Jüdinnen und Juden zusätzlich verstärkt haben.

Die DDR glaubte sich zudem auf der Siegerseite der Geschichte, wurden doch in der DDR nach eigener Auffassung mit der Abschaffung des Kapitalismus auch die Ursachen des Faschismus beseitigt. Zudem wurde in der DDR von Beginn an ein übereindeutiges Bild der NS-Nachfolgestaaten gemalt, in dem Westdeutschland als faschistisch und der Osten als antifaschistisch galt (Schwanitz 1993, S. 144, vgl. Lepsius 1988, Hartewig 2000, S. 614). Dass auch die Mehrheit der Ostdeutschen noch wenige Jahre zuvor begeisterte NS-Anhänger gewesen sein müssen, wurde hingegen recht bald verschwiegen. Während in der direkten Nachkriegszeit noch verschiedene kommunistische Politiker die große Schuld der (meisten) Deutschen anerkannten 11, änderte sich dies im Zuge der Stabilisierungsbemühungen der SMAD/SED-Diktatur. Schon Ende der vierziger Jahre wurde der klare antifaschistische Kurs zugunsten eines national-patriotischen aufgeweicht (Keßler 1995, S. 148). In diesem Kontext ist die ab da mögliche Aufnahme von so genannten "nominellen PGs" in die SED und die Gründung der NDPD u. a. als Auffangbecken für ehemalige NSDAP-Mitglieder zu sehen (Groehler 1993, S. 83 f.).12 Die Versuche, auf nationaler Basis Zustimmung zum sozialistischen System zu erzeugen, bedeuteten also auch die notwendige Leugnung der Verstrickung der breiten deutschen Bevölkerungsschichten in den NS. Dies erfolgte, indem die Bevölkerung als verführt und der Nationalsozialismus als Werk einiger weniger Vertreter der Großbourgeoisie dargestellt wurden (vgl. auch Schatzker 1994).

4) Die Jahre 1952/53
Das wohl dunkelste Kapitel der Benachteiligung von Jüdinnen und Juden in der DDR, die sich zu offenem Antisemitismus auswuchs, bilden die Säuberungswellen der frühen 50er Jahre, besonders der Jahre 1952/53.

Den Hintergrund bildet eine neue Terrorwelle im gesamten stalinisierten Ostblock, die erst mit dem Tod Stalins 1953 ihr Ende fand. Antizionismus und Antisemitismus wurden am Beginn der 50er Jahre zu "prägnanten Komponenten Stalinscher Politik" (Timm 1997, S. 111) und sollten helfen, die Unzufriedenheit der Bevölkerungen der Volksdemokratien auf jüdische Kommunistinnen und Kommunisten zu lenken. In den osteuropäischen Ländern fanden dementsprechend Schauprozesse gegen kommunistische Funktionäre statt. Besonders der Prozess gegen Rudolf Slánsky? in der CSSR (1952), in welchem 11 der 14 Angeklagten Juden waren, verbarg seine antisemitische Stoßrichtung nicht. Zionismus wurde in diesem Prozess neben Kosmopolitismus, Trotzkismus und Titoismus zu einem der wichtigsten Anklagepunkte, er galt als "Agentur des amerikanischen Imperialismus" (vgl. Timm 1997, S. 114).

Das ideologische Klima dieser Zeit ist heute nur schwer vorstellbar. Die volksdemokratischen Führungen schürten, was Haury (2002, S. 403) "Agentenhysterie" nannte. Jede Abweichung von der Parteilinie, jeder von Moskau unabhängige Weg (Jugoslawien) wurde als konterrevolutionär in übelster Weise diffamiert. In der DDR wurden alle Parteimitglieder in mehreren Wellen von Parteikontrollkommissionen überprüft, wobei jüdische Herkunft zunächst gesondert vermerkt wurde, was später vielen von ihnen zum Verhängnis wurde. Insbesondere diejenigen, die während des NS in der Westemigration waren, also während der Terrorwellen in den 30er Jahren nicht im Einflussbereich Stalins, galten als verdächtig und sollten weitgehend ihres Einflusses beraubt werden. Sie waren mehrheitlich Juden (Hartewig 2000, S. 2).

