Geschichten aus dem EU-Beitrittsland Bulgarien

Ein neues Mitglied der Gemeinschaft und seine Mafia

Und dann war er da, der 1. Januar 2007 – der Tag des offiziellen Beitritts von Bulgarien in die Europäische Union. Zu den Feierlichkeiten anlässlich der Aufnahme Bulgariens in die EU fand in der Silvesternacht in Sofia auf dem Alexander-Battenberg-Platz ein Festkonzert statt, organisiert vom Produzenten der Reality-Show Big Brother. Gleichzeitig präsentierte die bulgarische Regierung in den Räumen des Europäischen Parlaments eine symbolträchtige Ausstellung unter dem Moto „Glanz und Glorie Bulgariens“ - Kunstgegenstände aus der Antike.

Die einzigartigen Kunstwerke waren die Leihgabe des bulgarischen Unternehmers Vassil Bozhkov, der bis Mitte der neunziger Jahre in Sofia sicher kein sehr vermögender Mann war. Damals war er unter den Spitznamen „Der Totenkopf“ bekannt. Ob er, wie von einigen Journalisten behauptet, zu dem kurz vor Weihnachten 2004 in Amsterdam vor einem Juwelierladen erschossenen Konstantin Dimitrov, einem der größten Drogenhändler und Kunstschmuggler Kontakte hatte ist umstritten, es konnte auf jeden Fall nicht bewiesen werden.

Zur Herkunft der Kunstschätze selbst sagte Vassil Bozhkov, er habe sie geerbt und sie befänden sich seit Generationen im Besitz seiner Familie. Ausweislich des Auszuges im Handelsregister vom August 2007 gehörten ihm 51 Prozent der Aktien von „Eurofußball“ einem Firmenkonglomerat, das wiederum zu 98 Prozent dem Boshkov-Konglomerat Nove-Holding gehört. Zur Gründungszeit, Anfang der neunziger Jahre, war es ein unscheinbares Unternehmen. Heute zählt es zu den erfolgreichsten Unternehmensstrukturen in Bulgarien, mit über 350 Firmen in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern.

„Vassil Bozhkov hat sein Business mit Devisenhandel, Glücksspielveranstaltungen und Sportwetten begonnen“, schreibt Betty Ganeva, Chefredakteurin des bulgarischen „Wirtschaftsblatt“. Und sie fügt hinzu: „Seit einigen Jahren werden praktisch alle staatlichen Aufträge für den Bau und für die Instandsetzung von Verkehrsstraßen an Bozhkov beziehungsweise an von ihm kontrollierte Firmen vergeben.“ Es war ein weiter Weg zum Multimillionär. Der studierte Mathematiker unterhielt nach der Wende Wechselstuben. Darüber redet er nicht gern. „Ich habe es wie alle gemacht“, sagt er. „Wir haben das sozialistische System ausgenutzt. Die Waren wurden bestellt, sie wurden hergestellt, bezahlt oder auch nicht.“

Bozhkov baute ein Glücksspiel-Imperium auf, ein lukratives Geschäft, denn im Nachbarland Türkei war das verboten. Er wurde Partner von Ilja Pavlov, einem ehemaligen Geheimdienstler, dem die größte Holding des Landes gehörte. Sein Einfluss reicht weit in die Politik hinein. Mit anderen Geschäftsleuten gründete er den Klub „Wiedergeburt“, der Regierung und Wirtschaft verbinden soll. Journalisten halten das Gremium für eine Art inoffiziellen Wirtschaftsrat. Für seine Sicherheit ist gut gesorgt. Besucher seines Büros werden gecheckt wie im Flughafen. Bei Autofahrten begleiten zwei Wagen mit Bodyguards die Limousine von Bozhkov. Er führt Journalisten gerne durch sein prächtiges Haus, über seinen Flur mit Marmorböden und Statuen in sein Arbeitszimmer. Auf den Tischen stehen römische und griechische Vasen, archäologische Fundstücke. „Sehen Sie sich das an“, sagt Bozhkov und holt ein kleines Goldgefäß mit Löwenkopf aus dem Regal. „Das ist thrakisches Gold aus dem vierten Jahrhundert vor Christus!“ Seine Kunstsammlung ist so groß, dass er bald ein Privatmuseum eröffnen will. „Manche Exponate sind eine Million Euro wert“, sagt er. „Ich kann sie nicht den Wächtern in staatlichen Museen anvertrauen. Die verdienen 80 Euro!“ Soweit die journalistischen potemkinschen Dörfer.

