"Stark und Schnell":

Deutsche Waffen in Birma

Nachdem es in Birma im September 2007 zu großen Demonstrationen gegen die Militärdiktatur gekommen war, hat das Regime die gewaltfreie Revolte niedergeschlagen.

Wahrscheinlich haben die Militärs dabei deutsche Waffen eingesetzt. Bisher gab es dazu kaum Informationen. Nun beleuchtet der Kleinwaffen-Experte Roman Deckert das Thema. Im Rahmen seiner Recherchen hat er u.a. systematisch die einsehbaren Akten des Auswärtigen Amtes durchgearbeitet. (GWR-Red.)

Als kürzlich in Birma - von der Junta in Myanmar ("Stark" & "Schnell") umbenannt - die friedlichen Proteste brutal niedergeschlagen wurden (vgl. GWR 323), sorgte besonders ein Bild für weltweites Entsetzen: wie der japanische Photograph Kenji Nagai von einem Milizionär erschossen wurde.
Das Sturmgewehr, aus dem der Schuss kam, sieht wie ein G3 von Heckler & Koch (H&K) aus, könnte aber auch ein FAL des belgischen Herstellers FN Herstal sein. So oder so gibt es eine deutsche Verbindung: dem Informationsdienst Jane´s zufolge setzt die birmanische Armee noch immer massiv auf die "Braut des deutschen Soldaten", die bis vor wenigen Jahren ihre Standardwaffe Nr. 1 war, und auf MG3-Maschinengewehre von Rheinmetall. Das FAL war nach Angaben des renommierten Experten Edward Ezell einst aus Altbeständen der Bundeswehr eingeführt worden.
Die inneren Konflikte Birmas begannen weit vor der Unabhängigkeit von 1948. Hunderttausende wurden seither getötet, Millionen vertrieben. Alle Kriegsparteien - Regierung, untereinander verfeindete Rebellen und Drogenbarone - setzen Kindersoldaten ein, gemordet wird in erster Linie mit "Kleinwaffen". In den jüngsten Berichten westlicher Medien wurde vor allem China als Waffenlieferant der Militärdiktatur kritisiert. Darüber wird aber vergessen, dass jahrzehntelang die Bundesrepublik Deutschland Birmas wichtigster Rüstungspartner war:
Eine Aufzeichnung der berüchtigten Firma Fritz-Werner, die sich auf Maschinen für die Waffen- und Munitionsherstellung spezialisiert hatte, belegt, dass die folgenreiche Kooperation bereits 1953 begann. Dabei ging es um die Produktion der BA52-Maschinenpistole, später bekannt als "Ne Win-MG". Hinzu kam der Aufbau von drei Fabriken für Infanterie- und Artilleriemunition in Rangun und Prome.
Das Auswärtige Amt (AA) stimmte zu, weil es eine diplomatische Anerkennung der DDR durch das blockfreie Birma befürchtete. Die Hardthöhe verkaufte bereits 1960 die Lizenz zur Herstellung des G3 an Birma, wie Dokumente des AA belegen (bislang ging die Friedensforschung von 1981 aus).
Die G3-Fabrik baute die Fritz-Werner-AG auf, die mittlerweile in Bundesbesitz übergegangen war. Bis die Produktion anlief, bezogen die birmanischen Militärs über Fritz-Werner G3 von der Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall, die sich damals die Fertigung mit H&K teilte. 1961 genehmigte das AA die Lieferung von 10.000 G3 sowie von vier Millionen Schuss durch die Fritz-Werner-Tochter Metallwerk Elisenhütte Nassau (MEN).
Den Diplomaten kamen auch "keine Bedenken", als General Ne Win 1962 die demokratische Regierung stürzte und umgehend Proteste niederschlagen ließ. Rheinmetall durfte weitere 12.000 G3 und 800 MG42-Maschinengewehre liefern, MEN 18 Millionen Schuss.
Dank der BRD wurde das birmanische Heer immer unabhängiger: 1969 erlaubte das AA der Staatsfirma Fritz-Werner, Anlagen zur Produktion von Sprengstoffen und ein Messingwalzwerk auszuführen.
Aber weil es "unbillig" erschien, Thailand zu verweigern, was man Birma gewährte, durfte auch der rivalisierende Nachbarstaat eine H&K-Lizenzproduktion aufbauen.