Paul Merker, der schon 1950 kaltgestellte prominente (nichtjüdische) Westremigrant und bis dahin hohe Parteifunktionär, sollte die Hauptfigur eines für die DDR geplanten Schauprozesses werden.13 Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, dass er mit der Forderung nach "Entschädigung des den jüdischen Staatsbürgern zugefügten Schadens" "die Verschiebung von deutschem Volksvermögen" betreibe (Keßler 1995a, S. 37). Ihm wurde also gerade auch sein seit der Exilzeit in Mexiko bestehender unermüdlicher Einsatz für die Wiedergutmachung an den Jüdinnen und Juden zum Verhängnis. In der vom ZK der SED 1952 veröffentlichten Broschüre zu den "Lehren aus dem Prozess gegen das Verschwörerzentrum Slánsky?" wird ein eindeutig antisemitisches Bedeutungsgeflecht aufgebaut. Neben Tiraden über die "Agententätigkeit " und die "Hetze" des Zionismus findet sich mehrfach Kritik an "jüdischen Kapitalisten". Im Rahmen der Kampagne, in welcher die Bedeutungsdifferenzen der Konzepte "jüdisch" und "zionistisch" verschwimmen und beide zutiefst negativ konnotiert werden, verlieren viele hohe jüdische Funktionäre ihre Posten, werden die Wohnungen von Jüdinnen und Juden durchsucht, und die Betreffenden langen Verhören unterzogen. Es kommt zu Verhaftungen und einer Fluchtwelle, um sich diesen zu entziehen; mehrere hundert Jüdinnen und Juden verlassen in dieser Zeit die DDR (Offenberg 1998, S. 84-90). Erschütternd lesen sich die Berichte über die Denunziationen, Selbstbezichtigungen, Kotaue und fingierten Verstrickungen der Funktionäre mit "dem Imperialismus ". Erst Stalins Tod beendet diese stark antisemitische Terrorphase, doch ihre Bewertung spaltet noch heute die Gemüter.14

5) Antiisraelismus
Auch die Politik der SED Israel gegenüber sieht sich dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. Dabei folgte die SED 1947/1948, wie zumeist auch später, ganz der Moskauer Linie und äußerte sich positiv über die Gründung Israels, das, mal ganz abgesehen von den noch frischen Bildern der Gaskammern als moralische Rechtfertigung, kurzzeitig nicht so sehr wie die es umgebenden arabischen Staaten als rückständig angesehen wurde. Das Verhältnis der Ostblockstaaten zu Israel kühlte jedoch schnell ab, als sich Israel immer eindeutiger dem Westen zuwendete und die Hoffnung auf seine Integration in das sozialistische Lager aufgegeben werden musste. Gerade für die Zeit nach 1953 wird das Verhältnis der DDR zu Israel als hoch problematisch angesehen. Die DDR weigerte sich bis in die 80er Jahre hinein, ernsthaft mit Israel zu verhandeln oder mit anderen jüdischen Organisationen mehr als nur geringfügige Restitution für jüdische NS-Opfer zu gewähren. Gleichzeitig frönte die DDR einem militanten Antizionismus, der seinen Höhepunkt während des Sechs-Tage- Krieges 1967 und während der israelischen Invasion im Libanon im Jahre 1982 erreichte. Anders als in Polen, wo die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung aus dem Land gedrängt wurde, führte diese Israelfeindschaft jedoch nicht zu einer erneuten Diskriminierung der in der DDR lebenden Jüdinnen und Juden.

Schwanitz (1993) macht eine Entwicklung des SED-offiziellen Bildes auf den Staat Israel aus, die von einem differenzierten linken Bild zu Beginn (bis 1954), über ein "linksextremes" (bis 1961) schließlich zu einem kompletten Trugbild führt. Das differenzierte Bild beispielsweise enthielt noch die Erkenntnis, dass Israel auch eine Folge der Shoah darstellte, was jedoch - abgesehen von den späten vierziger Jahren in der DDR meist komplett ausgeblendet wurde (Timm 1997a).

Die meiste Zeit bestimmte der Ost-West-Konflikt das Bild, sowie die Deutschlandpolitik, also der Versuch der DDR, durch Anbiederung an die arabischen Staaten (Schwanitz 1993, Polkehn 1999) die Hallstein- Doktrin aufzubrechen. Israel wurde dabei zur Speerspitze des Imperialismus und war beliebtes Objekt der Hetze ostdeutscher Medien (Timm 1993, S. 72). Meining (2002, S. 305) bezeichnet die DDR als das israelfeindlichste Land im Ostblock. Dies erweist sich beispielsweise in der tendenziösen Berichterstattung. So wurde das Massaker von Sabra und Shatila, das mit Duldung Israels von christlichen Milizen in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon verübt wurde, im Neuen Deutschland direkt der israelischen Armee unterstellt (Timm 1993). Mit einer an antisemitische Stereotype erinnernden Sprache wurde im ND während des Sechs-Tage-Krieges berichtet, die israelischen Machthaber seien von der "Tollwut der Aggressivität" gepackt (Meining 2002, S. 305). Auch ehemalige Parteigenossen wirkten interessanterweise an dieser Art der Berichterstattung als wichtige Pressefunktionäre mit (ebenda).

