Die Niebelungensaga

Hefteditorial iz3w 320

Er verordnet gerne Verschlankungskuren. Erst plädierte er für die Abschaffung der Agentur für Arbeit bis auf deren Kerngeschäft (keine weitere Arbeitsvermittlung, reine Überweisungstätigkeit, Punkt). Klingt gar nicht so ganz verkehrt, doch das ist jetzt nicht mehr sein Gebiet. Später dann fordert er - das war zu Wahlkampfzeiten - die Senkung der Entwicklungshilfegelder und plädiert gar für die Abschaffung des Entwicklungsministeriums. Das macht nun keinen Sinn mehr, denn als Minister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit würde er sonst arbeitslos und vielleicht ein Fall für die noch unreformierte Agentur für Arbeit.

Gleich nach der Vereidigung fiel dem ehemaligen Soldaten auf Zeit mit Feldwebeldienstgrad Dirk Niebel wieder ein, dass es ja mal die Idee gab, die Aufgaben des BMZ nach seiner Auflösung dem Außenministerium zuzuordnen. Die entwicklungspolitische Community warnte, damit werde einer Militärisierung der Entwicklungspolitik Tür und Tor geöffnet. Was ohne BMZ machbar gewesen wäre, denkt Niebel sich, muss doch auch mit BMZ gehen. Und fährt seit Amtsantritt eine offensive Strategie in diese Richtung.

Erster Akt: Sorge für vollkommene Loyalität im eigenen Haus. Die Opposition war recht empört, als Niebel ehemalige Weggefährten ohne sichtliche Fachkompetenz (wobei das strittig ist) aber mit militärischer Karriere (also laut Niebel mit Kernkompetenzen) auf hohe Posten setzte. So zum Beispiel für Oberst I.G. Friedel Eggelmeyer. Als Soldat sei er »bereits mehrfach planerisch in der Politik tätig gewesen, zum Beispiel im Planungsstab des Auswärtigen Amtes, im Planungsstab des Verteidigungsministeriums« und so weiter. Was Niebel nicht erwähnte: Eggelmeyer hat zusammen mit Wehrmachtsleuten den »Freundeskreis Panzerbataillon 33« mitbegründet. Der neue Chef der neu geschaffenen Abteilung vier im BMZ ist übrigens für Afghanistan, Nahost und Afrika zuständig.

Zweiter Akt: Wenn schon Dienstreise, warum dann nicht eine Safari nach Afrika. Von seiner Stippvisite durch den Kontinent lässt Niebel der Presse ein paar Ich-war-da-Fotos schicken, mit Militärmütze (mit der er anschließend in Kambodscha herumlief, auf den Killing Fields) und nicht ohne seine vollverspiegelte Sonnenbrille. Dazu die Meldung, dass er keine Berührungsängste mit dem Militär hat (ach,tatsächlich?). Und weil gerade Fußball WM in Südafrika war, wurden die nunmehr 100 Bolzplätze, die »wir in benachteiligten Gegenden gebaut (haben), in so genannten Townships«, als friedensstiftende Maßnahme erwähnt. Denn: »Hier lernen Kinder Fairplay und gewaltfreie Konfliktlösung«.

Dritter Akt: Sorge für eine stringente ordnungspolitische Kontrolle deiner Untergebenen. Niebel macht Nägel mit Köpfen: Den alten Plan, GTZ, DED und InWEnt zu fusionieren, hat er jetzt eingetütet. Dafür muss man sich jetzt nur noch ein Kürzel merken, DGIZ, das steht für »Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit«. Doch das war nicht der Grund. Aber »die bisherige Institutionenvielfalt mit ihren unterschiedlichen Verfahren erzeugt erhebliche Koordinierungs- und Abstimmungserfordernisse«. Und das ist hinderlich, wenn man schnell durchstarten will. Nur, wohin eigentlich? Eine Lektüre der »Strukturreform für die wirkungsvollere Technische Zusammenarbeit«, die am 7. Juli vom Bundeskabinett durchgewinkt wurde, verrät, dass es um »Schlagkraft« gehen soll, und dazu braucht es eine klare »Entwicklungsoffensive«, weshalb das »politische Agenda-Setting« wohl aus einem Hause und kommen soll. Dem Deutschen Haus.

Akt vier folgt aus Akt drei. Die Renationalisierung der Entwicklungszusammenarbeit. Das »identitätsstiftende Geschäftsmodell« wird Doppelstrukturen vermeiden, Splittergruppierungen vereinen. Denn es braucht eine »klare Meinungsführerschaft« sowie »Made in Germany« als Dachmarke und Qualitätssiegel, wobei ein an das BMZ gebundene »Institution« alle Evaluierungsaufträge erhält - und transparent abarbeitet. Also kein Kuddelmuddel mehr. Bisher wendeten viele zivilen Träger der EZ ihre eigenen Evaluierungsmethoden an. Zudem ist ja den KundInnen - also den Empfängerländern - das bisherige Wirrwarr von entwicklungspolitischen Angeboten nicht wirklich zumutbar. Folgerichtig sind multilaterale Vorhaben mit vielen Akteuren auch nicht mehr so prioritär. Jedenfalls knausert Niebel beim Global Fund und will hier für 2012 keine festen Mittelzusagen machen. In diesem multilateralen Kontext müsste man sich ja auch wieder mit so vielen abstimmen und arrangieren. Also lieber die bilaterale Schiene ausbauen. One-Face-to-One-Customer-Politik ist hier übrigens der Marketingfachbegriff.

Fünfter Akt: Weg von der karitativen Spendenmentalität. Hin zu effizienter Außenwirtschaftsförderung. Es fällt auf, dass der Begriff der Armutsbekämpfung von Niebel so nicht mehr verwendet wird. Armut »bekämpft« Niebel nicht, aber ökonomisch ist da eben auch nicht groß was zu holen. Bisher erhöht jeder Euro bilateraler

EZ, so steht es im Reformkonzept, den deutschen Export um bis zu 1,80 Euro. Das reicht dem neoliberalen Freidemokraten nicht. Er denkt sich das BMZ als zweites Ministerium für Außenwirtschaftsförderung - um die Rendite zu erhöhen. Von Spenden für Haiti riet er ab.

Sechster Akt. Hierarchien respektieren und Aufträge zügig erledigen. Niebel will die schon lange in der Pipeline stehende und am Widerstand der »Betroffenen« bisher gescheiterte Integration ziviler Organisationen in militärstrategische Prozesse wahr machen. Dank der Fazilität Afghanistan (Weißbuch Bundeswehr) mit eigenen Aktivitäten zu unterstützen (siehe Seite 4 in diesem Heft).

Eigentlich wären Fleiß und Gründlichkeit noch wichtige Tugenden. Doch auch der Niebel blendet. Vieles, was er jetzt dingfest macht, wurde von seinen VorgängerInnen lange vorbereitet: die Fusion, die »Vernetzte Sicherheit«, die Private-Public-Partnership-Affairen. So fleißig wie er tut, war er gar nicht. Eine »entscheidende« Charaktereigenschaft allerdings unterscheidet den ehemaligen Fallschirmjäger von seinen VorgängerInnen: hemmungsloses Vorpreschen. Vielleicht aber vergaß Niebel dabei ja die Gründlichkeit, und das niebelsche Heldenepos geht bald über den Jordan.

 

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