Das AA genehmigte den Oberndorfern 1971 die Ausfuhr einer Fabrik für den G3-Ableger HK33. Kurz darauf stellte die birmanische Armee bei "U Nu"-Rebellen HK33 sicher, die H&K an Thailand geliefert hatte. Laut Ezell gelangten auch die Karen-Rebellen an HK33.
Weder der eskalierende Guerillakrieg noch die blutige Niederschlagung friedlicher Proteste in Rangun 1974 beeindruckten die Bonner Exportkontrolleure.
1976 stimmten sie dem Antrag von Fritz-Werner zu, die birmanischen Munitionswerke grundlegend zu modernisieren.
Das AA sah "keine Gefährdung unser Belange". Dies änderte sich auch nicht, als die Armee Anfang 1988 die studentische Protestbewegung gewaltsam unterdrückte.
Diktator Ne Win, der sich noch im Mai 1988 wie fast jedes Jahr als Gast von Fritz-Werner in der BRD aufhielt, trat zwar zurück, doch seine Nachfolger ließen im August 1988 Tausende DemonstrantInnen niedermetzeln - mit G3, wie etliche Photos dokumentieren. Ungerührt genehmigten die Bonner Beamten im September 1988 Fritz-Werner die Ausfuhr von Munitionsmaschinen, wie eine Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt.
Seit 1989 haben alle Bundesregierungen behauptet, keine Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Birma mehr zu erteilen. Die bis 2004 vorliegenden Übersichten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zeigen jedoch, dass in fast jedem Jahr mindestens ein Antrag auf Lieferung von Dual-Use-Gütern bewilligt wurde - obwohl seit 1991 ein EU-Waffenembargo gilt! Außerdem fällt auf, dass das Zollkriminalamt 2001 wegen der Lieferung von Anlagen zur Sprengstoffherstellung ermittelte und es zwei Jahre später sieben Verurteilungen wegen des Exports von Munitionsmaschinen gab.
Fritz-Werner - 1990 vom Bund an MAN Ferrostaal verkauft - ist noch immer in Birma aktiv:
mit einer Niederlassung der "Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen" und "Myanmar Fritz Werner Industries Co., Ltd.", einem 1984 gegründeten Joint-Venture mit dem Schwerindustrieministerium, das auch für den Rüstungskomplex zuständig ist. Das US-Außenministerium hat 1995 berichtet, dass Fritz-Werner außerdem Im- und Exporte für die "Myanmar Economic Holdings" durchführte, die wiederum laut AA der Direktion des Beschaffungsamtes im Verteidigungsministerium gehört. Den amtlichen birmanischen Medien ist zu entnehmen, dass Fritz-Werner-Manager regelmäßig von hohen Generälen empfangen wurden, zuletzt der langjährige Geschäftsführer Werner Schoeltzke Ende 2006. Auf eine Anfrage des Verfassers hin hat Kommunikationsdirektor Daniel Reinhardt indes erklärt, dass MAN Ferrostaals Birma-Engagement seit jeher "ausschließlich zivile Aufgaben" betrifft. Unbestreitbare Tatsache bleibt aber, dass das Regime, das als die reinste Militärdiktatur der Welt gilt, nach wie vor nur dank der einst von Fritz-Werner errichteten Rüstungsfabriken derart resistent gegen Embargos ist. (...)
Die Profite aus den früheren Geschäften von Fritz-Werner wie die damaligen Einnahmen aus der G3-Lizenz sollten dazu benutzt werden, den Millionen Opfern zu helfen.

Roman Deckert

Roman Deckert ist Kleinwaffen-Experte im Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Sein Artikel erschien zuerst im DAKS-Kleinwaffen-Newsletter (Informationen des Deutschen Aktionsnetzes Kleinwaffen Stoppen - Ausgabe 11/07). Wir bedanken uns für die Nachdruckerlaubnis.

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 324, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 36. Jahrgang, Dezember 2007, www.graswurzel.net