"What a way to make a living"

Prekarisierung, Selbstorganisation und Feminismus: Eine Ausstellung der Zürcher Shedhalle.

Der Kunstbetrieb greift gegenwärtig gerne linke Diskurse auf. So war in der jüngeren Vergangenheit international ein unübersehbares Interesse für Feminismus bemerkbar. Insignien emanzipatorischer Kämpfe hängen deshalb auch in großen Häusern mittlerweile ganz selbstverständlich an den Wänden. Sind es die Wände einer musealen Institution, die adressierter Teil der von diesen Kämpfen kritisierten Gesellschaft ist, bereitet das hin und wieder Unbehagen. Sind es hingegen graffitibesprühten Backsteinwände einer ehemals besetzten Fabrik, innerhalb derer Feminismus und Prekarisierung zum Thema gemacht werden, fühlt sich das gleich viel besser an. Zumal die idyllisch am Zürichsee gelegene Shedhalle ihre Verbundenheit mit der von ihr ausgestellten Szene nicht allein durch subkulturelle Architektur und rebellische Vergangenheit unter Beweis stellt. Mit ihrer Projektreihe „Work to do! Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen“ ist die eigene Struktur und Arbeitspraxis vielmehr weiterhin mitgemeint. Ein Anfang Juni an diesem Ort veranstaltetes Symposium bildete den Abschluss dieser bisher dreiteiligen Reihe zum Thema Selbstorganisation. Nach „Treffen mit Initiativen“, einer „Dialogischen Gesprächsreihe“ und „Skype Meetings“ sollten die Auseinandersetzungen zwischen TheoretikerInnen und AktivistInnen aus den unterschiedlichsten Kontexten nun fortgesetzt werden. Unmittelbar angeknüpft wurde dabei an die in der Ausstellung präsentierten Themenkomplexe. Die mit einzelnen Computer-Boxen an ein großes Internetcafé erinnernde Halle zeigte aufgezeichnete, via Skype realisierte Zweier-Gespräche zwischen AkteurInnen aus so verschiedenen Praxis- und Theoriefeldern wie z.B. Kunst- und Politikwissenschaft, Dokumentarfilmarbeit und Menschenrechtsaktivismus in Indien, queere Organisation in Sri Lanka oder alternativer Medien- und Kulturarbeit. Zu sehen war auf den Bildschirmen außerdem ein von Frederikke Hansen zusammen gestelltes Filmprogramm, das wie die Skype-Gespräche um die Aspekte Autonomie und Arbeit kreiste. Und wie diese bemühte es sich dabei um einen dezidiert queerfeministischen und antirassistischen Blick. So porträtierte der zum Auftakt des Symposiums zur Diskussion gestellte  Film „Working on it“ 15 Personen diverser ethnischer und geschlechtlicher Identitäten und ihre Kämpfe, diese Identitäten am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld zu behaupten. 
Auch die Ergebnisse früherer Schwerpunkte der Reihe wurden in die von Katharina Schlieben und Sönke Gau kuratierte Schau integriert: Dokumentiert wurde beispielsweise die Nutzungsgeschichte einer aus gefundenem Baumaterial im öffentlichen Raum errichteten Hütte sowie die Aktion „1 SFR = 1 Stimme“. Die Summe einzelner Ein-Franken-Spenden von Sans-Papiers und Solidarischen wird bei diesem nicht unumstrittenen Projekt der kroatischen Künstlerin Andreja Kuluncic für die Renovierung des Schweizer Bundeshauses gespendet. Die sichtbare Einschreibung an diesem symbolischen Ort soll ParlamentarierInnen an ihre politische Verantwortung für die Papierlosen gemahnen. 
Dass sich die Prekaritätserfahrung einer Migrantin ohne Aufenthaltstitel nur schwer mit der einer Kulturarbeiterin mit EU-Pass vergleichen lässt und sich deshalb auch deren Strategien gegen Prekarisierung unterscheiden müssen, verdeutlichten auch die Beiträge der Symposiums-TeilnehmerInnen. Neben den an.schlägen nahm auch die Frauenhetz und maiz aus Österreich daran teil. Catharine Hoskyns von der Universität Coventry sprach über den Zusammenhang von Geschlecht und Handel und die Potenziale von Fair Trade für eine Antiprekarisierungspolitik. Eine Gruppe Studentinnen aus Genf präsentierte ihren „Open Desktop“, ein kollektives Netzprojekt zu Selbstorganisation in der kulturellen Produktion, das eine partizipative und demokratische Wissenszirkulation zwischen allen Beteiligten ermöglicht. Dementsprechend divergierend waren auch die Positionen. Sie reichten von der Empfehlung, in globale Handelspolitik einzugreifen, bis zum Vorschlag, prekäre Arbeit als politische Arbeit zu affirmieren.
Bei aller Divergenz dieser Standpunkte eint sie jedoch eines: Working 9 to 5, what a way to make a living - was Dolly Parton in einem der in der Ausstellung gezeigten Videos singt, gilt für prekarisierte Arbeit insgesamt längst nicht mehr. Wohl aber eine andere Zeile des Liedes: „It’s enough to drive you crazy if you let it.“

 Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at