Schwestern im Geiste?

Drei Burka-Trägerinnen stehen drei Figuren in Ku-Klux-Klan-Gewändern gegenüber. „Schwestern im Geiste“ ist darunter zu lesen. Eine andere Zeichnung von Eva Schwingenheuer ist mit „Nuttenburka“ betitelt. Der Sichtschlitz des Schleiers findet sich auf diesem Bild zwischen den Beinen. Die Bilder sind diffamierend und entwürdigend. Doch die Autorin des unlängst erschienenen „Burka-Buchs“, das insgesamt 45 dieser Comics enthält, versteht sich als Feministin, der es um die Gleichberechtigung der Geschlechter geht.
Angesichts der seit vielen Jahren erbittert geführten „Kopftuchdebatte“, die den Feminismus in mindestens zwei unversöhnliche Lager gespalten hat, ist so etwas längst kein Widerspruch mehr. „Is Multiculturalism Bad for Women?“, hatte Susan Moller Okin 1999 gefragt, und seither beantworten immer mehr FeministInnen diese Frage mit einem stetig lauter und entschiedener tönenden Ja. Denn falsche Toleranz, insbesondere der muslimischen Community gegenüber, lasse die betroffenen Frauen mit den Konsequenzen sogenannter „traditions-“ bzw. „kulturbedingter“ Gewalt allein. Zu welch verächtlicher Viktimisierung dieser vermeintliche Aufruf zu feministischer Solidarität führen kann, zeigen Schwingenheuers Burka-Bilder höchst anschaulich. Und dass man nicht nur in der „Emma“-Redaktion, sondern vermutlich auch am Stammtisch herzlich über sie lachen kann, wird billigend in Kauf genommen. Ebenso wie die Allianzen, die FeministInnen immer wieder mit Rechten und RassistInnen eingehen, wenn es um die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten bei „migrantischer“ bzw. „muslimischer“ Gewalt gegen Frauen geht.
Auch Österreichs Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek denkt inzwischen laut über ein Burka-Verbot nach, nachdem die SPÖ derartige Vorstöße zuvor immer abgelehnt hatte. Sie befindet sich dabei auf einer Linie mit Italiens Lega Nord und Nicolas Sarkozys konservativer Regierungspartei UMP, die im Rahmen einer „Debatte über die nationale Identität“ Frankreichs nach dem „Burkini“ im Schwimmbad nun auch den Ganzkörperschleier auf der Straße verbieten will. Und es ist auch nicht allein der Papstvertraute Bischof Kapellari, der das Schweizer Votum gegen Minarette als berechtigten Ausdruck einer Sorge vor bestimmten „Ausprägungen“ des Islams interpretiert und die Diskussion darüber nutzt, um auch gleich noch die Ganzkörperverschleierung als Gefährdung des sozialen Friedens anzuprangern. Alice Schwarzer bedient sich exakt derselben – originär rechtspopulistischen, mittlerweile aber allseits äußerst beliebten – Rhetorik, wenn sie fordert, die Ängste der Menschen endlich ernst zu nehmen und „der Mehrheit der Bevölkerung aus dem Herzen“ zu sprechen. Und wer glaubt, es sei vielleicht einmal mehr das kalt-xenophobe Schweizerische Herz gewesen, das da bei der Volksbefragung gesprochen hat, irrt. Laut Schwarzer ist das Ergebnis vor allem dem legitimen „Unbehagen“ über islamische Praktiken wie etwa der Verschleierung zu verdanken.
Wenn es also auch durchaus kein neues Phänomen ist, dass Feminismus und Rechtspopulismus zuweilen dieselben Forderungen stellen: Die Bereitschaft, dafür einen rassistischen Ruf nach restriktiver Politik einfach dreist als emanzipatorischen Akt zur Durchsetzung von Frauenrechten umzudeuten, hat auch unter FeministInnen in jüngster Zeit zweifellos zugenommen. Dabei ist jedoch nichts gefährlicher und keine Strategie ungeeigneter, um die Rechte von Migrantinnen zu stärken. Wer Entscheidungsfreiheit tatsächlich will, muss Rassismus benennen und bekämpfen, statt ihn zu leugnen. Wer Selbstbestimmung will, muss sich für die uneingeschränkte Gleichstellung von MigrantInnen einsetzen. Denn sie ist die unabdingbare Grundlage dafür. Und wenn eine Frauenministerin feministische Politik machen will, sollte sie tunlichst nicht über ein Verbot der Burka spekulieren, während gerade über ein neues Asylzentrum und den Freiheitsentzug in Form einer „Anwesenheitspflicht“ für AsylbewerberInnen diskutiert wird.
In Dänemark hat gerade ein eigens einberufenes „Burka-Komitee“ entschieden, dass das Tragen einer Burka weiter erlaubt bleibt. Eine Studie hatte ergeben, dass es landesweit genau drei Trägerinnen gibt. Sehr viel mehr werden es in Österreich wohl auch nicht sein. Weshalb auch Heinisch-Hosek einräumt, dass die Burka derzeit kein dringliches Problem in Österreich sei. Rassismus ist eines.

 

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin, www.anschlaege.at