Mir gegenüber sagte ein Staatsanwalt in Sofia: „Bis 1997 hatten nur die Vertreter der ehemaligen kommunistischen Partei Zugang zur Privatwirtschaft. Natürlich konnte man mit Glückspiel, Import von Waren wie Bekleidung oder dem Vertrieb von Videokassetten in den neunziger Jahren reich werden. Aber das ging nur mit dem Schutz der Staatsicherheit und des Innenministeriums.“ Auf meine Nachfrage an Betty Ganeva, die einen scharfen und kritischen Artikel über Bozhkov geschrieben hatte, ob Sie auf Ihren Artikel über Vassil Bozhkov Reaktionen erhalten hätte, antwortete sie mir: „Vassil Bozhkov beteiligt sich zwar an der Kontrolle des bulgarischen Staates, jedoch nicht an der Kontrolle des Wirtschaftsblatt. Ich halte ihn für zu intelligent, als dass er es wagen würde, jemanden, der ihn öffentlich kritisiert, physisch anzugreifen. Als Herausgeberin zahle ich einen hohen Preis für die Pressefreiheit, die ich im Wirtschaftsblatt praktiziere.“

Unzweifelhaft hingegen ist: Vasil Bozhkov hat Einreiseverbot in die USA, aufgrund seiner, in den Augen der US-Behörden, ungeklärten Vermögensverhältnisse. Der US-Botschafter wurde nach den Hintergründen des Einreiseverbots gefragt. „Ich möchte Sachverhalte zu konkreten Person nicht kommentieren. Aber es gibt sehr starke Verbindungen zwischen den Schattengeschäftsleuten und alle wissen wen ich meine. Das größte Problem Bulgarien auf diesem Gebiet liegt in der Politik. Es ist nur ein kleiner Kreis von Personen, denen das Visum verweigert wurde.“

Die Reaktion der Missachtung seines geschäftlichen Erfolges durch den US-Botschafter in Sofia war harsch. „Der soll sich lieber den Parteien zuwenden und sich nicht mit Korruption beschäftigen“, soll er geäußert haben. Außerdem war er mehrmals in den USA und habe jetzt auch keine Lust mehr, dorthin zu fliegen. Anscheinend hat er auch keine Lust mehr sich mit dem Glücksspiel zu beschäftigen. Obwohl auch hier wieder deutlich wird, das sich hinter der bürgerlichen Fassade etwas ganz anderes verbirgt.

In einer seiner seltenen Pressemiteilungen erklärte er gegenüber dem Fernsehsender BTV, dass die neuerlichen Steuervergünstigungen für das Glücksspiel nicht seinetwegen erlassen worden sind. Diese Erklärung folgte der unerwarteten Äußerung des Staatspräsidenten Parvanov, dass er dieses neue Gesetz nicht unterzeichnen würde. Bozhkov erklärt auch, dass er sich so gut wie vollständig aus dem Glückspiel herausgezogen habe. Sein Hauptbetätigungsfeld würden nun infrastrukturelle Projekte sein, die aus europäischen Fondsmitteln finanziert werden. Er habe daher 49 Prozent an „Eurofußball“ der griechischen Kokalis-Firma Interlotto verkauft. Dadurch sei Kokalis jetzt der Hauptspieler auf diesem Markt in Bulgarien. Bozhkov äußerte die Vermutung, dass man wegen dieser Auslandsinvestoren die Steuervergünstigungen einführen würde. Er habe auch davor gewarnt, wird er in den bulgarischen Medien zitiert, wenn es auf diesem Glücksspielgebiet hohe Steuer gäbe, wird es zu einer Kriminalisierung dieser Branche kommen und zu einer Aufteilung des Marktes mit Gewaltanwendung krimineller Gruppen.

