Zum Charakter der EU und wie führen wir den Kampf gegen sie

Die EU ist kein Bundesstaat, sondern ein Bündnis imperialistischer Staaten mit kleineren kapitalistischen Staaten als Anhängsel

Das belegt ihre Entstehungsgeschichte wie ihre heutige Verfasstheit.

Kern der EU ist das Bündnis zwischen Frankreich und Deutschland, mit ihm fällt und steht die EU. Das gemeinsame Interesse beider war die antisozialistische Stoßrichtung und war und ist das Ziel der Niederhaltung der Arbeiterklasse. Und darüber hinaus: kein Imperialismus in Europa ist stark genug, sich allein gegen die Konkurrenz des US-Imperialismus und Japans zu behaupten.

Den Anstoß zur Gründung der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) im Jahr 1957 gab Frankreich. Dahinter stand der Wunsch, das wirtschaftlich wieder erstarkte Deutschland einzubinden und unter Kontrolle zu halten: einerseits an der starken Mark zu partizipieren und andererseits Deutschland eine eigene Armee vorzuenthalten. Waffen und Soldaten sollte Westdeutschland nur innerhalb der EVG (Europäische Verteidigungsgemeinschaft) erhalten. Letzteres ist Frankreich nicht geglückt: Westdeutschland wurde die Remilitarisierung gestattet und es wurde in die NATO aufgenommen – hier überwog das US-Interesse an einem Bollwerk gegen den Sozialismus. Aber noch 35 Jahre später, bei der Debatte vor dem Maastricht-Referendum 1992, wurde die Diskussion in Frankreich von dieser Frage bestimmt: wie das übermächtige Deutschland zu zähmen sei. Der ehemalige Außenminister Chevènement brachte es auf den Punkt: „Maastricht oder die Rückkehr zu Auschwitz“ (Spiegel 38/92). Ohne die Zustimmung zu Maastricht hätte es keine deutsche Einheit gegeben, so Otto Schlecht, der damalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Die Hoffnung, so das größer und stärker werdende Deutschland einzubinden, wurde jedoch bald enttäuscht. Elisabeth Guigou, ehemalige französche Europaministerin, meinte schon 1994: „Eigentlich heißt die Frage: Mit welcher Soße werden uns die Deutschen essen?“ (Wirtschaftswoche 49/94).

Das deutsche Interesse folgt einer Linie, die die Reaktion seit dem 19. Jahrhundert verfolgt – die Erringung der Hegemonie in Europa. Auch damals wurden diese Bestrebungen schon mit allerlei „Gutem“, d. h. Vorwänden wie Schutz der Menschenrechte und von Minderheiten, Selbstbestimmungsrecht der Völker usw. begründet. Der deutsche Imperialismus war zu spät und deshalb zu kurz gekommen und konnte keine nennenswerten Kolonien an sich bringen. Er litt an dem Widerspruch zwischen seiner ökonomischen Stärke und seinem relativ kleinen Territorium im Vergleich zu den anderen Imperialisten. Seit der Staatsgründung 1871 verfolgt das deutsche Kapital deshalb seine Pläne der Dominanz und Vorherrschaft in Europa, und zwar aggressiv, selten kooperativ. Die Einigung Europas unter der Parole „Europa den Europäern“ findet in vielen politischen Denkschriften und staatlichen Erklärungen bis heute ihren Niederschlag (nachzulesen bei Reinhard Opitz, Europastrategien des deutschen Kapitals).

Die Kriegsziele im 1. wie im 2. Weltkrieg waren die gleichen wie heute. Ich zitiere nur Werner Daitz, Leiter der Abteilung Außenhandel im Außenpolitischen Amt der NSDAP: „Eine kontinentale Großraumwirtschaft unter deutscher Führung muss in ihrem letzten Friedensziel sämtliche Völker des Festlandes von Gibraltar bis zum Ural und vom Nordkap bis zur Insel Cypern umfassen, mit ihren natürlichen kolonisatorischen Ausstrahlungen in den sibirischen Raum und über das Mittelmeer nach Afrika hinein.“ Das schrieb dieser Dietz 1940. Auf kriegerischem Weg scheiterte dieses Ziel 1945 wie schon 1918.

