„Unbedingte Universitäten“

Exzellenz als Geist und Geistlosigkeit

Nicht die Auswüchse des Exzellenz-Wettbewerbs zwischen den Hochschulen sind das Problem. Das Prinzip ist es. Es treibt ihnen bessere Geister aus, andere ein. Über die Vorgänge, die den Paradigmenwechsel begleiten und ihn, so seine Prognose, in einem darwinistischen Naturwunder enden lassen, reflektiert Wolfgang Fach.

 

Dem Bologna-Prozess sagt man nach, er habe unsere Universitäten in einen revolutionären Prozess geschickt – am Ende würde ihr Zustand nichts mehr gemein haben mit dem, was seit Humboldt als „deutsches Modell“ einstens weltweite Geltung besessen habe. Diese Einschätzung mag die Intentionen jener getroffen haben, deren Blaupausen das Maß aller neuen Dinge hätten sein sollen. Doch hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht – der Raumgewinn resp. Flurschaden (je nach Standpunkt) hat sich in vergleichsweise engen Grenzen gehalten. Wohin man schaut – meist fließt alter Wein aus neuen Schläuchen. Im Nachhinein gesehen hat die Exzellenzinitiative des Bundes – wiewohl eigentlich ergriffen, um den Status quo, sprich: vorhandene (Forschungs-)Stärken zu stärken – vermutlich sehr viel tiefere Schleifspuren hinterlassen. Das gilt fürs ganze System wie auch in (fast) jeder einzelnen „Anstalt“, omnes et singulatim. Dieser Einschnitt steht hier zur Debatte, diskutiert werden seine Elemente und Effekte, jedenfalls skizzenhaft.

 

Die andere Art

 

Humboldt ist tot, seine Ideen können zunächst nichts als ihr Alter für sich reklamieren. Selbst die Tatsache, dass diese mentale alte Welt zuhauf „Exzellenz“ produziert und es darum zum „Klassiker“ gebracht hat, kann kein prinzipielles Argument gegen Veränderung oder Verabschiedung sein. Wer die „prä-bolog­neser“ Verhältnisse erlebt und ihre Defekte im Eifer des Gefechts gegen den neuen Geist nicht verdrängt hat, wird sich schwer damit tun, für das „System Humboldt“ ein gutes Wort einzulegen. Unter dem gewollten Ansturm studierwilliger Massen sind seine Eckpfeiler sukzessive eingebrochen oder wenigstens bis zur Unkenntlichkeit beschädigt worden. Weder Lehre noch Forschung sind am Ende noch auf einen grünen Zweig gekommen, einfach weitergehen konnte es so nicht. Allerdings war die Flucht nach vorne, hinein in das Reich der Module und Cluster, keine sachzwanghaft sich aufdrängende, daher vollkommen alternativlose Option. Jacques Derrida hat, allerdings lange bevor the intellectual divide eintreten sollte, das ganz andere beschworen: eine „unbedingte Universität“, die den Geist Humboldts zugleich re-animiert und radikalisiert.1 „Die Universität“ müsste seiner Ansicht nach derjenige Ort sein, „an dem nichts außer Frage steht: die gegenwärtige und determinierte Gestalt der Demokratie sowenig wie selbst die überlieferte Idee der Kritik als theoretischer Kritik, ja noch die Autorität der Form ,Frage‘, des Denkens als ,Befragung‘.“ Nichts anderes sei es, so fährt Derrida fort, was wir „unbedingte Universität nennen oder bei diesem Namen rufen könnten: das Recht, alles zu sagen, sei es auch im Zeichen der Fiktion und der Erprobung des Wissens; und das Recht, es öffentlich zu sagen, es zu veröffentlichen.“ (149) Will man dieser „unverhohlenen Dekonstruktion“ (Derrida) selbst wieder „Stangen“ einziehen, könnte es mit diesem „Korsett“ gelingen:

 

l     sachlich                         Geist

l     zeitlich                         Methode

l     sozial                         Distanz

l     mental                         Askese

l     formal                         Markt.

