Kein neuer Ausweg

Nach wie vor steckt die Gentechnikpolitik der Europäischen Union fest. Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten kommen beim Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen auf keinen gemeinsamen Nenner.

Uneinigkeit über die Zulassung des gentechnisch veränderten (gv) Mais MON810 und anderer gv-Pflanzen und eine schwere Glaubwürdigkeitskrise bei der wichtigsten Institution der EU für die wissenschaftliche Bewertung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA - das sind nur zwei aktuelle Beispiele für die Art von Baustellen, die die EU-Gentechnikpolitik in den letzten Jahren nach und nach hervorgebracht hat.  Ob ein Ausweg aus dem Dilemma der festgefahrenen Uneinigkeiten gefunden werden kann, schien vielen PolitikerInnen und KritikerInnen in der letzten Zeit daran zu hängen, ob eine Einigung in der Frage der Re-Regionalisierung von Entscheidungen über den Anbau von GVO gelingt.(1)       

Die Hoffnung, dass auf EU-Ebene ein Rahmen konstruiert werden kann, in dem die Mitgliedstaaten selbst über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihren Territorien entscheiden können, hat jetzt allerdings einen herben Dämpfer bekommen: Die Regierung Dänemarks, die bis Ende Juni  die Ratspräsidentschaft innehat, scheiterte mit ihren Vorschlägen zu diesem Thema an den unterschiedlichen Positionen der Staaten im Rat der Umweltminister.(2) Der eine war besorgt, ob die Welthandelsorganisation mitspielen würde, die nächste sieht im Falle der Umsetzung das Ende des gemeinsamen Marktes gekommen - von einem Kompromiss oder gar Einigkeit keine Spur.

Dabei hätte der Vorschlag, den die dänische Regierung bereits zu Beginn ihrer EU-Ratspräsidentschaft gemacht hatte, durchaus eine Grundlage für einen Kompromiss geboten. Denn danach sollte die Entscheidung für oder gegen gv-Pflanzen zwar im Grundsatz bei den Mitgliedstaaten liegen. Zugleich sollte die derzeitige Regelung einer EU-weiten Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen beibehalten werden. Vereinfacht gesagt sah der Vorschlag folgende Regelung vor: Will ein Mitgliedstaat zum Beispiel keinen Anbau des gv-Mais’ MON810 innerhalb seiner Grenzen, hätte er sich mit dem US-Konzern darauf einigen müssen, dass dieser für eben dieses Land keine Vertriebsgenehmigung beantragt. Eine Re-Regionalisierung der Entscheidung über den Anbau hätte also bilaterale Verhandlungen zwischen Mitgliedsstaaten und Gentech-Konzernen bedeutet - ein Umstand , der bei Umweltorganisationen auf Kritik stieß.(3)

Lässt Kommissar Dalli nun neue gv-Pflanzen zu?

Nun wird befürchtet, dass die EU-Kommission die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen vorantreibt, ohne auf eine Einigung bei der Re-Regionalisierung zu warten: In den Zulassungs-Verfahren liegt der Ball bei ihr. Können sich die Mitgliedsländer hier nicht einigen, ist am Ende die Kommission zur Entscheidung berechtigt. So war es auch im Falle der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel des deutschen BASF-Konzerns. EU-Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli hatte sie im März 2009 zum Anbau zugelassen. Und Dalli hat in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass er genau das auch wieder tun wolle. Aktuell stehen bis zu sechs verschiedene gentechnisch veränderte Pflanzen für die Zulassung zum Anbau an. Kritiker bemängeln unter anderem, dass die gv-Pflanzen in dem wesentlichen, von der EFSA verwalteten Verfahren zur Risikobewertung weiterhin nicht intensiv genug untersucht werden. Im Dezember 2008 hatten die EU-Umweltminister eine deutliche Verbesserung des Risikobewertung angemahnt.

 

Christof Potthof ist Mitarbeiter im Gen-ethischen Netzwerk und Redakteur des Gen-ethischen Informationsdienstes.

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Fußnoten:

(1)            Die EU-Kommission und der so genannte Lepagé-Bericht, in dem das EU-Parlament sich grundsätzlich für eine Re-Regionalisierung der Entscheidung über den Anbau von GVO ausgesprochen hatte, haben eine Re-Regionalisierung befürwortet. Siehe zum Beispiel den Beitrag „Mitgliedstaaten mit mehr Macht“ im GID 207, August 2011. Im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de.

(2)            Siehe Pressemitteilung des EU-Umweltrates, 11.06.12, im Netz unter: www.consilium.europa.eu.

(3)            Siehe Pressemitteilung vom 09.03.12 der europäischen Sektion der Umweltorganisation Friends of the Earth, im Netz unter www.foeeurope.org.