Im Januar 2007 wurde der Direktor des Nationalen Sicherheitsdienstes Ivan Tschobanov entlassen. Die offizielle Erklärung aus dem Innenministerium lautete: „Erhöhung der Kriterien für die Sicherheit wegen unserer EU-Mitgliedschaft.“ Auch der Direktor der Gendarmerie wurde vom Amt suspendiert, weil es Hinweise gegen ihn wegen Dienst- und Vorschriftenverletzungen gegeben habe, unter anderem seien Beamte und Technik für die Bewachung der Messe Plovdiv abgestellt worden. Und immer wieder wurden kleine Polizeibeamte, die wegen angeblicher Verkehrsordnungswidrigkeiten Summen zwischen 10 und 50 Leva verlangten, an den Pranger gestellt. Das war toll, weil demonstriert wurde, wie beherzt man nun gegen Korruption vorgehen würde.

Wie nicht nur die Polizei, sondern auch die Justiz in Bulgarien arbeitet, oder besser gesagt ziemlich einseitig agiert, zeigt das Beispiel von Lyudmil Stoykov. Der Unternehmer aus Pernik, einer Industriestadt in de Nähe von Sofia und Geburtsort von Staatspräsident Georgi Parvanov, wurde im Februar 2007 nach dem Schlag gegen einen Betrügerring verhaftet. Es ging um EU-Subventionsbetrug. Verhaftet wurde er zusammen mit seinem Geschäftspartner Mario Nikolov. Ausweislich des offiziellen Handelsregisters verfügte er über Anteile an vierzig verschiedenen Firmen. Er ist Eigentümer des Ferienkomplexes Djuni an der südlichen Schwarzmeerküste, sitzt im Vorstand des Stahlbetriebes Stomana Industry in Pernik, wie auch in den Vorständen einer Reihe von Fußballklubs.

Den Ermittlungsbehörden zufolge soll Stoykov insgesamt 7,5 Millionen Euro durch den Sapard-Betrug gestohlen haben, vor allem durch die Fleischbearbeitungsfirmen Rodopa Meat und Rodopa Gold mit Sitz in Shumen. Eine weitere Firma, die verdächtigt wurde am Betrugsschema beteiligt gewesen zu sein, ist die Eurofrigo, verbunden mit der Ladimex-Holding von Stoykov. Diese Holding besitzt das größte industrielle Kühllager für Zollzwecke auf dem Balkan. Nach Angaben der Zeitung Dnevnik haben zwei Firmen von Stoykov insgesamt 25.000 Euro die Wahlkampagne des Präsidenten Parvanov unterstützt.

Aber wie ist es zu dem Betrugsmanöver gekommen? Eine mit den Ermittlungen vertraute Quelle sagt dazu: „Der Verdächtige war Ljudmil Stojkov, der die Firma „Stomana-Pernik“ besitzt. Es ging um die unrechtmäßige Aneignung von 7 Millionen Euro aus den Fonds der EU (SAPARD. Er hätte sich das Geld nie in die Tasche stecken können, wenn es Kontrollen gegeben hätte und wenn ihm das Landwirtschaftsministerium und der Agrarfonds nicht alle nötigen Unterschriften bereitwillig gegeben hätten. Es ging um Maschinen die nach Deutschland transportiert wurden, nur kosmetisch übersprüht, dann „nach Dokumenten“ über Irland, Schweiz wieder nach Bulgarien zurückgebracht wurden und statt 20.000 Euro dann plötzlich mehr als eine Million kosteten.