 

Das heißt zunächst: Die „alte“ Unbedingtheit unterstellt den universitären Betrieb ganz der Bewegung des Geistes – er weht, wie und wohin er will. Ihm sind keine vorbestimmten Grenzen gesetzt, Denkverbote sind undenkbar, selbst über das Denken kann man nachdenken und über dieses Nachdenken nochmals etc. pp. Funktionieren kann ein derartiges Geschäft natürlich nur, wenn es handlungsentlastet vor sich gehen kann und auch frei von Zielen – geschweige denn: Zielvereinbarungen – abläuft. Der Geist ist sich selbst genug. Punkt. In zeitlicher Hinsicht trägt das wissenschaftliche Treiben seine Restriktionen in sich – sie liegen ausschließlich in den methodologischen Anforderungen des Denkens, genauer: jener besonderen Denkform, der sich einer verschrieben hat. Die Wissenschaftlichkeit hängt davon ab, dass es dabei keinen Kompromiss gibt. Drängler von außen sind ebenso fehl am Platz wie „Windbeutel“ (Max Weber), die „Wissenschaft als Beruf“ nicht ernst genug nehmen, um stattdessen, Virtuosen gleich, ihr Publikum unterhalten zu wollen; oder aber auf der Suche nach Status wissenschaftliche claims abstecken und Erstgeburtsrechte reklamieren.

Soziale Unbedingtheit meint: Diese Universität verdingt sich „Interessenten“, die den Wissenschaftsbetrieb für ihre, also fremde Zwecke ge- und damit missbrauchen möchten. Das Denken funktioniert nur, wenn es seinen Gang selbst steuert und nicht von externen Instanzen – Parteien, Verbänden, Unternehmen – gesagt bekommt, über was wie mit welchem Ergebnis nachgedacht werden soll. Wissenschaft ist, wie es früher einmal hieß, nicht „finalisiert“, sondern achtet streng darauf, dass ihr niemand zu nahe kommt. Wenn sie einen „Wert“ außerhalb des eigenen Reiches hat, dann rein zufällig und nicht deshalb, weil Gelder geflossen sind oder Pressionen gewirkt haben. Denken geht auf Distanz – oder es ist keines. Eine Wissenschaft, die sich dazu „berufen“ fühlt, fordert ihren Protagonisten eine asketische Lebensführung ab. Man kann dem Geist nicht einfach nebenher dienen, arbeitsteilig gewissermaßen, wobei gleichgültig ist, für welche Zwecke das restliche Arbeitsreservoir verwendet wird. Dieses Postulat impliziert nicht, dass denkende Menschen Status, Macht oder Geld nicht haben dürften – sofern und solange solche Errungenschaften als unintended consequences gelten, sind derartige Belohnungen unschädlich (wiewohl verführerisch attraktiv); sie anzustreben, wäre aber eine Sünde wider den wissenschaftlichen Geist, den nichts interessieren darf außer der eigene Fortschritt, an dem er unermüdlich arbeitet, sein ganzes Leben lang.

Formal ist das Wissen der unbedingten Universitäten als Meinungs-Markt organisiert, soll heißen: Es gibt weder Zugangssperren noch Eignungstests, die ein Denken daran hindern könnten, am Austausch von Argumenten und an der Konkurrenz um Wahrheit mitzumachen. Selbstredend hat niemand einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden – hört ihm keiner zu, war’s das, und in einem Umfeld, in dem selbst das Denken umgedacht werden kann, ist die Chance natürlich hoch, dass der herrschaftsfreie Diskurs in richtungslose Kakophonie umschlägt. Das heißt, „Markt“ verniedlicht im Grunde, was Derrida hier anpeilt, weil es ohne Wahrheit keine Knappheit und damit auch keinen Preis mehr gibt – anything goes (ohne dass man einfach palavern dürfte – Methode zu haben, ist die conditio sine qua non). Natürlich beschreibt Derrida hier eine Vision resp. regulative Idee, deren „Unbedingtheit“ so unbedingt ausfällt, dass das praktische Denken zwangsläufig hinter seinem theoretischen Anspruch zurückbleibt. Von Häresie wird man aber erst dann sprechen, wenn sich gegenläufige Ideale installiert haben. So wie heute.

 

Die neue Art

 

Es wäre sicher verfrüht zu behaupten, dass wir uns von den Idealen Humboldts bereits verabschiedet hätten. Hierzulande herrscht eine Gemengelage. Dass an deren Ende die Radikalität Derridas triumphieren würde, kann aber niemand glauben, der halbwegs bei Sinnen ist. Eine andere Radikalität bahnt sich den Weg, sie steht unter dem Motto der „Exzellenz“. Mit ihr verbunden ist ein Paradigmenwechsel: Nicht mehr Ideen wetteifern miteinander, sondern Institutionen – Universitäten.