Aufgegeben aber hat die herrschende Klasse dieses Ziel niemals, wie z. B. Franz Josef Strauß schon 1957 wieder deutlich machte: „Wir sind die wirtschaftlich stärkste Macht in Mitteleuropa geworden. An unsern Kassen stehen die ehemaligen Sieger Schlange. Bei uns sind alle verschuldet. Auf die Dauer kann es kein Deutschland geben, das wirtschaftlich ein Riese und politisch ein Zwerg ist. Deshalb braucht die deutsche Politik einen europäischen Rahmen.“ („Die Welt“ 2.9.57).

Klaus Kinkel, großdeutscher Außenminister, sagte es 1993 noch deutlicher: „Zwei Aufgaben gilt es parallel zu meistern: im Innern müssen wir wieder zu einem Volk werden, nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: im Einklang mit unsern Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unsern Wünschen und unserem Potential entspricht.(...) Das nationale Interesse gebietet, den europäischen Weg weiterzugehen – und zwar kategorisch! (...) Nur in fester europäischer Verankerung kann Deutschland zu innerem Gleichgewicht und voller Handlungsfähigkeit finden. Das ergibt sich unausweichbar als Lehre aus unserer Vergangenheit wie aus der Einsicht in die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse im Vergleich zu Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika.“ (FAZ 19.3.1993).

Ein deutsch dominierter europäischer Wirtschaftsraum als Ausgangsbasis des Kampfs gegen die Großräume der USA und Asiens war und ist das Ziel des deutschen Imperialismus. Es gab innerhalb der herrschenden Klasse Differenzen über die Geschwindigkeit des Vorgehens oder die Wahl der Mittel – nie über das Ziel. Bei Europas Einigung handelt es sich um eine Frage von um Krieg und Frieden, wie Helmut Kohl als Bundeskanzler immer wieder betonte.

Nach der Einverleibung der DDR und der Öffnung Osteuropas für die imperialistischen Monopole hat sich diese Lage noch einmal erheblich zugespitzt: Deutschland konnte als einzige Macht sein Territorium erweitern und als stärkste ökonomische Macht am meisten von der Durchdringung Osteuropas profitieren. Noch einmal Klaus Kinkel dazu: „Wir sind aufgrund unserer Mittellage, unserer Größe und unserer traditionellen Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa dazu prädestiniert, den Hauptvorteil aus der Rückkehr dieser Staaten nach Europa zu ziehen.“ (s. o.)

Aber selbst das ist der deutschen Bourgeoisie heute nicht mehr genug. Die „Junge Welt“ zitierte Hans-Jürgen Krupp, Mitglied des Zentralrats der Bundesbank: „Die jetzt bereits bestehende ‚Vorherrschaft der Deutschen’ über die europäische Geldpolitik und die ‚politische Machtausübung innerhalb Europas’ reiche nicht mehr aus; Deutschland müsse auch ‚nach außen’ genügend Macht haben, um die Position Europas in einer zusammenwachsenden Welt zu behaupten“ (JW 30./31.3.96)

Seit der Einverleibung der DDR strebt die BRD auch keinen europäischen Bundesstaat mehr an, wie Stoiber 1993 in einem Interview der SZ mitteilte. Es trug den bezeichnenden Titel „Es gab einmal eine europäische Bewegung in Deutschland ...das ist vorbei.“ „Wir streben keinen europäischen Bundesstaat mehr an.“ Das war in Stoibers Augen ein Konzept der Schwäche: „Denn Bundesstaat würde bedeuten, dass die Staatlichkeit Deutschlands oder Frankreichs überwölbt würde durch eine europäische Staatlichkeit. Das ist der Weg, den die Deutschen noch in den fünfziger, noch in den sechziger Jahren gehen wollten. ( ...) Wir hofften, die Nation, die damals geteilte deutsche Nation würde aufgehen in einer europäischen Nation. (...). Mit der deutschen Wiedervereinigung haben wir nun eine andere Situation.“ (SZ 2.11.93). Das Europa der Gleichen wird nicht mehr angestrebt, und der Begriff der „Vereinigten Staaten von Europa“ aus dem CDU-Programm gestrichen. Die Bundesregierung peilt eine neue Machtverteilung innerhalb der EU im Vertrag von Lissabon an, indem in Zukunft nach der Bevölkerungszahl abgestimmt werden soll (s. dazu Fischer, SZ 28.5.09).

