Die amerikanische Machtstruktur

von G. William Domhoff

Machtstrukturen können nicht leicht verändert werden. Gewöhnlich werden sie von einer kleinen Elite beherrscht, die die Spitzenplätze in einer Kombination der wichtigsten Organisationsnetze einnimmt, wie sie alle größeren Gesellschaften durchdringen - ideologische (vor allem religiöse), ökonomische, militärische und politische Netzwerke (Domhoff 1990; Mann 1986; Mann 1993). Während politische, militärische und ideologische Netzwerke in Europa oft großen Einfluss hatten und zuweilen die kapitalistische Klasse einschränkten oder sogar überwältigten, dominierte in den Vereinigten Staaten aus einer ganzen Reihe von Gründen immer das ökonomische Netzwerk. Zu diesen Gründen gehört, dass das ideologische Netzwerk immer in rivalisierende Glaubensrichtungen zerfiel, das politische Netzwerk (der Staat) bis in die jüngste Zeit klein und dezentralisiert und das militärische Netzwerk bis zum Zweiten Weltkrieg peripher war (Mills 1956). Zur Dominanz des ökonomischen Netzwerks trug bei, dass die weißen Eliten des Südens nicht herausgefordert wurden, da ihre Arbeiter Sklaven waren, die keinen Widerstand leisten oder wählen konnten. Eine reiche Wirtschaftselite konnte somit von Beginn an die neue Nation dominieren, zunächst - im 18. und frühen 19. Jahrhundert - in Gestalt der Händler und Slavenbesitzer des Südens, gefolgt von den Industrie- und Finanzgiganten des Nordens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kurz: schon lange vor Big Government gab es die Big Corporations, wodurch eine große, in sich kohärente und klassenbewusste Unternehmenselite in den Stand versetzt wurde, mithilfe eines Netzwerks von Stiftungen, Think Tanks und Einrichtungen der Politikberatung die großen Veränderungen im amerikanischen Regierungssystem des 20. Jahrhundert zu bewerkstelligen (Domhoff 2009). Machtstruktur bedeutet nicht, dass eine kleine Elite einer Restmasse gegenübersteht. Es handelt sich eher um eine Hackordnung oder Hühnerleiter. Jeder hat seine Nische und hält an ihr fest, weil es immer jemanden darunter gibt, dem es noch ein wenig schlechter geht. So sind Allianzen zwischen den Bewohnern der unteren Stufenleitern nicht leicht. Niemand möchte riskieren, das wenige zu verlieren, was er hat. Aufgrund der Zähigkeit, mit der sich Menschen an ihren Machtpositionen festzuklammern versuchen (und das gilt besonders für die top dogs, die die meisten Ressourcen haben), bedarf es gewöhnlich einer starken Kraft, um Veränderungen herbeizuführen: Umwälzungen wie Kriege, Depressionen oder massive eruptive Bewegungen exkludierter Gruppen (wenn sie denn eine Lücke für Interventionen finden).

MACHTEPOCHEN

Diese Feststellung gilt für die vier großen Machtepochen in den Vereinigten Staaten zwischen 1776 und 2008. Die erste begann mit der delikaten Machtbalance zwischen den Reichen im Norden und den Plantagenbesitzern im Süden, die 1776 nach dem Revolutionskrieg in der US-Verfassung kodifiziert wurde. Es war ein Pakt der Eliten, der ihre Macht über die Handwerker und Bauern bekräftigte, die wegen ihrer Teilnahme am Kampf gegen die Briten zunächst eine erste Öffnung der Gesellschaft erreicht hatten (vgl. Piven 2006). Dieses Arrangement wurde nach 71 Jahren durch die wachsende Konkurrenz zwischen den Segmenten der herrschenden Klasse im Norden und im Süden zerstört. Die durch die Agitation der Abolitionisten noch verschärfte Situation führte zu einem mörderischen Bürgerkrieg, in dem die zuvor aufsteigenden und sehr reichen Südstaatler innerhalb der Machtstruktur in Juniorpartner verwandelt wurden. Dank einer terroristischen Kampagne gegen die neu befreiten Sklaven und dank der Hilfe von Demokraten des Nordens (vor allem von der Wall Street mit ihren ökonomischen Beziehungen zum Süden) waren die Weißen des Südens (die redeemers, d.h. »Erlöser«) imstande, den Kompromiss von 1877 durchzusetzen, der es den Südstaatlern ermöglichte, ihre afroamerikanischen Arbeitskräfte erneut zu unterwerfen - dieses Mal als kleine Pächter