Chancen globaler Gerechtigkeit?

Das Fragen nach Chancen globaler Gerechtigkeit betrifft insbesondere die Menschenrechtsverletzungen transnationaler Unternehmen.

Das Völkerrecht hätte durchaus das Potential dem wirksam zu begegnen, währenddessen auch jenseits des Völkerrechts entsprechende Durchsetzungsinstrumentarien Anwendung finden könnten. Noch leugnet aber das die Welt regierende Recht eine Mitverantwortung der multinationalen Konzerne für demokratische, soziale und ökologische Mindeststandards. Die Frage ist: Lässt sich das ändern? Eine einfache Antwort darauf wird es im Zeitalter postindustrieller, weltweit automatisierter Produktionsverfahren nicht geben. Die Regulierungsfähigkeit des einzelnen Nationalstaats wird durch die transnational agierenden Unternehmen in Frage gestellt. Institutionen wie WTO, IWF oder Weltbank sind Ausdruck undemokratischer Machtstrukturen, die den staatlichen Handlungsspielraum schwächen. Dass zwischen Industrieländern und transnationalen Unternehmen ein komplexes und gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht, darüber darf ein solcher Nationalstaat-Konzern-Antagonismus nicht hinwegtäuschen. Aber gerade für die Entwicklungsländer ist dieser Antagonismus prägend und kann insbesondere durch eine Weiterentwicklung des Völkerrechts sowie durch eine ernst gemeinte die Durchsetzung von Menschenrechten stärkende Gesetzgebung in den Industriestaaten entschärft werden.

Die Kapitalgesellschaft

1 Die Unternehmensform der Kapitalgesellschaft tauchte Ende des 16. Jahrhunderts auf und ermöglichte erstmals die Trennung von Firmenbesitz und Firmenleitung. Die zunächst wechselhaft beginnende Geschichte der Kapitalgesellschaft ist zunehmend durch mehr und mehr Deregulierung geprägt worden. Die einen Handel mit beschränkten Verlustmöglichkeiten, aber unbegrenzten Gewinnchancen ermöglichende Einführung der beschränkten Haftung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein Beispiel, die Aufweichung des Körperschaftsrechts in den 1890er Jahren in den US-Bundesstaaten ein anderes hierfür. Das Überbordwerfen der Restriktionen zwischen 1898 und 1904 hatte in den USA zur Folge, dass die ehemals 1.800 Kapitalgesellschaften zu 157 konsolidiert wurden. Der Konzernkapitalismus war geboren. Ende des 20. Jahrhunderts lässt sich die enorme wirtschaftliche Macht der transnationalen Unternehmen wie folgt darstellen:2 Der Umsatz der an demselben gemessen mächtigsten Konzerne war im Jahr 2000 18 Mal so hoch wie das jährliche Einkommen der ärmsten 1,2 Milliarden Menschen, die täglich weniger als einen US-Dollar zur Verfügung haben. Im Jahr 2000 bestanden die 100 größten Wirtschaftseinheiten gemessen am Umsatz bzw. Bruttosozialprodukt aus 51 multinationalen Konzernen und aus 49 Nationalstaaten. Im Jahr 1999 waren die einzelnen Umsätze der fünf größten Konzerne größer als die einzelnen Bruttoinlandsprodukte von 182 Nationalstaaten. Der erst durch die Deregulierung ermöglichten Machtzunahme der Kapitalgesellschaft liegen politische Entscheidungen zu Grunde. Der Verselbstständigung der Kapitalgesellschaft kann daher auch durch politische Entscheidungen entgegengewirkt werden. Der unten diskutierte Vorschlag, die Kapitalgesellschaften direkt an die Menschenrechte zu binden, ist Ausdruck dessen.