Diese Transformation zieht weitere nach sich, und am Ende bleibt kein Stein auf dem anderen. Nachzuverfolgen ist dieser Bruch auf allen Dimensionen:

 

l     sachlich                         Geld

l     zeitlich                         Mode

l     sozial                         Dominanz

l     mental                         Aggression

l     formal                         Monopol.

 

Was die „Sache“ angeht, wird der Geist zwar nicht ausgetrieben, aber daran gemessen, ob er sich rechnet. Universitäten beweisen ihre „Unbedingtheit“ primär durch eingeworbene Drittmittel: Je mehr Geld fließt, desto höher ist das Prestige. Dieser „Verrechnung“ folgt eine „Vermassung“ auf dem Fuß: Nicht jede Summe zählt (nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist), sondern ausschließlich auf den großen „Batzen“ schielt man: Cluster, SFBs, Kollegs etc. pp., 2 Millionen, 10 Millionen, 30 Millionen. Ob solche Summen nicht den „Geist“ in eine „Industrie“ und die Hochschule in einen Produktionsbetrieb verwandeln: Diese Frage ist ganz aus der Mode gekommen – bestenfalls von nostalgischen „Gelehrten“ noch gestellt, beantwortet von niemandem, weil sich mit dieser Frage niemand mehr abgeben will. Alea iacta est.

 

Zeit ist Geld – diese Allerweltsweisheit nimmt im Kontext des neuen Unbedingtheitsdenkens eine spezifische Form an: Man muss mit der Zeit gehen, um an Geld zu kommen. Finanziert wird vordringlich das, was gerade in Mode ist. Die „üblichen Verdächtigen“ wechseln immer mal wieder, derzeit sind es z.B. Nano-Technologien und das gesamte Feld der Life Sciences – nicht etwa, weil dort unvergleichlich dramatische Fortschritte zu erwarten wären (während andere wie Ägyptologie oder Soziologie ohne Aussicht auf spektakuläre Paradigmenwechsel selbstgenügsam vor sich hin dümpeln würden), sondern weil bekannt unfehlbare Auguren aus der Welt der Wirtschaft entdeckt haben, dass Standort-Sicherung, um eine reale Chance zu haben, auf exklusive Felder zu konzentrieren sei.

Exzellenz ist immer auch Dominanz – die unbedingte Universität neuer Art fühlt sich gewissermaßen nicht wohl unter Gleichen. Der Kampf um Anerkennung, das kann man bei Hegel nachlesen, endet eigentlich erst mit dem Tod eines Gegners – die unbedingte Anerkennung gibt es nicht früher. Schon drei exzellente Universitäten sind eigentlich zwei zu viel – und bei neun hört jeder Spaß eigentlich auf. „Politisch korrekte“ Selektion ist ein Ärgernis, das sich nie ganz ausrotten lässt, dessen Ausbreitung aber so weit wie möglich begrenzt werden soll. Die Anderen müssen „unten“ bleiben, wo sie hingehören; dafür könnten laufend wiederholte Elitewettbewerbe sorgen, so dass sich der komparative Startvorteil des kleinen Kreises turnusmäßig immer weiter steigern ließe – so lange, bis der große Rest seine zweitklassige Bestimmung gefunden hat: höhere Lehranstalt („Lehruniversität“) zu sein.

Was ist diese Haltung anders als – akademisch sozialisierte – Aggressivität? Die unbedingte Universität rüstet auf, in jeder Hinsicht und fast ohne Restriktionen. Wo wird kein Institute for Advanced Study geplant? Aber wer kann 10 Millionen Euro im Jahr dort versenken? An Familienfreundlichkeit denken alle, doch die Besten sind über den Uni-Kindergarten inzwischen weit hinaus? Natürlich ist die Gleichstellung ein Sorgenkind gerade unserer Universitäten, viel passiert ja auch, und dennoch gibt es weiterhin viel zu tun. Aber Münchens TU verkündet lauthals, man wolle in Sachen Gleichstellung unter seinesgleichen Deutschlands Nummer 1 werden (durch gender consulting). Mit weniger gibt man sich nicht zufrieden, und die Reaktion der implizit attackierten Konkurrenten lässt sich leicht ausmalen (damit kein Missverständnis entsteht: Den Frauen sei vergönnt, dass sie von „männlichen“ Aggressionen für einmal profitieren).