Nun kann man fragen, wieso die Bourgeoisie der anderen europäischen Staaten das alles mitmacht. Ein „Pakt“ mit dem aggressivsten Imperialismus Europas hat für die herrschenden Klassen Frankreichs, Italiens, Spaniens, Portugals usw. auch etwas Verlockendes: unter dem Deckmantel Europas erleichtert es ihnen die Ausplünderung der eigenen Arbeiterklasse. Mit Deutschland zusammen kann man auf größere Beute hoffen. Und zweitens ist das Bündnis der einzig realistisch erscheinende Weg, wie gegen die Konkurrenz der USA und Japans zu Felde zu ziehen ist. Das gilt vor allem für Frankreich, aber auch die anderen Staaten. Dafür nehmen sie die Vorherrschaft Deutschlands in Kauf, verzichten auf die Verfügung über eigenes Geld und damit die Möglichkeit, über Auf- oder Abwertung ihrer Währung ihre Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt zu verbessern und geben selbst Teile der eigenen Souveränität auf.

Wenn sie sich widersetzen, droht Deutschland mit dem Alleingang, wie es in einem Papier von den CDU-Politikern Schäuble und Lamers 1994 entwickelt wird, falls die Pläne zur Osterweiterung nicht realisiert würden: „Ohne eine solche Weiterentwicklung der (west-)europäischen Integration könnte Deutschland aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwängen versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen.“ Die Verfasser fahren zwar fort: „Das aber würde seine Kräfte bei weitem überfordern...“. (Überlegungen zur europäischen Politik, „Schäuble-Lamers-Papier“, Bonn, 1. September 1994). Die Drohung bleibt aber ausgesprochen, dass Deutschland sich genötigt sehen könnte, den Weg seiner aggressivsten Teile des Finanzkapitals, die die Welt mit Krieg und Faschismus überzogen, erneut in Erwägung zu ziehen.

 

 

Tendenz zu einem supranationalen Staat?

Nun vertreten führende Genossen der DKP die Meinung, die EU sei inzwischen ein supranationaler Staat oder zumindest auf dem Weg dahin. Sie sei „mehr“ als ein Bündnis souveräner Staaten.

Sie beziehen sich dabei auf das Parteiprogramm: „Die wirtschaftliche und politische Dynamik drängen die EU, sich den Kern eines supranationalen Staates zu schaffen.“ (S. 14). Ja, das ist richtig, das ist tatsächlich eine Tendenz, weil das Monopolkapital nach Maximalprofit und nach immer größerer Konzentration drängt und daraus begründet die gesamte Gesellschaft zu unterwerfen strebt. Aber kann sich diese Tendenz auch durchsetzen?

Ist der Prozess in Europa vergleichbar mit der Entstehung der Nationalstaaten durch die aufstrebende Bourgeoisie, dem Druck der Produktivkraftentwicklung folgend? Das wäre ein Prozess im Interesse einer „transnationalen“ Monopolbourgeoisie, die den Nationen übergreifenden Markt braucht und – wie der Genosse Leo Mayer in seinem Referat „Verhältnis Kapitalismus – Staat – Funktionswandel des Staates“ prognostiziert – sogar den „transnationalen Staat“ auf globaler Ebene, den Weltstaat, anpeilt.

Dieser Entwicklung stehen aber die entgegen gesetzten Tendenzen der Konkurrenz der Imperialisten untereinander entgegen. Zwar ist das ökonomische Zusammenwachsen der Staaten der EU eine Tatsache. Der deutsche Imperialismus als der größte Nutznießer dieser Entwicklung treibt dies auch weiter voran. Doch nichts desto trotz ist und bleibt die EU ein imperialistisches Staatenbündnis, das keinerlei Zeichen von Nationenbildung aufweist, so sehr die EU-Bürokratie das auch versucht glaubhaft zu machen mit Verfassungsentwurf, Fahne und anderem Klimbim.

Alle politisch brisanten Entscheidungen werden vom Ministerrat getroffen. Dort wird die Konkurrenz ausgetragen. Entschieden wird nach der Macht, nach dem Kapital. Eine andre Teilung kann es im System der Warenproduktion nicht geben. Kein wichtiges Gesetz passiert hier ohne die Zustimmung der imperialistischen Mächte. Das EU-Parlament ist daneben noch unbedeutender als es die Parlamente der einzelnen Mitgliedsländer sind. Entscheidende Bereiche der Politik wie die Außen- und Steuerpolitik werden vom Vertrag von Lissabon nicht berührt. Und selbst wo Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten an die EU abgegeben werden, fehlt der EU für die tatsächliche Ausübung souveränen Rechts das Mittel zur Durchsetzung: der eigene Gewaltapparat.