Folgen für die Menschenrechte

Allein die der juristischen Konstruktion Kapitalgesellschaft zu Grunde liegende Trennung von Kapitalgeber/innen und Geschäftsführung ist nicht geeignet, schon strukturimmanent Menschenrechtsverletzungen zu bedingen. Jedoch erleichtert dieses Auseinanderfallen ohne Zweifel Kostenexternalisierungen, durch die sich der eigene Wohlstand und eigenes ökonomisches Wachstum über das Ergebnis eigener Leistungen und eigener Produktivität hinaus steigern lassen. Unter Kostenexternalisierung ist die Verlagerung sozialer und ökologischer Kosten auf die Allgemeinheit, andere soziale Gruppen, Nationen oder künftige Generationen zu verstehen.3 Während die Manager/innen der Kapitalgesellschaften sich mit dem Hinweis auf die Konkurrenz über die Verantwortung für ihr Handeln mit mehr oder weniger Erfolg selbst hinwegtäuschen können, sind sich die eine möglichst hohe Rendite erwartenden Aktionäre ihrer Mitverantwortung meist gar nicht bewusst. Die transnationalen Unternehmen suchen sich heute auf dem Erdball Standorte mit den niedrigsten Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards, um so viel soziale und ökologische Kosten wie möglich externalisieren zu können. Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen werden dabei in Kauf genommen. Die Zerstörung von indigenen Gemeinden durch die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen, die gesundheitliche Schädigung und diskriminierende Bezahlung von Landarbeiter/innen oder die sexuellen Belästigungen und unsicheren Arbeitsbedingungen von Frauen in der Textilindustrie sind einige wenige Beispiele hierfür.4 Dass multinationale Konzerne freiwillig auf diese Art der Kostenexternalisierung verzichten, ist in einer Wirtschaftsordnung, die auf Privateigentum an Produktionsmitteln und Gewinnstreben des Einzelnen beruht, schwer vorstellbar. Somit bleibt nur die Möglichkeit, alle transnationalen Unternehmen gleichermaßen an die Menschenrechte zu binden.

Transnationale Unternehmen im "alten" Völkerrecht

Das Völkerrecht ist prinzipiell eine koordinative Rechtsordnung, die von den Völkerrechtssubjekten selbst geschaffen wird, also von denen, die durch das Völkerrecht selbst mit Rechten und Pflichten versehen werden. Der Sicht auf transnationale Unternehmen als Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten wird mit Skepsis begegnet, da das Völkerrecht bisher maßgeblich von staatlichen Akteuren geprägt worden ist. Es wird jedoch auch befürchtet, dass das Völkerrecht seinen universellen Geltungsanspruch verlieren könnte, sollten transnationale Unternehmen als neue relevante Akteure des internationalen Systems nicht in das Völkerrecht einbezogen werden.5 Nach dem Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit trägt dennoch eigentlich der Gaststaat des multinationalen Konzerns die völkerrechtliche Verantwortung für dessen menschenrechtsverletzenden Handlungen. In der Rechtswirklichkeit läuft diese Verantwortung jedoch ins Leere. Gerade die Regierungen in den Entwicklungsländern verabscheuen entsprechende Durchsetzungs- und Kontrollmaßnahmen, da gravierende Nachteile im internationalen Standortwettbewerb zu befürchten wären und die Verantwortlichen innerhalb der überaus komplexen Konzernstrukturen kaum ermittelt werden könnten.6 Auch ist es unwahrscheinlich, dass sich die Regierungen in den Heimatstaaten in die Geschäftspraxis ihrer Unternehmen einmischen, würden sie damit doch im schlimmsten Fall eine Verlegung ihres Gründungssitzes ins Ausland und den damit verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen und eventuell noch gezahlten Steuern provozieren. Der Staatenverantwortlichkeitsgrundsatz hilft hier also nicht weiter.