Die überbordende Militanz, mit der gerade Israel als besonders feindliches Land betrachtet wurde, ging erst in den 80er Jahren zu Ende, als die DDR bestrebt war, ihre internationalen (Handels-)Beziehungen zu verbessern.

6) Die DDR und die jüdischen Gemeinden
Nicht Gegenstand von Herzogs (1999) Aufzählung neuralgischer Punkte des Verhältnisses der DDR zu den Jüdinnen und Juden, aber durchaus der kritischen Forschung ist die Lage der jüdischen Gemeinden. Anders als in Polen waren die jüdischen Bürger der DDR nach der Terrorwelle 1952/53 keinen Repressionen ausgesetzt, die über das Maß hinaus gingen, das alle DDR-Bürger betraf. Trotzdem gilt auch das Verhältnis der DDR zu ihren jüdischen Bürgern als nicht unproblematisch. Die Kritik bezieht sich auf das vor allem instrumentelle Verhältnis des Staates zu ihnen und den jüdischen Gemeinden. Sie hatten, wie insbesondere Mertens (1997) herausarbeitet, als Feigenblatt für die antizionistische Politik der SED herzuhalten, beispielsweise durch demonstrativ israelfeindliche Erklärungen jüdischer DDR-Bürger.15 Allerdings entstand denen, die sich dieser Strategie entzogen, keinerlei Nachteil, worauf Keßler (1995, S. 151) hinweist. Offenberg (1998) kritisiert, dass die DDR Jüdinnen und Juden nur als religiöse Gruppe anerkannte, nicht jedoch als nationale oder kulturell eigenständige Minderheit und, dass die jüdischen Gemeinden sich dem nicht widersetzten, sondern den offiziellen Kurs meist widerspruchslos mittrugen. Das dahinter stehende Konzept bezeichnet Hartewig (2000, S. 11) als "rote Assimilation". Auf der Habenseite kann die DDR verbuchen, dass die jüdischen Gemeinden nicht unerheblich finanziell unterstützt wurden (Timm 1993).

Das komplizierte Verhältnis der DDR zu Jüdinnen und Juden sowie zum Staat Israel änderte sich noch einmal ab Mitte der 80er Jahre.16 Die Kontakte zu Israel sollen nach Vorstellungen der SED-Führung normalisiert werden. Es kommt zu einem Drei-Stufen-Plan zur Herstellung diplomatischer Beziehungen, vorsichtig wird die Möglichkeit der wirtschaftlichen Kooperation ausgelotet. Die DDR-Führung prüft - dies war der bisherige Hinderungsgrund für Israel, die Beziehungen zur DDR zu normalisieren - die Möglichkeit von Wiedergutmachungszahlungen. Auch auf der symbolischen Ebene kommt es zu Bewegungen. So wird endlich die lange abgelehnte Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem in Angriff genommen. Und auch nach innen wird Jüdisches aufgewertet. Die DDR bemüht sich um die Errichtung eines "Centrum Judaicum" und gestaltet 1988 ein pompöses Gedenken an die Opfer der "Reichspogromnacht", zu dem auch viele israelische und andere jüdische Würdenträger aus aller Welt eingeladen werden.

Den Hintergrund dieser Wandlungen bilden zum Teil Entwicklungen, die für den ganzen Ostblock gelten, der seit Beginn der Perestrojka seine Beziehungen zu Israel überdachte (Timm 1997, S. 293 ff.). Wichtigster Grund ist aber die wirtschaftliche Situation der DDR (vgl. v. a. Meining 2002, S. 468-503). Diese strebte die Meistbegünstigungsklausel für den US-Handel an, scheiterte aber, da die USA dies seit jeher an Wiedergutmachungen für die Opfer der Shoah knüpften, was die DDR bis zuletzt nicht leistete. Ein weiteres Movens mag in dem Wunsch Erich Honeckers gelegen haben, einmal im Weißen Haus in New York empfangen zu werden. Die DDR-Führung glaubte, beide Ziele durch Verbesserung ihrer Beziehungen zu jüdischen Organisationen zu erreichen. Dies zeigt, wie sehr pragmatische Erwägungen durchaus die Potenz besaßen, ideologische Positionen zu modifizieren.17 Entscheidenden Durchbrüchen kam jedoch die politische Wende und damit das Ende der DDR zuvor. Erst unter den Regierungen Hans Modrow und Lothar de Maiziere erkannte die DDR ihre Mitverantwortung für jüdisches Leid als Nachfolgegesellschaft des NS an, erklärte sich zu tatsächlicher Wiedergutmachung bereit und distanzierte sich in einem Volkskammerbeschluss von dem jahrelang praktizierten Antizionismus (Timm 1997, S. 333-359).

