Hinter Gittern

Das Leben im Knast

in (01.05.2009)

„Das Gefängnis? Ein Hotel hinter Gittern, ein Leben in Saus und Braus!" Wer so denkt, kann noch nie in einem deutschen Knast gewesen sein.

Der Strafvollzug, so steht es im Gesetz, soll auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen, (negative Spezialprävention), es geht also auch umsdem Wegsperren. Oberstes Ziel der Gefängnisstrafe ist nach Strafvollzugs- und Grundgesetz aber die Resozialisierung. Das bedeutet, dass die Gefangenen lernen sollen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. (positive Spezialprävention). Ob dieses Ziel durch den streng hierarchischen Aufbau des Gefängnisses und die absolute Kontrolle über die Gefangenen erreicht werden kann, ist nach kriminologischen Studien äußerst fraglich. Viele ehemalige Häftlinge werden nach der Entlassung wieder straffällig, die Rückfallquote kann bis zu 55% betragen.


Weit entfernt von jedem Leben in Freiheit bekommen die Gefangenen die Kontrolle der Institution Gefängnis zu spüren. Der komplett durchgeplante Tagesablauf fördert nicht gerade die Selbstständigkeit der Insass_innen: 5:58 Uhr Aufstehen, 6:00 Uhr Frühstück, 6:45 Uhr Arbeitsbeginn, 11:50 Uhr Mittagessen, 12:35 Uhr Ende der Mittagspause, und so weiter.


Theoretisch soll die Strafe nur in der Freiheitsentziehung liegen, praktisch werden die Gefangenen von ihrem sozialen Umfeld getrennt, der Kontakt zu Familie und Freund_innen wird in der Regel auf eine Stunde Besuchszeit im Monat beschränkt und die Privatsphäre der Gefangenen wird faktisch abgeschafft. Briefe, die ein- und ausgehen, können „aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit und Ordnung" vom Personal mitgelesen werden. Die Gefangenen dürfen nur zu bestimmten Zeiten mit bestimmten Leuten telefonieren, selbst angerufen werden können sie nicht.


Alle zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten müssen 7,5 Stunden am Tag arbeiten - zu einem Lohn von ca. 1,43 Euro in der Stunde. Von dem erarbeiteten Geld stehen den Gefangenen nur drei Siebtel zur freien Verfügung, der Rest wird zwangsweise angespart für die Zeit nach der Entlassung (das so genannte Überbrückungsgeld). Nur die zu lebenslänglichen Strafen Verurteilten können über einen höheren Anteil ihres Lohns verfügen. Außerdem werden die Gefangenen immer öfter für den Unterhalt der Vollzugsanstalt und sogar für Stromkosten von Fernsehgeräten oder DVD-Playern herangezogen: Jedem „unangebrachten Anspruchsdenken" soll so entgegen gewirkt werden. Die Gefangenen, die in der Anstalt arbeiten, sind gerade mal unfall- und arbeitslosenversichert und bekommen die nötige medizinische Versorgung. Für Einzahlungen in die Rentenversicherung wird nicht gesorgt. Wer also im Alter von 60 oder 65 Jahren entlassen wird, hat zwar gearbeitet, aber keinen Rentenanspruch.


Im Knast gehen „Sicherheit und Ordnung" über alles, und selbst die normalsten Gegenstände stellen ein Risiko für die Institution dar: Ein Haartrockner oder eine Leselampe sind potentielle Waffen, ein Kanarienvogel würde die regelmäßige Zellenkontrolle erschweren (da der Futternapf ein potentielles Versteck darstellt), eigene Bettwäsche könnte Drogenverstecke in sich bergen, eine teure Armbanduhr den Schwarzmarkt fördern. Für alle persönlichen Gegenstände außer Fotos müssen daher Anträge gestellt werden, die oft abgelehnt werden.


Es ist sehr gut vorstellbar, wie Menschen durch lange Haftdauern jeder Fähigkeit beraubt werden, ein eigenständiges Leben in Freiheit zu führen. Vielmehr lernen sie im Knast, sich hierarchischen Strukturen zu unterwerfen, Selbstständigkeit aufzugeben und nicht aufzumucken. Ganz wie im Hotel also.

 

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