und Landarbeiter (Piven 2006; Schwartz 1976; Woodward 1966). Die weißen Eliten, die damals vollständig in der Partei der Demokraten organisiert waren und auf diese Weise die Kleinbauern aus dem Zweiparteiensystem verdrängten, bauten ihre Position im Kongress aus und holten Bundesmittel in ihre Region. Dieses zweite Machtarrangement, das Anfang des 20. Jahrhunderts in beiden Parteien die wenigen Liberalen und traditionell Progressiven in marginale Figuren verwandelte, wurde durch die unerwartete und miserabel gemanagte Große Depression bis zu einem gewissen Grade erschüttert. Die ökonomische Krise erlaubte einer zeitweise geeinten Arbeiterklasse und ihren liberalen Verbündeten, als Teil der New Deal-Koalition in der Demokratischen Partei Fuß zu fassen - auch wenn diese Partei immer den Demokraten im Süden verpflichtet blieb.  Doch die neue Koalition zwischen den Liberalen und der Arbeiterbewegung wurde rasch marginalisiert, als die Republikaner in den Kongresswahlen von 1938 genügend Sitze erreichten - unter anderem aufgrund der kurzsichtigen Versuche Roosevelts, einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen und die Geldpolitik zu begrenzen. Die wieder erstarkten Republikaner schlossen sich dann mit den Southern Democrats zu einem konservativen Wahlblock zusammen, um jegliche liberale oder arbeitnehmerorientierte Gesetzgebung zu blockieren. Zwischen den Reichen des Nordens, die bei den Republikaner dominierten, den Reichen des Südens, die die demokratische Partei beherrschten und einem konservativen Wahlblock aus Republikanern des Nordens und Demokraten des Südens, der den Kongress in Klassenfragen kontrollierte, gab es in dieser dritten Machtkoalition 1938- 1965 wenig Chancen, durch Wahlen soziale Gleichheit durchzusetzen. Wer gegen Klassenherrschaft und rassistische Ausgrenzung opponierte und neue Rechte (einschließlich des Wahlrechts für bestimmte Gruppen) erreichen wollte, wandte sich daher sozialen Bewegungen zu, die außerhalb des Wahlsystems agierten. Die größte, nachhaltigste und bekannteste dieser Bewegungen war die Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre, die nicht nur das Leben der Afroamerikaner im Süden veränderte und in der ganzen Nation das Wachstum einer schwarzen Mittelklasse möglich machte. Sie brachte auch die Machtarrangements in Bewegung, die seit dem New Deal geherrscht hatten und leitete so eine vierte Machtepoche ein. Die weißen Eliten des Süden liefen zu den Republikanern über, die dann mit Appellen an Rassenvorurteile, religiösem Fundamentalismus und Angriffen auf Big Goverment eine Mehrheit der Weißen im Süden an sich zogen und sie mit massiven Landwirtschaftssubventionen und Rüstungsaufträge belohnten. Die Durchsetzung der Bürgerrechtsgesetze und der Exodus des südlichen Segments der Eigentümerklasse aus der Demokratischen Partei hätten die Chance eröffnet, diese Partei in eine Organisationsbasis für eine bundesweite Koalition zwischen (Links-)Liberalen und Arbeiterbewegung umzubauen, die sowohl Afroamerikaner als auch die neuen Immigranten aus Lateinamerika und Asien hätte einschließen können. Doch stattdessen geschah etwas völlig anderes, das für die nächsten vierzig Jahre jede Aussicht auf eine fortschrittliche Veränderung der Ökonomie ausschloss. Diese vierte Machtepoche wurde von einer Koalition aus konservativen Kräften und Großindustrie mit nationaler Anziehungskraft dominiert. Denn es war nicht einfach der Rassenkonflikt im Süden, der jede Chance auf eine erweiterte Koalition zwischen (Links-)Liberalen und Arbeiterbewegung innerhalb der Demokratischen Partei zerstörte. Es gab auch Rassenkonflikte und zunehmende weiße Vorurteile im Norden. Die Argumente und Schlagworte, die später von den Ultrakonservativen in der Republikanischen Partei benutzt wurden, um die Weißen des Nordens anzusprechen, waren bereits Anfang der 60er Jahre von Funktionären der Gewerkschaften und der Demokratischen Partei geprägt worden, um gegen die neuen Forderungen nach einer größeren Integration im