Die DDR und Palästina
Wie schon erwähnt, spielt in der Forschung die Beziehung der DDR und der SED zu den Palästinenserinnen und Palästinensern und ihren Organisationen nur eine untergeordnete Rolle, bzw. interessiert nur als wichtiger Kontext der Beziehungen der DDR zu Israel 18 (Polkehn 1999, S. 32), eigenständige Untersuchungen fehlen.

Polkehn (1999) weist in seinem Versuch eines Überblicks, in den neben den erwähnten auf Israel bezogenen Studien auch eigene Erfahrungen und ein begrenztes Quellenstudium eingingen, drei grundlegende Prämissen der DDR-Außenpolitik in dieser Hinsicht aus. Erstens, folgte die DDR fast immer der Moskauer Linie. Zweitens war ihre Außenpolitik stets Mittel der Auseinandersetzung mit dem anderen deutschen Staat, was bis in die 70er Jahre hinein vor allem der Kampf gegen die Hallstein-Doktrin war. Und drittens verstand sie sich als antifaschistisch und internationalistisch, was Polkehn auch ernst nimmt und nicht wie andere als Gründungsmythos abtut.

Die DDR sah die Palästinafrage lange Zeit nur als Flüchtlingsproblem, ihre Nahostpolitik war vor allem auf die eigene Anerkennung ausgerichtet. Die DDR-Medien verhielten sich, so Polkehn (ebenda, S. 33), auch in der Zeit der gröbsten Hetze gegen Israel weniger pro-palästinensisch als eben vielmehr aggressiv anti-israelisch. Doch es kommt noch in den 60er Jahren zu ersten vorsichtigen Kontakten zur PLO. Richtige Beziehungen bilden sich in der Zeit zwischen 1970 und 1973 heraus, die PLO akkreditiert 1970 einen Vertreter in Ostberlin und Arafat besucht 1971 zum ersten Mal die DDR.

Im Verhältnis zu den Palästinenserinnen und Palästinensern förderte die DDR immer die "realistischen Standpunkte"; sie versucht sogar mäßigend gegen allzu nationalistische, terroristische und antiisraelische Standpunkte vorzugehen. "Nationalistische Konzeptionen der palästinensischen Widerstandsorganisationen, die eine Liquidierung des Staates Israel beinhalten, werden nicht unterstützt", so der Maßnahmeplan des Politbüros (Timm 1997, S. 277), die Anschläge auf die israelische Nationalmannschaft von München werden klar verurteilt. Im Zuge der Intensivierung der Beziehungen (1973 werden sie offiziell) kommt es aber auch zur Zusammenarbeit im "nichtzivilen Bereich", die jedoch gegenüber der humanitären Unterstützung nur einen kleinen Teil ausmacht (Timm 1997, S. 545). Die DDR gehört zudem zu den Ländern, die 1988 den Staat Palästina anerkennen und die PLO kann 1989 sogar eine offizielle Botschaft in Ostberlin eröffnen. Es gibt hervorragende Beziehungen zwischen PLO-Chef Arafat und dem DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker. Die Versuche der DDR in den 80er Jahren, sich Israel und den amerikanischen jüdischen Organisationen anzunähern, führen jedoch nicht zu einer Verschlechterung des Verhältnisses zur PLO. Noch im Oktober 1989 erhält Yassir Arafat den großen Stern der Völkerfreundschaft, wie knapp ein Jahr zuvor der Präsident des jüdischen Weltkongresses E. Bronfman.

Sozialismus, Jüdinnen, Juden - ein Verhängnis?
Es ist bezeichnend, dass die Diskussion um DDR und Jüdinnen/ Juden, Zionismus Antisemitismus und Antizionismus dominiert wird von dem besonders dunklen Kapitel der frühen 50er Jahre. Auch wenn sich der SED-Staat später deutlich anders zeigte und eine spezifische Repression gegen Juden der Vergangenheit angehörte, führt jedoch diese Zeit vor Augen, was also auch im Sozialismus möglich ist bzw. war. Doch wie ist dieser Ausbruch von Antisemitismus zu verstehen? Und worin gründet die besondere kommunistische Israelfeindschaft?

Angelika Timm bezeichnet den Antisemitismus aus der SED als "strategischen Antisemitismus" (Timm 1997, S. 125); Keßler (1995, S. 86) spricht vom "Zweckantisemitismus Stalins". Sie betonen seine Rolle innerhalb der parteiinternen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf sich die aus Moskau zurückgekehrte Ulbricht-Gruppe gegen innerparteiliche Konkurrenten insbesondere der Westemigration durchsetzte und sich dazu u. a. des Antisemitismus bediente. Für diese Sicht spricht, dass auf dem Höhepunkt der Säuberungen 1953 gleichzeitig auch mehrere Urteile wegen antisemitischer Äußerungen ergingen und dass die meisten Jüdinnen und Juden, die nichts mit der Partei- oder Staatsführung zu tun hatten, wohl auch keinen Repressionen ausgesetzt waren (Timm 1997, S. 125). Ohnehin basierte die herrschaftssichernde stalinistische Terrorwelle auf verschiedenartigen Verschwörungstheorien und Repression gegen unterschiedliche Gruppen. In diesem Sinne sieht denn auch Otto (1993) den Antisemitismus vorrangig als SU-Import. Diese Sicht ist sicher nicht ganz falsch, greift aber doch zu kurz.