 

Das Monopol – auf nichts weniger ist die Strategie der exzellenzbewehrten Universitäten gerichtet. Natürlich mögen neben der eigenen göttlichen Alma mater noch beliebig viele weitere existieren; nur neben ihr soll es möglichst keine andere geben. Nicht zuletzt aus diesem Motiv heraus investieren prämierte Forschungsstätten vergleichsweise hohe Summen – jedenfalls höhere als ihre armen Verwandten – in die Optimierung von Lehre und Studium. Wenn man auf die eine, finale Hierarchie hi­naus will, dann darf es weder Zweifel noch Verwischung geben: „Die“ Elite ist total, niemand darf sie in Frage stellen können, etwa durch den Verweis darauf, dass starke Forschungsleistungen mit vergleichsweise schwachen Lehrerfolgen erkauft würden. Wer oben sein will, muss in jeder Sparte oben sein, sonst ist er es nicht oder wenigstens dessen nie sicher. Siehe Hegel.

 

„Second Intellectual Divide“

 

Nicht viele Universitäten hatten Einsicht und Mumm genug, sich an dem run auf die Exzellenz nicht zu beteiligen. Gar manche Hochschule hat sich ihre innere Verfassung und die äußeren Umstände so lange schöngeredet, bis es ganz danach aussah, als ob in dieser Lotterie nur große Lose gezogen werden könnten.

 

Die Gewinner sind zu beneiden, den Verlierern bleibt nichts als der sprichwörtliche „Kater“ – und einige davon haben sich immerhin das Recht erworben, mit dem Schicksal zu hadern. Da­runter fällt der keineswegs großspurige Versuch einer immerhin mittelprächtigen Universität, ihren mathematischen Wettbewerbsbeitrag mit 30 Millionen Euro honoriert zu bekommen: „Der geplante Exzellenzcluster“, so beginnt der Schlussbericht, „widmet sich sehr anspruchsvollen und zukunftsweisenden Themenfeldern, welche die […] vorhandene exzellente mathematische Forschung und die angrenzenden Naturwissenschaften sowie Informatik in einem vielversprechenden Forschungsverbund zusammenführen. Ambitionierte Ideen werden dabei unter einem gemeinsamen Dach […] zusammengetragen.“ So weit, so gut.

 

Und es geht so weiter. Mit seiner Zielsetzung, meinen die Juroren, „formuliert die Initiative eine sehr attraktive, vielversprechende Vision, die die Forschung in verschiedenen Feldern wesentlich vo­ranbringen kann“. Nach einigen weiteren Strophen schließt der Lobgesang mit der emphatischen Prognose: „Insgesamt wird der Cluster mit dem geplanten Brückenschlag zwischen Mathematik und anderen Disziplinen sowie Anwendungsfeldern sein eigenes Profil schärfen und durch den gewählten interdisziplinären Ansatz die Forschungslandschaft in Deutschland stärken.“ In Wahrheit wird weder „geschärft“ noch „gestärkt“. Das schlechte Ende vom hohen Lied: „Angesichts der verfügbaren Mittel war es zwingend notwendig, eine Auswahl zu treffen, bei der der Antrag für den oben genannten Exzellenzcluster leider nicht berücksichtigt werden konnte.“ Roma locuta, causa finita.

 

„Knapp daneben ist auch vorbei“, so kommentiert der Volksmund ein Pech von dieser Sorte. Dessen Folgen sind beträchtlich: 30 Millionen haben oder nicht haben – das ist leicht die „unbedingte“ Differenz zwischen Masse und Elite, zwischen Schule und Hoch-Schule. Anders gesagt: Die „Entstehung der Art“ verdankt sich mehr oder minder dem Zufall. Zwei Universitäten, deren Mathematik, um beim Beispiel zu bleiben, bis zum Zeitpunkt x, dem (schwarzen) tipping point, auf praktisch demselben Niveau gearbeitet hat, gehen ab da in unterschiedliche Richtungen, was ihre Mathematik angeht, aber auch darüber hinaus, weil der overhead ihnen ermöglicht hätte, an anderen Stellen etwas anzuschieben.