Norden anzugehen (Sugrue 2001; 2008). Natürlich gab es einige bemerkenswerte Ausnahmen: Viele Führer der Industriegewerkschaften unterstützten die Bürgerrechtsbewegung in den Parlamenten. Aber viele weiße Wähler aus den unteren und mittleren Einkommensgruppen wollten keine Integration im Wohnbereich, in der Bildung und in den Gewerkschaftsorganisationen. So gerieten die Demokraten sowohl im Norden als auch im Süden in die Defensive. Es war auch nicht einfach ein Rassenkonflikt, der viele Weiße des Nordens gegen die Liberalen aller Schattierungen aufbrachte. Einige von ihnen waren gegen Feministinnen und Umweltaktivisten, die sie als Bedrohung ihrer Jobs oder ihres Status als stolze weiße Männer erschienen. Andere nahmen Stellung gegen das, was sie als den Antiamerikanismus der Antikriegsbewegung empfanden. Alle diese Faktoren führten zum Zerfall der Koalition von Liberalen und Arbeitern. So konnten Präsident Nixon und seine ultrakonservativen Bundesgenossen immer mehr weiße Wähler aus mittleren Einkommensgruppen (Arbeiter und Angestellte, gewerkschaftlich Organisierte oder Unorganisierte) für die Republikanische Partei gewinnen. Sie nutzten dabei dieselben sozialen, rassistischen und religiösen Themen, die noch 2008 von den Kandidaten der Republikaner ins Spiel gebracht wurden (Edsall 2006; Edsall/Edsall 1992). Es gab also verschiedene Gründe, weshalb genug weiße Wähler zu den Republikanern überliefen und diese Partei der Koalition aus Großindustrie und Konservativen stabilisierten. Für eine erweiterte Koalition aus Liberalen und Arbeiterbewegung entstanden daraus neue Probleme. Die weißen Gewerkschaftler begriffen nicht wirklich, dass es nun um das Überleben ihrer Gewerkschaften ging. Sie begriffen nicht, dass die atemberaubend schnelle Verlagerung der Produktion ins Ausland die starken Gewerkschaften untergraben würde, die sie in den letzten 35 Jahren aufgebaut hatten. Ebenso wenig erkannten sie, dass die Republikaner, die um ihre Wählerstimmen gebuhlt hatten, zugleich die Attacken der Unternehmerseite unterstützen würden, indem sie beispielsweise antigewerkschaftlich eingestellte Personen in das National Labor Relations Board beriefen. Die bundesweite Hinwendung der Weißen zu den Republikanern ermöglichte es auch den moderaten Konservativen, eine Wende nach rechts einzuschlagen, als sich in den 1970ern die Innenstädte beruhigt hatten und die Konzerne aufgrund der steigenden Ölpreise und der Inflation mit neuen Problemen zu kämpfen hatten. Das Ergebnis war ein »neuer Klassenkrieg«, der in den Kürzungen zahlreicher Sozialprogramme durch die Reagan-Administration kulminierte (Piven/Cloward 1982). Dieser erneuerte Klassenkrieg führte auch zur schrittweisen Deregulierung des Finanzsektors, der Basis für die Blasen des Aktien- und Immobilienmarktes, die die Wirtschaft in den Jahren zwischen 1997 und 2006 vornehmlich bestimmten (Baker 2007; 2009). Anfang der 1990er wurde die zersplitterte Koalition aus Liberalen und Arbeiterbewegung langsam wieder aufgebaut. Frauen und Farbige konnten viele der erkämpften Bürgerrechte sichern und eine neue Generation jüngerer weißer Arbeiter akzeptierte diesen Wandel mittlerweile. Die Gewerkschaftsbewegung selbst wurde vielfältiger, sie nahm Frauen und Latinos auf - dennoch war sie weitaus kleiner und schwächer als in der Vergangenheit. Erschöpft von den zwölf Jahren ununterbrochener republikanischer Herrschaft war das Bündnis aus Liberalen und Arbeiterbewegung dankbar für die wenigen Erfolge, die sie der zentristischen Clinton-Regierung abtrotzen konnte. Doch sie erhielt keine Unterstützung bei der gewerkschaftlichen Organisationsarbeit und sie erlitt unter Clinton Niederlagen in der Sozialpolitik. Die Ausweitung des Handels mit Niedriglohnländern untergrub weiter die Position der Gewerkschaften. Und die Clinton-Regierung unterstützte weitere Deregulierungen des Finanzsektors, die im neuen Geschäftsklima der New Economy der 1990er notwendig seien. Mit den Siegen von Bush und Cheney bei den Präsidentschaftswahlen 