Der andere Teilnehmer war ein Mario Nikolov, der einen Monat später stellvertretender Landwirtschaftsminister werden sollte. Beide wurden festgenommen, blieben nur eine Woche in U-Haft, wurden freigelassen und das Verfahren verschwand unter dem Teppich.“ Seine Aussage ist überprüfbar. Die bulgarischen Täter hatten von den Verantwortlichen deutscher und Schweizer Firmen gebrauchte Maschinen zur Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln zu bewusst erheblich überteuerten Preisen erworben. Für die Schein- und Karussellgeschäfte wurden Briefkastenfirmen eingeschaltet. Die Maschinen gelangten von Bulgarien nach Deutschland und wurden anschließend ohne oder mit nur geringer Bearbeitung zu überhöhten Preise an den Firmen der bulgarischen Täter zurückverkauft.

Anfang März 2007 wurde Stoykov jedoch wieder freigelassen, da das Gericht keine Beweise für seine Schuld und die seiner bulgarischen Mittäter finden konnte. Bereits am 18. Juli 2007 war der Rücktritt des Leiters der Abteilung für NSBOP (Nationaler Dienst für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität Vanjo Tanov, der ebenfalls den Vorwurf von Verbindungen des Innenministeriums zur „grauen Wirtschaft“ erhoben hatte, erfolgt. „Meine Meinungsunterschiede mit dem Generalstaatsanwalt resultierten davon, dass er vorhatte, das zu untersuchen, was vor 15 Jahren geschehen ist. Ich dagegen meinte, wir müssen die heutigen Aktivitäten ermitteln. Ich finde, dass wir sehr schwer nachweisen könnten, was vor 15 Jahren geschah. Wir sollten unser Augenmerk auf die heutige moderne Wirtschaftskriminalität richten. Ansonsten könnten wir keine positiven Ergebnisse im Kampf gegen diesen Kreis erwarten. Ich verstehe das schon. Es ist natürlich bequemer über eine weit zurückliegende Zeit zu ermitteln, als die eigene Partei nicht an der Macht war, als heute, wo diese Partei selbst in der Verantwortung steht.“

Schließlich, im Sommer 2007, veröffentlichte die EU den so genannten Fortschrittsbericht über Bulgarien. Was auffällt - er steht im krassen Widerspruch zu den Erkenntnissen westlicher Diplomaten in Sofia sowie den bulgarischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und ist ein Dokument der heimlichen Komplizenschaft von hohen EUPolitikern mit dem weiterhin bestehendem mafiosem Netzwerk in Bulgariens. Daher stellte der ehemalige Botschafter Deutschlands in Sofia und Skopjje, Dr. Klaus Schrameyer, zu Recht fest: „Die Reaktionen auf den - angeblich von „Bulgarienfreunden“ in Brüssel (Justizkommissar Frattini, Kuneva usw.) - geglätteten Bericht waren überwiegend negativ – im Gegensatz zu den bulgarischen Politikern: sie sind glücklich über das Fehlen einer Schutzklausel und die lobenden Worte der Anerkennung ihres „Reformeifers“ . Dabei fragt sich der unabhängige Beobachter, wo denn wirkliche Fortschritte zu verzeichnen sind. So schreibt die Time, die Kommission leiste mit einem „weichen“ Bericht weder Bulgarien noch der EU einen Dienst. Der „Independent“ schreibt, der Bericht zeige die Hilflosigkeit der EU. Auch Staatsminister Gernot Erler sah sich zu einer Warnung genötigt, dass die Anwendung der Schutzklausel weiterhin möglich ist Insgesamt sind die Fortschritte bei der Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität weiterhin unzureichend.