Eine interessante Interpretation, die ein tieferes Verständnis des linken Antisemitismus und zeitweise weltbildhaften Antizionismus ermöglicht, legte der Soziologe Thomas Haury mit seiner 2002 erschienenen Dissertation vor. Haury zeigt, dass das Weltbild des Marxismus- Leninismus - welches keinesfalls mit dem Marxismus oder allen Spielarten des Marxismus gleichzusetzen ist, sondern die herrschende erstarrte Doktrin der staatssozialistischen Länder bezeichnet (vgl. Elbe o. J.) - strukturelle (nicht inhaltliche) Gemeinsamkeiten mit dem antisemitischen Weltbild aufweist.

Der moderne Antisemitismus, so Haury (2002, S. 105 ff.), sei eine Semantik, die sich unabhängig vom konkreten Inhalt durch drei Strukturmerkmale auszeichne: Personifizierung, Manichäismus und Konstruktion identitärer Kollektive (vgl. Holz 2005, S. 12 f., 23 ff.). Juden gelten dem Antisemitismus als Personifizierung der modernen Gesellschaft, insbesondere ihrer ungeliebten und unverstandenen Seiten. Manichäisch trennt der Antisemitismus zudem zwischen "den Juden" einerseits, die für alles Böse verantwortlich zeichnen und dem als gut konstruierten Gegenstück, beispielsweise dem "Volk". Im Gegensatz zum Rassismus wird das jüdische "Andere" nicht als unterlegenes (letztlich abgespaltenes eigenes) konstruiert, sondern als überlegen, woraus auch die Vernichtungsperspektive rührt. Wenn der Antisemitismus auch an den jahrhundertealten (christlichen) Antijudaismus anknüpft, so gewinnt er doch seit seiner Herausbildung als moderner Antisemitismus im 19. Jahrhundert noch ein entscheidendes Strukturmoment in seiner Funktion bei der Schaffung als homogen imaginierter nationaler Kollektive. Gerade im Fall der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert ist der von Beginn an virulente Antisemitismus (neben der besonderen "Erb-Feindschaft" zu Frankreich) offensichtlich, worauf Haury mit Nachdruck hinweist. Die Juden stellen quasi das "ideale" Gegenbild für den Nationalismus und Patriotismus dar, da sie nicht nur ein Feindbild im Innern abgeben können, sondern durch die Spezifik der jüdischen Existenz quasi als Gegenprinzip zur Nation an sich fungieren.

Wie Haury zeigt, bestehen schon im Leninschen Weltbild diese Strukturelemente, auch wenn dieser sich eindeutig nie antisemitisch äußert, sondern ein klarer Gegner des Antisemitismus ist. Aber er ist, besonders nach 1917, also im Bürgerkrieg, grenzenlos in seinem manichäischen Hass gegen die Feinde des Kommunismus, ja sogar nur Abweichler von seiner Position, die er immer hart bekämpft - und das alles auf Basis seiner orthodoxen Theorie mit universellem Geltungsanspruch. In der DDR-Ideologie der 50er Jahre spitzt sich dies noch einmal zu. Die zwei als in unüberwindlichem Gegensatz zueinander stehend konstruierten Lager sind der "Imperialismus" auf der einen Seite und die "friedlichen Völker" auf der anderen. Auf die deutsche Situation heruntergebrochen standen sich die sozialistische DDR und die "faschistische BRD" gegenüber. In diesem Bild war, besonders in der heißen Phase des Kalten Krieges Anfang der 50er Jahre, keinerlei Platz für Zwischentöne (Strukturtyp 1: Manichäismus).19

Auch die Personalisierung (Strukturtyp 2) der gesellschaftlichen Verhältnisse fand Anfang der 50er Jahre in der Anti-Kosmopolitismus- Kampagne ihren Höhepunkt, sowohl in der Deutung des NS als Werk einiger Vertreter der Finanzoligarchie als auch der Darstellung des neuen Feindes als "Clique" von "Wallstreet-Kapitalisten", in der Rede von der "okkulten Herrschaft" der "Dollarkönige" (Zitate aus Haury 2002, S. 351). Zugleich wurde in der Terrorwelle ein innerer Feind konstruiert, vertreten durch die "Agenten", "Saboteure", "Parasiten" und "Volksfeinde".20 Dazu trat nun ab Ende der vierziger Jahre ein "extremer Nationalismus" (Strukturtyp 3: Konstruktion identitärer Kollektive, vgl. Haury 2004), der zum Teil auf der kommunistischen Ideologie basierte, die ihren Antinationalismus ohnehin lange abgelegt hatte, und zum Teil auf der strategischen Herausforderung der Legitimation der SED-Herrschaft, da mit ihren sozialistischen Programmpunkten alleine nicht die erhoffte Zustimmung zu erzielen war.