2000 und 2004 und der republikanischen Kontrolle des Kongresses schien es, als könne nichts mehr den langen Marsch nach rechts aufhalten. Die Gewerkschaften wurden schwächer. Die Antikriegsbewegung war gescheitert. Die Themen des Feminismus verschafften den Demokraten keine große Mehrheit unter den Frauen - trotz der sexistischen und offen abtreibungsfeindlichen Politik der Republikaner. Die Liberalen und die Arbeiterbewegung waren ebenso wie die Demokratische Partei insgesamt demoralisiert. Eine kohärente Linke, die hätte hoffen können, die amerikanische Bevölkerung zu erreichen, existierte nicht. Aber erneut waren es ein Krieg und ein ökonomisches Erdbeben, die die Machtstrukturen neu aufmischten. Die amerikanische »Mitte« wandte sich 2006 angesichts der Opfer und Fehlschläge genauso gegen den Irakkrieg, wie sie sich zuvor gegen den Korea- und Vietnamkrieg gewandt hatte (Mueller 1973; 2005). Dank dieser unerwarteten Veränderung bekamen die Demokraten die Mehrheit im Kongress und stoppten so wenigstens zeitweilig den Trend nach rechts. Zentristen und Liberale schöpften wieder Hoffnung für die Wahl 2008. Aber es bedurfte noch eines weiteren Schocks, um einen deutlichen Sieg der Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen zu sichern. Noch Anfang September 2008 lieferte sich Barack Obama mit Senator McCain ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch der Beinahe-Kollaps der Finanzmärkte Mitte September war ein unüberhörbarer Weckruf, ein Hinweis auf ökonomisches Chaos, das viele Amerikaner einschließlich der Arbeiter in den zentralen Industriestaaten der USA bedrohte, die bislang dazu tendierten, aus rassistischen Gründen gegen Obama zu stimmen. Plötzlich gab es Möglichkeiten für progressive Veränderungen, die zwei Monate zuvor undenkbar gewesen wären.

OBAMA: EINE FÜNFTE MACHTPERIODE?

Die Frage ist: sind die Vereinigten Staaten in eine fünfte Machtperiode eingetreten? Haben ihre außen- und wirtschaftspolitischen Desaster die Republikaner für die nächsten Wahlperioden marginalisiert? Es gibt drei Faktoren, die entscheidend sind für die Richtung, die die Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren einschlagen werden. Erstens wird ein Andauern der Fehlschläge in der Kriegführung (also ein Ausbleiben einer Vereinbarung mit dem Iran und eine weitere kriegerische Politik im Irak, in Afghanistan und Pakistan) das Land weiter destabilisieren und den Zusammenhalt innerhalb der Demokratischen Partei lockern. Zweitens: wenn die gegenwärtige Rezession anhalten oder sich sogar verschlimmern sollte und wenn die Regierung Obama nicht mehr anzubieten hat als ihre bisherige halbherzige Politik, werden sich den Liberalen und der Arbeiterbewegung links von Obama neue Möglichkeiten öffnen. (Anders als Roosevelts New Deal hat die Regierung Obama bislang kaum Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor geschaffen und bis Mai 2009 auch für die kleinen Hauseigentümer, die zwangsenteignet wurden, kaum etwas getan - eine bemerkenswert gefühlskalte Haltung angesichts der Tatsache, dass gerade Afroamerikaner und Hispanos entscheidend waren für den Wahlsieg der Demokraten und unter der Immobilienkrise am meisten gelitten haben). Der dritte Faktor ist die Richtung, die die amerikanischen politischen Aktivisten einschlagen werden. Wenn sie eine ökonomische Vision für eine signifikante Minderheit aus Arbeitern und Liberalen attraktiv mit einer guten Strategie verbinden, dann könnten sie an Einfluss gewinnen. Aber eine vernünftige Strategie ist keineswegs garantiert. Big Money ist zurück. Wenn uns die Vergangenheit in dieser Hinsicht etwas lehrt, dann sicherlich, dass die Interessen der Obama-Unterstützer aus der ökonomischen Elite nachhaltig Berücksichtigung finden werden, wenn es um Entscheidungen über politische Projekte der Liberalen oder der Arbeiterbewegung geht. Frühere US-Regierungen, ob demokratisch oder republikanisch, wurden von Mitgliedern dominiert, die aus der ökonomischen Elite kamen. Passt die Obama-Regierung