Weiteres Entwicklungspotential

Einen Schritt weiter ging deshalb auch der Unterausschuss zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in seiner Eigenschaft als Unterorgan der UN-Menschenrechtskommission. Dieser empfahl im August 2003 letzterer die Beratung und Annahme der "UN Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations und Other Business Enterprises with Regard to Human Rights"7. Dieser Normenentwurf beinhaltet einen Paradigmenwechsel, denn Initiativen für die soziale Verantwortung von transnationalen Unternehmen sollen nicht länger nur freiwillig sein und nicht mehr nur einzelne Branchenbereiche wie etwa die Rohstoff- oder Textilindustrie umfassen. Eine Arbeitsgruppe des aus 26 unabhängigen Menschenrechtsexpert/innen bestehenden Unterausschusses holte Stellungnahmen und Empfehlungen von Regierungen, transnationalen Unternehmen, NGOs und Gewerkschaften in einem Zeitraum von fast vier Jahren ein; die Normen basieren auf verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen, auf Richtlinien internationaler Organisationen auf freiwilligen Verhaltenskodizes von Unternehmen sowie auf Modellrichtlinien von NGOs und Gewerkschaften; sie sind eine Neuformulierung des bereits Bestehenden, eine Zusammenfassung der Menschenrechte sowie der Regeln des internationalen Arbeits‑, Umwelt-, Antikorruptions- und Verbraucherschutzrechts, das bereits durch die transnationalen Unternehmen angewandt wird oder angewandt werden sollte. Um Klarheit über Umfang und Interpretation der vorgeschlagenen Regeln zu schaffen, stellte der Unterausschuss zudem eine umfassende Kommentierung zur Verfügung.8 Die "UN Norms" sollten als Grundlage für die Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines anderen völkerrechtlich verbindlichen Durchsetzungsinstrumentariums dienen, oder aber Einfluss auf das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht nehmen.9

"Hard Law" in Konkurrenz zum "Soft Law"

Jedoch erklärte insbesondere die Wirtschaftslobby in Gestalt von ICC und IOE sehr bald nach der Empfehlung des Unterausschusses ihre Ablehnung der "UN Human Rights Norms for Business" und übte entsprechenden Druck aus, da sich mit ihnen die Verantwortung für die Menschenrechte grundlegend von den Regierungen auf transnationale Unternehmen verlagere und dies einer Privatisierung des Menschenrechtsschutzes gleichkomme. Im Gegensatz dazu warnten in einer gemeinsamen Erklärung fast 200 NGOs vor einer vorschnellen Entscheidung auf der Basis von unzureichenden oder mangelhaften Informationen und sprachen sich für eine sorgfältige Prüfung aus, nicht ohne zu betonen, dass die Hauptverantwortung weiterhin bei den Staaten bleibe und die "UN Norms" den multinationalen Konzernen nur innerhalb ihres Wirkungs- und Einflussbereiches eine Verantwortung für die Menschenrechte auferlege.10 Die UN-Menschenrechtskommission entschied sich im April 2004 schließlich gegen die Annahme der Normen, um sie einer eingehenden Prüfung unterziehen zu können.11 Im weiteren Verlauf ernannte der UN-Generalsekretär Kofi Annan schließlich im Juli 2005 John G. Ruggie als "Special Representative on Human Rights and Business". Letzterer war einer der maßgeblichen Architekten des Projekts des "UN Global Compact", das nämlich unter Verzicht auf klassische Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen auf der freiwilligen Selbstverpflichtung der beteiligten multinationalen Konzerne basiert, zukünftig bestimmte soziale und ökologische Minimalstandards einzuhalten. Kompensatorisch besteht als indirekte Verhaltenssteuerung für die beteiligten Konzerne die Möglichkeit, Namen und Emblem der UN zu verwenden.12 Und da auf der Unterzeichnerliste eine ganze Reihe von Konzernen steht, die für Verstöße gegen soziale und ökologische Mindeststandards sowie für Korruptionsskandale bekannt sind,13 wird in Anspielung auf die blaue Farbe der UN der "Global Compact" auch oft als "blue washing" bezeichnet.14 In einem Zwischenbericht15 an die 62. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission sprach sich John G. Ruggie im Februar 2006 nun gegen den o. g. Paradigmenwechsel der "UN Norms" aus und will weiterhin ausschließlich auf Konsens und Kooperation zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Regierungen und internationalen Organisationen setzen.16

Scheitert eine völkerrechtliche "Innovation"?