Deshalb ist ein Verstoß gegen EU-Beschlüsse eine Machtfrage: die Großen können Beschlüsse wie den Stabilitätspakt, die Maastricht-Kriterien, ignorieren (was die Bundesregierung mehrfach getan hat), die Kleinen werden mit Sanktionen bedroht. Die Einschränkung der Souveränität gilt nur für die abhängigen Staaten. Es ist genau umgekehrt, wie es im Parteiprogramm steht: nicht „der Staat wird zum Verwalter einer Politik, die außerhalb seiner Souveränität beschlossen wird“, sondern die EU ist der Verwalter einer Politik, die außerhalb ihrer Souveränitätsrechte beschlossen wird.

Zeitgleich mit Stoibers Absage an den europäischen Bundesstaat gibt es das Bundesverfassungsgericht 1993 den anderen europäischen Mächten sogar schriftlich, dass das deutsche Monopolkapital nicht daran denkt, sich an irgendwelche Beschlüsse zu halten, die sein eigener geschäftsführender Ausschuss, die Bundesregierung, nicht abgesegnet hat. Deutschland sei, so argumentiert das Bundesverfassungsgericht, einer der „Herren der Verträge“, die schließlich nur durch die bundesdeutsche staatliche Sanktionierung innerhalb der BRD wirkten, und deshalb könne es jederzeit aus der Währungsunion wieder austreten (Maastricht-Urteil des BVG, Capital 2/98, S. 90). Inzwischen ist auch im Vertrag von Lissabon festgehalten, dass die Erfüllung des EU-Rechts den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen bleibt. Damit wird dies eine politische Frage, eine Frage der Macht.

Ein Zurück zur nationalstaatlichen Ebene – wie es führende Genossen der DKP an die Wand malen als reaktionären Schritt – ist also gar nicht möglich, da diese Ebene nie verlassen wurde. Das zeigt sich jetzt ganz aktuell in der Krise, als Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien usw. ihre nationalen Rettungspakete verabschiedeten und erst dann die EU-Bürokratie ein bisschen koordinieren durfte. Der EU-Abgeordnete Martin Schulz (SPD) dazu: „Wir sind ein Staatenbund und da muss jeder für seine nationale Ökonomie sorgen.“ (ARD-Morgenmagazin 5.12.08). Von kollektivem Imperialismus keine Spur. Der Nationalstaat entpuppt sich als der einzige Rettungsanker für das Kapital und das transnationale Kapital als Hirngespinst.

Und was soll bitte fortschrittlicher sein an dieser EU als die BRD? Die EU ist doch Reaktion auf der ganzen Linie. Sie war nie dazu gedacht, nie dazu konzipiert, jemals ein soziales oder friedliches Europa zu schaffen. Natürlich können kleinere Reformen in ihr durchgesetzt werden, wenn das Kräfteverhältnis es erlaubt. Aber eine Überwindung hin zu einem friedlichen und sozialen Europa, wie es die Gewerkschaften und viele Linke fordern, ist mit ihr nicht zu machen. Das kann für uns nur heißen: sie muss zerschlagen werden. Sie ist ein Zweckbündnis und wird so lange existieren, wie sie im Interesse von Frankreich und Deutschland liegt. Denn Bündnisse sind im Imperialismus immer nur zeitweiliger Natur.

 

 

Wie können und sollen wir den Kampf gegen die EU demnach führen?

Es gibt keine einzige fortschrittliche Forderung zum EU-Vertrag außer Ablehnung. Die reaktionären Ziele der EU sind weder im Rahmen der EU-Institutionen zu bekämpfen noch gegen sie. Wir müssen den EU-Vertrag also vor allem entlarven.

Weil die entscheidenden Machtmittel beim Nationalstaat geblieben sind, muss hier der Klassenkampf geführt werden. Er bleibt das Kampffeld, wo Forderungen gegen die Bourgeoisie durchgesetzt werden können, dort wo die Arbeiterklasse ihrem Klassengegner direkt gegenübersteht. (Im Antrag der DKP-Berlin zum EU-Wahlprogramm ist das vorbildlich gemacht.) Es gilt nach wie vor der Satz des Kommunistischen Manifests: „Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muss natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.“. Der Kampf ist international, der Kampfboden national. Jeder erfolgreiche Schlag gegen die Bourgeoisie verbessert die Kampfbedingungen in den andern Ländern.