in dieses Muster? Liberale und Linke waren von vielen Ernennungen Obamas enttäuscht, weil diese Personen oftmals ›Zentristen‹ aus den Elitenhochschulen des Ostens waren und zuweilen schon in sehr hohen Positionen unter Clinton gearbeitet hatten. Die Erleichterung, mit der viele Konservative die Ernennungen (darunter zwei Republikaner) begrüßten, passt in dieses Bild. Die gebremste Vielfalt nach ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht im Kabinett ist ebenfalls ein Beleg dafür. Gleichwohl unterscheidet sich die Obama- Regierung in zweierlei Hinsicht von ihren Vorgängern (vgl. im Detail Domhoff 2009). Ihre Mitglieder haben erstens weitaus häufiger den größeren Teil ihrer Karriere im Staatsdienst statt in der Wirtschaft gemacht; zehn von ihnen waren gewählte Gouverneure, Senatoren oder Mitglieder des Repräsentantenhauses. Zweitens saßen sie zuvor weitaus seltener in Aufsichtsräten usw. als ihre Vorläufer. Beide Merkmale gelten auch für den Obamas Stab. Nimmt man beides zusammen, ist die größere Regierungserfahrung des Obama-Teams ebenso bemerkenswert wie die Abwesenheit von big shots aus Großbanken und Großkonzernen. Die Obama-Regierung repräsentiert also eher die politische als die ökonomische Elite, ganz im Unterschied zu den vorangegangenen Regierungen (einschließlich Clintons). Unter diesem Gesichtspunkt könnte das Potenzial der Obama-Regierung für autonomes Handeln größer sein als das aller Regierungen seit dem New Deal. Freilich ist die alte Koalition aus (Links-)Liberalen und Arbeiterbewegung immer noch schwach und mehr oder weniger gelähmt. Eine tiefe, lang anhaltende Rezession könnte bewirken, dass diejenigen, die am meisten unter Arbeitsplatz- und Einkommensverlust leiden, die zwangsenteignet wurden und nicht krankenversichert sind, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen. Eine Regierung, die vom ersten afroamerikanischen Präsidenten angeführt wird (der zudem einst community organizer war) und in der Personen mit unterschiedlichstem ethnischen und religiösen Hintergrund zusammenarbeiten, könnte kaum repressiv dagegen vorgehen, vor allem wenn diese Aktionen von Farbigen getragen würden. Ob solche Bewegungen, die in der Vergangenheit das einzige effektive politische Instrument der Amerikaner waren, sich entwickeln werden, ist freilich eine völlig offene Frage.

Aus dem Amerikanischen von Rainer Rilling und Hans-Jürgen Krysmanski

Literatur
Baker, Dean, 2007: The United States since 1980, New York
Ders., 2009: Plunder and blunder: The rise and fall of the
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Domhoff, G. William, 1990: The power elite and the state: How
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Edsall, Thomas B., 2006: Building red America: The new con
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Ders. und Mary D. Edsall, 1992: Chain reaction: The impact of
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Mann, Michael, 1986: The sources of social power: A history of
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Mills, C. Wright, 1956: The power elite, New York
Mueller, John E., 1973: War, presidents, and public opinion,
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Mueller, John E., 2005: The Iraq Syndrome, in: Foreign Affairs,
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Piven, Frances Fox, 2006: Challenging authority: How ordinary
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Schwartz, Michael, 1976: Radical protest and social structure:
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Sugrue, Thomas, 2001: Breaking through: The troubled
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J. Skrentny (Hg.): Color lines: Affirmative action, immigration,
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Ders., 2008: Sweet land of liberty: The forgotten struggle for civil
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Woodward, C. Vann, 1966: Reunion and reaction: The
compromise of 1877 and the end of reconstruction, Boston