Weitere freiwillige Initiativen erhalten aber nur den Status quo aufrecht. Auch stellen die "UN Norms" entgegen den Behauptungen der Wirtschaftslobby keine Privatisierung des Menschenrechtsschutzes dar. Denn das würde voraussetzen, dass völkerrechtliche Pflichten von Staaten auf nichtstaatliche Akteure übertragen werden. Die "UN Norms" wollen jedoch nichtstaatlichen Akteuren lediglich zusätzliche völkerrechtliche Verpflichtungen auferlegen und eben nicht bestehende, bisher den Staaten vorbehaltende Verpflichtungen auf diese übertragen. Den "UN Norms" redet weiterhin die bereits erwähnte historische Deregulierung der Kapitalgesellschaft das Wort, legt sie doch nahe, dass der rechtlichen Verselbstständigung samt ihrer Folgen ein ausgleichendes Gegengewicht entgegengesetzt werden müsste. Die Zukunft der "UN Human Rights Norms for Business" ist ungewiss. Das Zeitfenster ist schmal. Die Benennung von John G. Ruggie und die jüngsten Veränderungen an der Struktur des Global Compact müssen wohl als Abwehr der "UN Norms" verstanden werden.17 Kommt eine breite öffentliche Diskussion auf nationaler und internationaler Ebene nicht in Gang, sollte der Druck auf den einstigen Architekten des Global Compact nicht höher und die Unterstützung für die "UN Human Rights Norms for Business" nicht größer werden, ist eine Weiterentwicklung des Völkerrechts in diesem Bereich über den jetzigen UN-Menschenrechtsrat leider mehr als fraglich.

Jenseits des VölkerrechtsÂ…

Eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit einer unmittelbaren Mitverantwortung transnationaler Unternehmen für die Menschenrechte ist allerdings auch auf nationalstaatlicher Ebene gegeben. Eine Hilfestellung für den Gesetzgeber bietet die diesbezüglich fortgeschrittene Rechtsprechung in den USA. Dort werden seit Mitte der 1990er Jahre Klagen gegen transnationale Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen auf den so genannten "Alien Tort Claims Act" (ATCA) gestützt, welcher 1789 vom ersten Kongress erlassen wurde und lediglich besagt, dass die Bezirksgerichte in erster Instanz sachlich für zivilrechtliche Ansprüche eines Ausländers aus unerlaubter Handlung zuständig sind, die auf einer Verletzung des Völkerrechts oder eines Vertrages der Vereinigten Staaten beruhen: "(t)he district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States." Der ATCA bietet nach herrschender Meinung der Bundesgerichte der USA eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage wegen der Verletzung von für die USA verbindlichem Völkerrecht. Somit können transnationale Unternehmen auf Grundlage des ATCA nach ständiger Rechtsprechung etwa wegen Sklavenhandel, Sklaverei und Zwangsarbeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch wegen Folter, Vergewaltigungen und außergerichtlichen Hinrichtungen verklagt werden. Weiterhin können transnationale Unternehmen auch wegen Mittäterschaft und Teilnahme an von staatlicher Seite begangenen Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden.18

Der Präzedenzfall "Unocal"