"Haurys Arbeit legt nahe, dass die Schaltstelle einer dem Antisemitismus affinen Strukturerweiterung des Marxismus-Leninismus dort liegt, wo realpolitisch die ›Nation‹ zum Problem, bzw. der Kommunismus zur Staatsideologie wird." (Maubach 2003) und damit seinen Universalismus - verstanden als Bewegung für ein gutes Leben für alle Menschen - zugunsten eines nationalen, herrschaftsstabilisierenden Partikularismus aufgibt. Ganz klar widerspricht der Antisemitismus dem Inhalt linker Weltbilder, auch dem der SED, und doch wurde er in dieser Situation manifest, wo sich ein manichäisch-verschwörungstheoretischer ML-Abklatsch des Marxismus mit der Notwendigkeit der nationalen Legitimierung und Integration konfrontiert sah. Keineswegs ist dies jedoch als deterministische Beziehung misszuverstehen, daher Maubachs Wortwahl ("Affinität"). Bewusst und unbewusst an den weitverbreiteten Bevölkerungsantisemitismus anzuschließen, war zunächst nur eine Potenz, die sich in der Konfliktsituation manifestierte. Zu der strukturellen Anschlussfähigkeit kommt als konkrete inhaltliche Voraussetzung noch das Erbe der bisherigen "Kommunistischen Judenpolitik ": die traditionelle Ignoranz gegenüber dem Antisemitismus und der ideologisch begründete Antizionismus. Das Phänomen des sekundären Antisemitismus, des Antisemitismus nach und wegen Auschwitz, hat zusätzlich als Katalysator fungiert, da die Verbrechen der NS-Volksgemeinschaft die Vorstellung einer deutschen Nation nachhaltig desavouiert hatten, weswegen die DDR im Akt der nationalen Neukonstituierung also auch kein Interesse an einer kritischen Aufarbeitung des eigenen Versagens bzw. der eigenen Verbrechen haben konnte. Dies zeigt sich insbesondere in der Haltung gegenüber den jüdischen NS-Opfern und in der Entschädigungsfrage.

Zudem ist noch einmal zu betonen, dass es sich bei diesem stellenweise auftretenden Antisemitismus wohl meist nicht um subjektiv empfundene, bewusste Abneigung gegen Jüdinnen und Juden ging oder den Glauben an eine jüdische Weltverschwörung, sondern eben um die potenziell zu einer so gearteten Aktualisierung drängenden strukturellen Anschlusspunkte, die einen linken Antisemitismus zum Ausbruch bringen können und das Verhältnis von Sozialismus und Kommunismus zu Jüdinnen und Juden so kompliziert machen. Es war der mit fast messianischem Eifer verfochtene Glaube an die Revolution, ihre alle nationalen, religiösen, aber auch alle Klassenpartikularismen aufhebende Wirkung, die auf Basis der den Jüdinnen und Juden zugeschriebenen Sonderrolle und der damit verbundenen Vorurteile, den kommunistischen Antizionimus bedingte, der sich zum manifesten Antisemitismus auswachsen konnte.

Ein analytisches Kernproblem ist dabei der linke Universalismus, bzw. das Aufgeben desselben. Die sozialdemokratische Abwendung vom marxistischen Klassenkampf-Universalismus hin zu nationaler Politik am Beginn des 20. Jahrhunderts führte zu einer Offenheit gegenüber einem kolonialistisch begründetenen Prozionismus, der wiederum antiarabische Elemente enthielt. Die kommunistische Abwendung von Klassenkampf-Universalismus während seiner jeweiligen nationalen Implementierung führte zu vorübergehendem manifesten Antisemitismus. Doch auch damit ist das Problem noch nicht ausreichend geklärt. Denn die Darstellung des blind spot Antisemitismus der marxistischen Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung auch in ihren nicht antisemitischen Phasen zeigt, dass auch die spezifischen Füllung des Universalismusbegriffs zentral ist. Der marxistische und klar internationalistische Sozialismus war zwar nicht antijüdisch, aber auch eben schon blind. Hier zeigt sich, dass sein um Klassenkampf zentriertes Weltbild nur vorgab, auch die Jüdinnen und Juden sowie ihre partikulare Verfolgung mit zu erfassen (deutlich im Glauben, dass der Antisemitismus ein verschwindendes Relikt darstelle und der Zionismus, der schließlich auch vielen Jüdinnen und Juden das Leben rettete, wenn auch auf Kosten der arabischen Bevölkerung Palästinas, nur eine bourgeoise Ablenkung vom Sozialismus bedeute). Auschwitz, aber auch der Stalinismus haben gezeigt, wie sehr diese Annahme fehl schlug. Da dieses Erbe der sozialistisch-kommunistischen Geschichte auch heute noch seine deutlichen Spuren in Teilen der Linken hinterlassen hat, ist weiter zu fragen, welches Universalismus eine linke Politik bedarf, die ein glückliches Leben für alle Menschen, den Kampf gegen Unterdrückung aller Gruppen zum Inhalt haben will.21 Ein Klassenkampfuniversalismus (Simplizismus?) ohne zumindest eine Anreicherung um einen Menschenrechtsuniversalismus hat die notwendigen Voraussetzungen offensichtlich nicht, vielmehr hat er sein Versagen auch bei jüdischem partikularen Leid unter Beweis gestellt.