Die EU verbessert die Möglichkeiten für die Linke nicht, sondern lenkt davon ab, wer die Feinde der Arbeiterklasse und ihrer Bündnispartner wirklich sind. Das ist hier im Land der deutsche Imperialismus und niemand anderer. Die EU gibt der Bundesregierung nur die Möglichkeit, sich hinter Brüssel zu verstecken, so dass viele Menschen glauben, die EU sei der Feind.

Unsere Kampfziele sind deshalb: Befreien wir uns und die Völker Europas (und der Welt) vom deutschen Imperialismus! Keine Vorherrschaft Deutschlands in Europa, keine Unterdrückung der kleineren europäischen Staaten. Für den Sozialismus!

 

 

Forderung „Raus aus der EU?“

Sie wird von einigen europäischen Parteien vertreten wie der irischen KP, der KP Großbritanniens, der KP Luxemburgs, der KP Finnlands, der schwedischen Linkspartei, der KP Portugals und der KP Griechenlands. Auch die TKP nimmt gegen den angestrebten Beitritt der Türkei zur EU Stellung.

Für die kleineren Staaten der EU kann der Austritt tatsächlich eine Möglichkeit sein, der eine Wende zum Fortschritt bedeuten kann, wenn er von den linken Kräften des Landes erzwungen werden kann. Für die Rechten ist die Forderung immer nur Demagogie, um vom eigenen Imperialismus oder Kapitalismus abzulenken.

So lehnte die PCP den Eintritt Portugals in die EG 1986 ab. „Der gemeinsame Markt, namentlich der freie Fluss von Waren und Kapital“, so schreibt sie rückblickend in ihrem Programm, „verkörpert für Portugal auf Grund seiner relativen Rückständigkeit nachteilige Aspekte für seine Entwicklung und neue Restriktionen für seine Unabhängigkeit.“... „Es gibt keine institutionelle Architektur für ein föderales Modell (...), welches das Machtungleichgewicht überwinden kann, das aus den signifikanten Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten resultiert. Die neoliberale und militaristische Dimension sind der kapitalistischen Integration inhärent und untrennbar von den föderalen Lösungen auf institutioneller Ebene.“ „Die EU kann nicht reformiert werden.“ (zitiert nach „Marburger Echo“ Mai 2009)

Für das deutsche Kapital sieht es jedoch anders aus. Durch einen Austritt aus der EU würde zwar sowohl das deutsche Monopolkapital als auch die EU empfindlich geschwächt. Und natürlich wäre die Durchsetzung der Forderung „Raus aus der EU“ nur aufgrund eines breiten antimonopolistischen Bündnisses möglich, setzt also zumindest ein Klassengleichgewicht voraus, wo die Bourgeoisie bereits stark geschwächt und der mögliche Sturz des deutschen Imperialismus schon in greifbare Nähe gerückt ist. Eine revolutionäre Situation also. Das wird in der Formulierung der DKP-Berlin „Für ein linkes und antimonopolistisches Nein zur EU-Mitgliedschaft Deutschlands“ auch angedeutet. Ein Rückfall auf reaktionäre oder nationalistische Positionen, wie es den Antragstellern vorgeworfen wird, ist hier nicht zu erkennen.

Deutschland hat jedoch aufgrund seiner Vorrangstellung in Europa mehrere Optionen - andere Bündnispartner oder Alleingang - wenn sich die Gegensätze in der EU verschärfen sollten. Diese Situation ist zur Zeit (noch) nicht gegeben. Bisher gelingt es der BRD, die Widersprüche innerhalb der EU überwiegend in ihrem Sinne zu lösen. Trotzdem müssen wir die anderen Optionen des deutschen Imperialismus stets im Auge haben und berücksichtigen. Deshalb halte ich die Losung „Raus aus der EU“ für die BRD für falsch. Die Mitgliedschaft in der EU ist immer beides für die BRD gewesen: die beste Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen imperialistischen Ziele als auch die Einbindung in das Bündnis mit den anderen imperialistischen Staaten Europas. Das bedeutet für diese, Deutschland möglichst unter Kontrolle zu halten. Für uns heißt es, den deutschen Imperialismus direkt anzugreifen!