So reichten auch 1996 burmesische Bauern beim District Court für den Central District von Kalifornien Klage gegen den in Kalifornien ansässigen Ölkonzern Unocal ein. Sie machten geltend, Unocal habe von schweren Menschenrechtsverletzungen gewusst und profitiert, die durch burmesische Soldaten im Rahmen der Absicherung eines Pipelineprojekts von Unocal begangen wurden. Im Laufe dieses Verfahrens entschied 1997 der Federal District Court von Los Angeles in einer wegweisenden Entscheidung, dass Klagen wegen der Verletzung von Völkerrecht auf Grundlage des ATCA gegen transnationale Unternehmen grundsätzlich zulässig seien. Daraufhin trugen die Kläger/innen in einem dreijährigen so genannten "discovery"-Verfahren Beweise zusammen, die nach Ansicht des Federal District Court von Los Angeles die Anschuldigungen belegten.19 Demnach wusste Unocal, dass das burmesische Militär, während es Zwangsarbeiten und Zwangsumsiedlungen ganzer Dörfer zu Gunsten des Pipelineprojekts durchsetzte, zahlreiche Gewaltakte verübte. Das Gericht erkannte, dass Unocal wissentlich von der Zwangsarbeit profitierte und dass die Verhaftungen, schweren Körperverletzungen, Tötungen von Gegnern des Projekts und die Vergewaltigungen von Frauen im Zusammenhang mit den Zwangsarbeiten ausführlich durch die Kläger dokumentiert worden seien. Die Klage wurde dennoch aus verschiedenen Gründen abgewiesen, woraufhin der United States Court of Appeals für den Ninth Circuit im September 2002 das Urteil in wichtigen Teilen aufhob und den Fall zur Neuverhandlung zunächst zurückverwies, um sich dann im Februar 2003 doch für eine erneute Durchführung der Berufungsverhandlung zu entscheiden.20 Bemerkenswert ist, dass sich dann das US-Justizministerium im Mai 2003 an das Gericht wandte und sich gegen die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zu den ATCA-Klagen aussprach. So würde die angeblich fehlerhafte Auslegung des Gerichts gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen, da die Verfassung die Außenpolitik klar dem Präsidenten zuweise, und zudem die außenpolitischen Interessen der USA im Kampf gegen den Terrorismus gefährden.21 Schließlich wurde dennoch der Beginn der Geschworenenverhandlung über die Mittäterschaft von Unocal an Mord, Vergewaltigung und Zwangsarbeit vom Superior Court of California für den Juni 2005 festgesetzt. Daraufhin einigten sich die Kläger und Unocal im März 2005 außergerichtlich auf einen historisch bedeutsamen Vergleich, über dessen Bedingungen allerdings - wohl wegen der überaus guten Konditionen - Vertraulichkeit vereinbart wurde.22

Gesetzgebungsinitiative in Deutschland?