Noch eine Bemerkung zum Abschluss. Ein großer Teil der das Verhältnis von Sozialismus/Kommunismus und Judentum kritisierenden Literatur wirft dem Kommunismus seinen Assimilationismus vor.22 Die Kritik trifft aber nur, weil tatsächlich Assimilation als Forderung vorrangig an Jüdinnen und Juden getragen wurde und eben nur dem Anspruch nach universales Bestreben nach Auflösung nationaler und religiöser Partikularismen war, die in der Praxis so oft nicht eingelöst wurden. Genau in dieser Ungleichbehandlung liegt das Problem, nicht in der universalistischen, antinational-internationalistischen Idee, die Kapferer (2004, S. 302 ff.) "Erlösungs- oder Auflösungsantisemitismus " nennt, weil sie die Juden nicht um jeden Preis als ›Volk‹ anerkennen und erhalten will.

 

Literatur

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Peter Ullrich - Jg. 1976, Soziologe, Kulturwissenschaftler, Promotion zum Thema "Der Nahostkonflikt und die Linke in Großbritannien und der Bundesrepublik ", Arbeitsgebiete: Rezeption des Nahostkonflikts, soziale Bewegungen, Globalisierungskritik, Diskursanalyse, Überwachung. jüngste Veröffentlichung: Europa. Transnationale Normierung und nationales Beharren, Berlin: Dietz (zus. mit T. Kachel). Zuletzt in UTOPIE kreativ: Wissenschaftlich Arbeiten mit freier Software, Heft 194 (November 2006) Kontakt: ullrich@uni-leipzig.de

1 Es gibt neben unzähligen Aufsätzen mehrere umfangreiche Untersuchungen. Timm (1997) widmet sich vorangig dem Verhältnis der DDR zum Staat Israel, Mertens (1997) und Offenberg (1998) untersuchen die jüdischen Gemeinden und ihre Behandlung durch Partei und Staat; für den Zeitraum bis 1967 tut dies auch Keßler (1995). Hartewig (2000) zeichnet die Biographien jüdischer Kommunisten in der DDR nach.Wolffsohn (1995) und Meining (2002) untersuchen das Verhältnis der DDR zu Jüdinnen und Juden, zu Israel und zu den PalästinenserInnen im Ganzen. Haury (2002) widmet sich dem Zusammenhang von Antisemitismus, Antizionismus und Nationalismus in der DDR-Ideologie. Ausgewählte Aspekte behandeln die Sammelbände Bergmann/ Erb/Lichtblau (1995) und Keßler (1993 a).

2 Die genannten Werke behandeln diese Beziehung vorrangig als einen Faktor und Kontext der Beziehungen DDR-Israel. Eigenständige Untersuchungen zum Thema gibt es nicht, einen Überblick versucht Polkehn (1999).

3 Ausführlich untersuchten das Thema Keßler (1994 a, S. 40-65), Haury (2002, Kap. 5) und Kistenmacher (2005, o. J.).

4 Anders die internationale, besonders die westliche Sozialdemokratie, die in den Auseinandersetzungen wiederum ausschließlich die "Effendis", also das absterbende Feudalsystem, am Werk sah und demzufolge eher die jüdische Seite unterstützte.

5 Siehe dazu vor allem Kistenmacher (2005, o. J.)

6 Auch muss die Authentizität der viel zitierten Quelle hinterfragt werden - es war der sozialdemokratische Vorwärts, der sich bietende Möglichkeiten zurDiffamierung der KPD sicher nicht ausließ.