Doch es gibt ja seit einigen Jahren Boris Velchev, den 47jährigen Generalstaatsanwalt. Auch er wurde in Europa als Hoffnungsträger hofiert und das was er verkündete für bare Münze genommen. Ende September 2006 schrieb der Berli ner Tagesspiegel: „Er zeichnet sich durch einen kühlen, realistischen Blick auf die Qualität der Strafverfolgung in seinem Land aus, den er offenbar von der Universität mitgebracht hat. Er hatte eine anschauliche Bilanz parat. Im Kampf gegen die Korruption wurden im vergangenen Jahr 41 Mitarbeiter des Innenministeriums entlassen, zehn Parlamentsabgeordnete verloren ihre Immunität. Verstärkt gehen Bulgariens Strafverfolgungsbehörden auch gegen Geldwäsche vor.“ In einem Bericht des Instituts für Internationale Begegnung und Zusammenarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung vom August 2006 war zu lesen: „So ist es nicht verwunderlich, dass sowohl Europakommissare, als auch Regierungsvertreter sagen, dass Bulgarien die EU-Mitgliedschaft allein Boris Velchev zu verdanken wird. Seine Entschlossenheit und Unabhängigkeit bewies er schon mehrmals.“

Andere, weniger abhängige Experten, kommen Ende 2007, also ein Jahr nach dem EU-Beitritt, seltsamerweise zu einer anderen Wahrnehmung. In einem internen Schreiben einer westlichen Botschaft an das Außenministerium steht: „Obwohl er schon seit anderthalb Jahren im Amt ist, kann er keine wirklichen Erfolge vorweisen. Dafür dient der eloquent englisch sprechende Velchev aber als Aushängeschild, das dem Ausland gerne als neuer Besen verkauft wird.“ Tenor der Regierung, so etwa der Europaministerin Grancharova gegenüber einem Staatsminister am 4. Juli 2007: „Für Verurteilungen brauche man eine solide Beweisgrundlage. Wo greifbare Hinweise vorliegen, werde die „neue“ Leitung der Generalstaatsanwaltschaft entschlossen durchgreifen. „Das tut sie aber bisher nicht“, heißt es in der Stellungnahme der westlichen Botschaft, „wobei dem Betrachter nicht klar wird, ob Velchev ein Teil des Systems ist und absichtlich keine Erfolge produziert, um das Establishment zu schützen, oder ob er tatsächlich vom besten Willen getrieben versucht, die Verhältnisse zu ändern, aber zu machtlos dazu ist. Dann bliebe ihm aber immerhin ein ehrenvoller Rücktritt. Seine Probezeit ist jedenfalls ohne Ergebnisse abgelaufen.“

„Merkt es niemand“, fragt der Dr. Klaus Schrameyer, der ehemalige Botschafter in Sofia, „dass die in Sofia entscheidenden Faktoren auf Zeit spielen? Wenn die drei Jahre nach Artikel 36 des Beitrittsvertrag ungenutzt verstrichen sind (und sich aller Wahrscheinlichkeit kaum etwas wesentliches geändert hat), kann Sofia als unbeschränktes Vollmitglied jede unerwünschte Maßnahme bis zum Jahre 2017 mit seinem Veto konterkarieren. Warum will Brüssel übrigens das Monitoring nur bis 2008 und nicht bis 2010 fortsetzen? Glaubt es wirklich, dass sich in einem Jahr etwas Grundlegendes ändern kann?“ Wenn es richtig ist, was die Zeitung Sega vom 27. Juni. schreibt, dass die bulgarischen und rumänischen Euro-Kommissare sowie der Justizkommissar Franko Frattini sich für eine Milderung der ursprünglichen harscheren Formulierungen eingesetzt haben, so ist zu fragen, wieso Frau Kuneva und Herr Orban als Beteiligte - und damit befangene - mitentscheiden durften. Dasselbe gilt für den ohnehin - durch seine Nähe zu dem ehemaligen Wirtschaftsminister - befangenen Justizkommissar . Immerhin hält sich nachhaltig as Gerücht in einigen diplomatischen Vertretungen, dass bei dem gemeinsamen Skiurlaub pikante Fotos geknipst wurden und wenig später der Fotograf tot aufgefunden wurde. Es würde, träfen die Vermutungen zu, für bulgarische Verhältnisse durchaus etwas Normales gewesen sein. Den mentalen Zustand Sofias nach dem milden Fortschrittsbericht beschreibt der Journalist Terziev in „Sega“ treffend folgendermaßen: „Wir können erleichtert aufatmen. Der deutsche Vorsitz ist zu Ende und es beginnt der portugiesische. Für Bulgarien bedeuten dies das Ende der Arbeit und der Beginn der Ferien.“

