Das Netz mit doppeltem Boden

in (26.08.2010)

Facebook revolutioniert die Online-Kommunikation und -Vernetzung. Es steht aber auch in der Kritik

Iran 2009: Öffentliche Regimekritik wird unterdrückt, verfolgt und bestraft. EMails werden vom Geheimdienst gelesen, Verschlüsselungstechnologien sind verboten, der Zugriff auf regimekritische Webseiten wird gesperrt, RegimekritikerInnen verhaftet und gefoltert. Aus welchen Gründen auch immer ist Facebook aber zugänglich und da dessen Server in den USA stehen ist es dem iranischen Regime kaum möglich die auf Facebook stattfindende Kommunikation zu überwachen.

Diese „Sicherheitslücke" nutzen die iranischen AktivistInnen der sogenannten Grünen Revolution um sich zu vernetzen, politische Nachrichten auszutauschen und den Protest zu organisieren.

Allerdings nutzt auch das iranische Regime Facebook: Geheimdienstler melden sich bei Facebook an und durchforsten die Freundschaftslisten von bekannten RegimekritikerInnen, um deren Bekannte und Verwandte ausfindig zu machen und sie zu verhören und zu schikanieren. Zwar wäre es den UserInnen möglich gewesen die Freundschaftslisten zu verstecken standardmäßig sind diese aber offen zugänglich.

Diese drastischen Beispiele zeigen die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren des Werkzeugs Facebook, sehr deutlich.

Einerseits ist Facebook ein sehr nützliches Tool um private und politische Netzwerke aufzubauen und zu nutzen. Andererseits kann es - wie jedes andere mächtige Werkzeug auch - in den falschen Händen auch zur unheimlichen Waffe werden. Die Vorstellung, dass eine totalitäre Staatsgewalt tatsächlich uneingeschränkten Zugriff auf die Facebook-Server hätte ist zum Glück mittelfristig nicht abzusehen.

Einstellungssache

Ende Mai 2010, wenige Tage vor dem angekündigten Quit Facebook Day (gemeinsames Verlassen von Facebook aus Datenschutzgründen), an dem immerhin knapp 30.000 Leute teilnehmen wollten, geschah die größte Privatsphären-Reform in der Geschichte von Facebook. Sämtliche Privatsphäreneinstellungen sind nun übersichtlich auf einer Seite zusammengefasst und können sowohl insgesamt also auch einzeln angepasst werden. Abgesehen vom Namen und dem Profilbild besteht nun die volle Kontrolle über die eigenen Daten. Seitdem können (Fan-)Pages versteckt werden und auch die kürzlich eingeführte Instant Personalisation, die die UserInnen-Aktivitäten auf ausgewählten Webseiten kommerzieller Partner „personalisiert" (=verfolgt), kann dort mit einem Mausklick ausgestellt werden.

Facebook ist nun wieder das soziale Online-Netzwerk mit den vergleichsweise besten Möglichkeiten die Privatsphäre wie auch die selektive Weitergabe von persönlichen Inhalten zu justieren.

Zwei Mängel bleiben allerdings: die Standard-Einstellungen für neu registrierte UserInner geben quasi sämtliche Informationen Facebook-weit preis. Das reduzierte Öffentliche Profil, inklusive aller mit Alle bzw. Everyone versehenen Informationen, ist in der Standard-Einstellung sogar Internet-weit über Suchmaschinen auffindbar. Auch Instant Personalisation ist standardmäßig eingeschaltet. Die Facebook-MacherInnen gehen offensichtlich - leider wohl zu Recht - davon aus, dass den meisten NutzerInnen ihre Privatsphäre egal ist.

Wichtig ist für datenbewusste Menschen, dass es nun (wieder) sehr gute Einstellungsmöglichkeiten gibt um die Kontrolle über ihre Daten zu behalten. Selbst wenn man allerdings die Privatsphäre-Einstellungen auf die höchste Sicherheitsstufe schraubt bleiben Daten die man auf anderen (halb-)öffentliche Profil- oder Fan-Seiten postet über die Suchmaschinen auffindbar. Hier hilft derzeit nur, gar nicht auf (Fan-)Pages zu kommentieren. Wem das nicht reicht kann sich (entgegen der Real Name Policy) mit verfälschtem Namen und gesondert eingerichteter eMail-Adresse registrieren.

Fluch und Segen?

Abschließend bleibt wohl zu sagen, dass Facebook nicht nur Fluch, sondern auch Segen ist. Es ist ein faszinierendes Werkzeug um politische und kritische Informationen in die Köpfe von Leuten zu bringen, die sich niemals in politische eMail-Verteiler eintragen würden oder linke Publikationen lesen würden. Es ermöglicht die Vernetzung und Koordination von Protest- und Interessengruppen. Nebenbei gibt wohl keine bessere Möglichkeit um längst verschollen geglaubte, liebgewonnene Menschen wiederzufinden, mit ihnen in Kontakt zu bleiben und sowohl Klatsch und Tratsch sowie Späßchen auszutauschen, ohne jedes Mal anzurufen oder eine „Wie-geht's,-mir-geht's-gut"-eMail zu schreiben. Wer macht das schon?

Dies ist eine stark gekürzte Fassung des Artikels. Den kompletten Artikel inklusive aller Quellenangaben findest Du auf der Webseite des Autors: www.jacks.cc

Guide: Introduction to Facebook Activism

http://www.digiactive.org/2008/06/28/guide-a-digiactive-introduction-to-facebook-activism/