7 "In den Zeiten des Kalten Krieges schien vielen jüdischen Kommunisten aus Deutschland die DDR der einzige Ort, an dem sie glaubten, leben zu können. Insbesondere Künstler, Schriftsteller und einige Intellektuelle kamen." (Hartewig 2000, S. 616)

8 Beispiele bei Groehler (1993), Otto (1993, S. 114), Timm (1997, S. 99 ff.).

9 An dieser Stelle wird nur die Typologie von Herzog übernommen, die jeweiligen inhaltlichen Füllungen basieren aber auf den verschiedenen angegebenen ausführlicheren Untersuchungen.

10 Ausführlich schildern Groehler (1993) und Mertens (1995) die NS-Aufarbeitung in der DDR.

11 So konstatiert beispielsweise Walter Ulbricht 1945 das Versagen der "deutschen Arbeiterklasse" und des "schaffenden Volkes" (in Keßler 1995, S. 34).

12 Nach Meining (2002) saßen in der damaligen Volkskammer 50 ehemalige PGs und 12 in der Regierung.

13 Ausführlich widmen sich dem Fall Merker Kießling (1993), Keßler (1995, S. 85-98) und Meining (2002, Kap. 2).

14 Die KPD der frühen Bundesrepublik, die sich in allen grundlegenden Fragen an der SED orientierte bzw. von dieser Weisungen bekam (Staritz 1995, S. 213), ist ein interessanter Sonderfall, da sie die antisemitisch- antizionistischen Kampagnen nicht in der Weise mittrug, wie diese in der DDR vonstatten gingen. Auch der Feldzug gegen den "Kosmopolitismus" findet sich in ihren Publikationen so nicht (Staritz 1995).

15 Hier wird wieder deutlich, dass die stets geforderte klare Unterscheidung zwischen Jüdinnen und Juden auf der einen Seite, sowie Israel und dem Zionismus auf der anderen, trotzdem nicht durchgehalten wurde, dass sich eben Jüdinnen und Juden zu Israel äußern sollten.

16 Ausführlich in Timm (1997, Kap. 11), Mertens (1997, bes. Kap. VI, VII, VIII, X und XI), Meining (2002, S. 351-367).

17 Bzw. nach Meining (2002) und Wolffsohn (1995) die in der SED-Führung herrschenden antisemitischen Vorstellungen von der "Macht der Juden".

18 So z. B. in Timm (1997), Wolffsohn (1995), Meining (2002).

19 Dies ist zu unterscheiden von der späteren Phase der angestrebten "friedlichen Koexistenz".

20 Erschreckend ist auch die Nähe zum NS-Vokabular, was bis zum Kampf gegen die "Entartung [sic!] der Tanzmusik" ging (Haury 2002, S. 384).

21 Nicht zufällig ist hier sicher die Parallele zum Versagen der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung beim Thema Frauenrechte.

22 Dies betrifft an erster Stelle Edmund Silberner (1962, 1983), aber auch beispielsweise Louis Rapoport (1992).

in: UTOPIE kreativ, H. 199 (Mai 2007), S. 455-467

 

aus dem Inhalt:
VorSatz; Essay KLAUS KANNAPIN: Â… andere auf das eigene Niveau herunterzuziehen; Gesellschaft - Analysen & Alternativen FRIEDRICH W. SIXEL: Ist es nicht an der Zeit? Überlegungen zum Wissen als Kapital; THOMAS MARXHAUSEN: Marx als Chance; Linke Debatte HEIKO HILKER: Für eine Verbesserung der politischen Informations- und Kommunikationskultur; ILSE SCHIEL, WOLFGANG SCHIEL: Mensch statt Klasse; Israel und Deutschland MARCUS HAWEL: Befindlichkeit im Blick. Versuch, uns und anderen Israel von "außen" zu erklären; WOLFRAM ADOLPHI: Ohne UN-Charta? Anmerkungen zu Marcus Hawels "Befindlichkeit im Blick"; PETER ULLRICH: Nationaler Kommunismus nach Auschwitz - die DDR und die Jüdinnen und Juden. Ein Bilanzierungsversuch; Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften Herbert Gruhl: Unter den Karawanen der Blinden. Schlüsseltexte, Interviews und Reden (1976-1993) (MARKO FERST); Alexander Rüstow: Freiheit und Herrschaft - eine Kritik der Zivilisation, (ULRICH BUSCH); Gabriele Gorzka, Peter W. Schulze (Hg.): Wohin steuert Russland unter Putin. Der autoritäre Weg in die Demokratie (KARL-HEINZ GRÄFE); Wolfgang Frindte: Inszenierter Antisemitismus. Eine Streitschrift (HELMUT METZLER); Thomas Stahel: Wo-Wo-Wonige! Stadt- und wohnpolitische Bewegungen in Zürich nach 1968 (BERND HÜTTNER); Summaries