Grundrechtsbindung in Zeiten der Privatisierung

in (23.06.2011)

Am 22. Februar 2011 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen erfreulichen Schritt zur Stärkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit unternommen, indem es ein prinzipielles Demonstrationsverbot am Frankfurter Flughafen für verfassungswidrig erklärte. Der Beschwerdeführerin war von der Fraport-Aktiengesellschaft unter Strafandrohung ein „Flughafenverbot" erteilt worden, nachdem sie 2003 in der Abflughalle Flugblätter gegen eine Abschiebung verteilt hatte. Die privatrechtlich organisierte Fraport AG steht zu 52 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand.

Das BVerfG entschied (AZ: 1 BvR 699/06), dass das Verbot die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) und der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzte. Grundlegend urteilte das BVerfG, dass auch die Fraport AG unmittelbar an die Grundrechte gebunden sei: Die staatliche Gewalt könne sich Art. 1 Abs. 3 GG weder durch die Nutzung zivilrechtlicher Formen, noch durch gemischtwirtschaftlich betriebene Unternehmen entziehen, solange diese von der öffentlichen Hand „beherrscht" werden.

Des Weiteren stellt das BVerfG klar, dass die Versammlungsfreiheit nicht nur im öffentlichen Straßenraum gelte, sondern auch für Stätten, an denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte allgemeiner Kommunikation entstehen. Also etwa in Bahnhofs- und Flughafenhallen mit Einkaufs- und Restaurantbetrieb, nicht aber in Schwimmbädern oder Verwaltungsgebäuden, da hier Zugangskontrollen bestehen bzw. diese Orte nicht die Funktion haben, ein „allgemein zugängliches Kommunikationsforum" zu schaffen.

Das Urteil wirft die Frage auf, ob die Fraport AG nach einem Verkauf von drei Prozent der öffentlichen Anteile, also dem Verlust der öffentlichen Mehrheit, nicht mehr an die Grundrechte gebunden sein soll. Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung könne die mittelbare Grundrechtsbindung Privater zwar ähnliche oder gleiche Wirkungen haben, so das BVerfG. Für den Schutz der Kommunikation komme dies insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Letztlich ließ das Gericht aber die Frage offen, ob in allen privat betriebenen öffentlichen „Foren" das Demonstrationsrecht gewährt werden muss. Damit ist das Urteil ein wichtiger Schritt für die Grundrechtsgewährleistung in Zeiten der Privatisierung (einstmals) öffentlicher Räume, dem hoffentlich weitere folgen werden.

Anne Klär, Bremen