Brüssel unterliegt einer Illusion, wenn es glaubt, den Rechtsstaat in Bulgarien allein von innen herbeiführen zu können. So hat Jose Manuel Barroso, der Präsident der Europäischen Gemeinschaft am 13.Juni 2997 der Financial Times erklärt, der Wandel könne nicht von Brüssel kommen, sondern „von den Bürgern, der Wirtschaft und den übrigen Mitgliedern der EU“ . „Ist Barroso nicht bekannt, dass „die Staatsmacht sich vor den Bürgern nicht fürchtet“ ebenso wenig wie vor der Wirtschaft, die „zu einem großen Teil zur Schattenwirtschaft gehört“ und dass die wenigsten anderen EU-Mitglieder „geneigt sind, sich einzumischen“ klagte Klaus Schrameyer, der Ex-Botschafter. „Im Übrigen ist das Übel zu hoch angesiedelt, die Verflechtung zu weitreichend, die Abhängigkeiten durch die „manipulative Kraft der Dossiers“, als dass eine Selbstheilung möglich ist.“ Korruption und Justiz sind bekanntlich in Bulgarien ein inniges Paar. Warum sollte es in Bulgarien auch anders sein als im restlichen Europa?

Jürgen Roth in BIG Business Crime Nr.3 / Juli 2008

Quellen:

Juliette Terzieff, San Francisco Chronicle, 12. September 2004

Wirtschaftsblatt, Sofia, Februar 2007

Brief an den Autor vom 12. April 2007

so die „TIMes“ und der „Independent“ laut www.mediapool vom 28.6.07;

Svetoslav Terziev, Brüssel schießt mit einem Kanönchen“, in: www.segabg.com vom 28.6.07;

„Klaus Jansen ist vom Bericht der EU-Kommission enttäuscht“, in www.segabg.com vom 30.6.07;

Die Bewertungen Brüssels beeinträchtigen das Renomme´ Bulgariens, in www.mediapool. bg vom 4.7.07

Der Tagessiegel, Berlin, 25. September 2006

Monatsbericht August 2006, institut für Internationale Begegnung und Zusammenarbeit, Hanns-Seidel-Stiftung, München ebenso www.mediapool.bg vom 30.6.

Die Zeitungen berichten von einem gemeinsamen Skiurlaub in Bansko. Svetoslav Terziev, Bulgarien erhält portugiesische Ferien , in www.segabg.com. Vom 10.7.07

Svetoslav Terziev, Brüssel schießt mit Kanönchen, in www.segabg.com vom 28.6.07

Ilija Trojanov, Die fingierte Revolution, dtv 2006, S. 238 ff (248). Zitate: „Die Allmacht der Dossiers verhindert den Kampf gegen das organisierte Verbrechen“ (S. 240). „,Die Macht der polizeilichen Institutionen kommt aus den Archiven, die Archive sind die Gewehre, mit denen sie ihre Herrschaft aufrechterhalten“ (S. 246). Viele ehemalige Agenten, die jetzt „businesmen“ sind, vertrauen darauf, daß „die Herkunft ihres Vermögens nie anhand der Dossiers untersucht wird“ (S. 249).