Dieser historische Teilerfolg für die Menschenrechte sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der weltweit einzigartige "Alien Tort Claims Act" nur ein sehr schwieriges, sehr kostenintensives und begrenztes Mittel darstellt, um multinationale Konzerne für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Denn bei bisher 36 Klagen erfolgten Klageabweisungen in 20 Fällen und Vergleiche lediglich in 3 Fällen, wobei die weiteren 13 Verfahren noch nicht abgeschlossen sind. Das liegt zum einen an den hohen Anforderungen, die der US Supreme Court (Oberster Gerichtshof der USA) für die Existenz von völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht vorgibt, und zum anderen an dessen Empfehlung an die unteren Gerichte, sich bei der Anwendung von völkerrechtlichen Regelungen in Zurückhaltung zu üben und stattdessen die Entscheidung über neue Formen der Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen dem Gesetzgeber in der großen Mehrheit der Fälle zu überlassen.23 Neben dieser Anomalie im amerikanischen Rechtssystem gab es in den vergangenen Jahren Gesetzgebungsinitiativen in den USA selbst, in Australien und Großbritannien, von denen sich aber bislang keine erfolgreich durchsetzen konnte.24 Nichtsdestotrotz wäre in Deutschland gerade eine solche Gesetzgebungsinitiative etwa nach dem Vorbild des amerikanischen "Alien Tort Claims Act" geeignet, Menschenrechtsverletzungen der in Deutschland ansässigen transnationalen Konzernen zu thematisieren und somit eine der unerträglichsten Folgen des globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems sichtbar zu machen. Derartige Initiativen bieten die Möglichkeit, auf die wirtschaftliche und politische Macht der transnationalen Konzerne hinzuweisen und gleichzeitig eine notwendige Weiterentwicklung im Völkerrecht offensiv einzufordern. 1 Ausführlicher: Bakan, Joel, Das Ende der Konzerne. Die selbstzerstörerische Kraft der Unternehmen, Europa Verlag, 2005. 2 Top 200: The Rise of Corporate Global Power, Institute for Policy Studies, 4. Dezember 2000: http://www.ips‑dc.org/downloads/Top_200.pdf (September 2006). 3 Massarrat, Mohssen, Nachhaltigkeit durch Kosteninternalisierung, 1996: http://www.uni‑muenster.de/PeaCon/wuf/wf-96/9630213m.htm (September 2006). 4 The International Network for Economic, Social & Cultural Rights, Working Group to Strengthen Corporate Accountability for Human Rights: http://www.escr-net.org/EngGeneral/corporate.asp (September 2006). 5 Hobe, Stefan, Völkerrecht im Zeitalter der Globalisierung, AVR 37 (1999), 263 f. 6 Steiner/Alston, International Human Rights in Context, 2. Aufl., 2000, 1349. 7 Draft Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations Â…, E/CN.4/Sub.2/2003/12 (2003): http://www1.umn.edu/humanrts/links/NormsApril2003.html (September 2006). 8 Commentary on the Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations Â…, U.N. Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/38/Rev.2 (2003): http://www1.umn.edu/humanrts/links/commentary-Aug2003.html (September 2006) 9 Vázquez, Carlos M., Human Rights Obligations of Corporations Under International Law, 2004, 1: http://repositories.cdlib.org/berkeley_ilw/fall2004/4/ (September 2006). 10 Statement of Support for the UN Human Rights Norms for Business: http://www.escr‑net.org/EngGeneral/unnorms2.asp (September 2006). 11 Ebd. 12 Nowrot, Karsten, Die UN-Norms on the Responsibility of Transnational Corporations, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 21, September 2003, 22 f.: http://www.wirtschaftsrecht.uni-halle.de/Heft21.pdf (September 2006). 13 EarthRights International, Joint Civil Society Statement on the Global Compact and Corporate Accountability, 23. Juni 2004: http://www.earthrights.org/content/view/89/41/ (September 2006). 14 http://de.wikipedia.org/wiki/UN_Global_Compact (September 2006) 15 Interim report of the Special Representative of the Secretary-General: http://www.business‑humanrights.org/Gettingstarted/UNSpecialRepresentative (September 2006). 16 Ebd., 17, Abschnitt 69. 17 Nowrot, Karsten, The New Governance Structure of the Global Compact, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 47, November 2005, 34: http://www.wirtschaftsrecht.uni-halle.de/Heft47.pdf (September 2006). 18 Hillemanns, Carolin F., Transnationale Unternehmen und Menschenrechte, 2004, 108 f.: http://www.dissertationen.unizh.ch/2006/hillemanns/diss.pdf (September 2006). 19 Ebd., 104. 20 EarthRights International, Doe v. Unocal Case History, 30. Januar 2006: http://www.earthrights.org/content/view/1/25/ (September 2006). 21 Hillemanns, Carolin F., Transnationale Unternehmen, a.a.O., 106. 22 EarthRights International, Doe v. Unocal Case History, 30. Januar 2006: http://www.earthrights.org/content/view/1/25/ (September 2006). 23 Interim report, a.a.O., 16, Abschnitt 62. 24 Egede/Wells, An Annotated Bibliography of the Accountability of Multinational Corporations, WORKING PAPER SERIES No. 12, 21 ff.: http://www.brass.cf.ac.uk/uploads/wpaccountabilitymultinationalsTECW0104.pdf (September 2006).