 

Verallgemeinert: Das brachiale Wettbewerbsprinzip (the winner takes all) produziert, gewollt oder nicht, eine akademische Zwei-Klassen-Gesellschaft. Im einen Lager herrscht die „unbedingte Inflation“: Alles wird größer, schöner, teurer, und vieles ist möglich, was anderswo als unbezahlbar gilt. Wie gesagt: Institute für „höhere Studien“ gehören zum guten Ton (Berlin, München u.a.), komfortable Kinderbetreuung ist ein Muss (Konstanz), Gleichstellung wird zur Managementaufgabe (München), das aufwendige Career Center dokumentiert die Sorge um den Abgänger (Freiburg), im freundlichen Welcome Center umhegt man den Anfänger (München), besondere PR-, Patent-, Fundraising-Experten werden angeheuert (München), „Gründer-Kolleg“ nebst „Trainings-GmbH“ sind im Angebot (Freiburg), und flächendeckend hält ein pompöses Qualitätsmanagement seinen Einzug. Vielleicht schießt Berlin den Vogel ab: Die FU Berlin leistet sich sogar ein Zentrum, das der Clusterbildung (Center for Cluster Development) dient, also den nächsten Elitewettbewerb vorbereitet – man gewinnt, um zu gewinnen, und dreht sich so im schönsten aller Kreise. Das andere Lager hingegen: Hier „deflationiert“ alles und jedes (mit Ausnahme der Lehrdeputate), manchmal in absoluten Zahlen gerechnet, immer in Relation zu den unaufhaltsam davonziehenden Gewinnern. Success begets success, aber auch: failure begets failure. Beide Dynamiken sind sattsam bekannt, und die Annahme ist wohl richtig, dass es nicht einfach um zwei in Kauf genommene Effekte geht – sie waren handlungsleitende Maximen. Auch da hat der Volksmund das Wissen auf einen Nenner gebracht: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.“ „Wer hat, dem wird gegeben“, sagt dazu, etwas gewählter, die Bibel.

 Diese Weisheit müsste nach den neuesten Erfahrungen eher noch spitzer formuliert werden: Wer hat, der nimmt sich. Momentan erleben wir den unbändigen Kaufdrang des siegreichen Lagers, das die Hochschulszene als shopping mall begreift und sich „kräftig“ zusammenkauft, was in der Wissenschaft gut und teuer ist: „Den Universitäten in Sachsen liefen reihenweise die guten Wissenschaftler davon, weil sie dem Ruf einer Elite-Uni folgten“, klagt eine betroffene Ministerin, deren Bundesland sich gerade in eine kundenstarke Forscherboutique verwandelt (Sächsische Zeitung, 26.02.2008).

 

Am Ende dieser politischen Artenzüchtung wird dereinst eine Hochschullandschaft entstehen, die dem darwinistischen „Naturwunder“ gleicht: Den Selektionsprozess überstehen „Giraffen“ (sie fressen das Laub von hohen Bäumen) und „Ziegen“ (deren Grünfutter im Unterholz wächst). Das Tierreich als unbedingtes Modell fürs Forscherparadies.

 

 

Anmerkung

 

1)

Derrida, Jacques (2001): Die unbedingte Universität. Frankfurt a. M.

 

Diesen Beitrag veröffentlichen wir, leicht bearbeitet, mit freundlicher Genehmigung seines Autors und der W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG. Er erschien zuerst in Roland Bloch, Andreas Keller, André Lottmann, Carsten Wührmann (Hrsg.), Making Excellence. Grundlagen, Praxis und Konsequenzen der Exzellenzinitiative. GEW-Materialien aus Hochschule und Forschung 114, Bielefeld 2008. Die Reihe wird herausgegeben vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Vorstandsbereich Hochschule und Forschung.
Bereits erschienen sind die Bände 110: Bretschneider, F.; Wildt, J. (Hrsg.), Handbuch Akkreditierung von Studiengängen. Eine Einführung für Hochschule, Politik und Berufspraxis (2007), 111: Claudia Koepernik, Johannes Moes, Sandra Tiefel, GEW-Handbuch Promovieren mit Perspektive, 113: Andrea Adams, Andreas Keller, Vom Studentenberg zum Schuldenberg? – Im Mai erscheint Bd. 115: Andreas Keller, Sonja Staack, Innovation durch Partizipation. Steuerung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen im 21. Jahrhundert.

Professor Dr. Wolfgang Fach lehrt Politische Wissenschaft an der Universität Leipzig und ist seit 2007 Prorektor für Lehre und Studium