Streikrecht für LokführerInnen

Rubrik RechtKurz

in (21.05.2008)

Das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) hat mit seiner Eilentscheidung zum Lokführerstreik am 2. November 2007 einen verfassungswidrigen Grundrechtseingriff korrigiert.

Diesen hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Chemnitz als Vorinstanz mit seiner Entscheidung vom 5. Oktober 2007 fabriziert. Nachdem die Lokführergewerkschaft GDL angekündigt hatte, neben dem Personennahverkehr auch den Personenfernverkehr und den Güterverkehr bestreiken zu wollen, hatte die Bahn die Untersagung der Streiks beantragt.

Das ArbG Chemnitz verschaffte der Bahn zunächst einen Teilerfolg, indem es Streiks im Personenfernverkehr und im Güterverkehr vorläufig untersagte. Zur Begründung hieß es, dass der Streik unverhältnismäßig sei, weil er die Gemeinwohlbindung des Streikrechts verletze. Die Gemeinwohlbeeinträchtigung sah das Gericht darin, dass durch den beabsichtigten Streik die "Belange unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit in unerträglicher Weise in Mitleidenschaft gezogen" würden. Unerträgliche Nachteile entstünden nämlich, weil im Fern- und Güterverkehr die KundInnen unmittelbar beeinträchtigt würden und ein Ausweichen auf Konkurrenzunternehmen nicht möglich sei.

Mit dieser Argumentation wären aber Streikverboten in allen Bereichen der Daseinsvorsorge (Verkehr, Strom, Gas, Wasser u.a.) Tür und Tor geöffnet. In diesen Bereichen sind die KundInnen bei streikbedingten Versorgungsengpässen immer unmittelbar betroffen und haben es schwer, kurzfristig auf andere AnbieterInnen auszuweichen. Die PrivatisierungsbefürworterInnen hätten sich ins Fäustchen lachen können: Man privatisiert erst die meisten für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft wichtigen Bereiche mit dem Argument, der Markt würde alles effektiver und effizienter regeln, so dass die staatliche Erfüllung dieser Aufgaben nicht notwendig sei. Anschließend deckelt man aber die mit der Marktteilnahme verbundene Folge des Arbeitskampfrechts der Beschäftigten mit der Begründung, die betreffenden Dienstleistungen seien gesellschaftlich zu wichtig, um ernsthafte Streiks zulassen zu können.

Das LAG aber hat die verfassungsrechtliche Notbremse in diesem Fall zumindest ein bisschen angezogen. Selbst wenn die von der Bahn behaupteten schweren Auswirkungen auf den Bahnverkehr auftreten würden, könne die Bahn durch die dort noch beschäftigten BeamtInnen zumindest eine Grundversorgung aufrecht erhalten. Unter diesen Umständen sei es bis zu einer Unverhältnismäßigkeit des Streiks, die den mit einem Streikverbot verbundenen schweren Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz rechtfertigen könne, noch ein weiter Weg.