Die Bundesregierung als Anti-Antifa

Die Bundesregierung hat dem so genannten Linksextremismus den Kampf angesagt. Große Wirkung entfalten ihre Programme aber noch nicht.

in (28.09.2012)

„Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Islamismus, treten wir entschlossen entgegen“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und FDP. Die Koalitionspartnerinnen versprachen die Aufgabenfelder der Präventions- und Aussteigerprogramme auszuweiten - auf jede Form von Extremismus, also auch auf Linksextremismus und Islamismus.

 

Linksextremismus – das unbekannte Dritte

Wenig später verkündete Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (heute: Schröder) noch 2010 zwei Millionen Euro für Maßnahmen gegen Linksextremismus und Islamismus ausgeben zu wollen. Diese Zahl musste im Juli korrigiert werden, als das Familienministerium ankündigte, aus Mangel an geeigneten Angeboten nur vier Modellprojekte mit einem Budget von insgesamt 400.000 Euro zu starten. Dem Thema Linksextremismus wollen sich die Stiftung Europäische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar (EJBW) und der Jugendhof Scheersberg annehmen. Konkrete Maßnahmen sind bisher noch nicht bekannt, was nicht zuletzt daran liegen könnte, dass man sich noch nicht darüber im Klaren ist, was unter „Linksextremismus“ genau zu verstehen ist. "Im Gegensatz zum Rechtsextremismus gibt es im Bereich Linksextremismus deutlich weniger wissenschaftliche Erkenntnisse", sagte eine Sprecherin des Familienministeriums gegenüber der taz. Daher fließe ein Großteil der Gelder momentan in die Forschung – was auch immer das heißen mag.

 

Gleichzeitig werden aus dem Topf der „Initiative Demokratie stärken“ auch Veranstaltungen gegen „Linksextremismus“ gefördert, deren wissenschaftliche Fundierung bezweifelt werden darf. Die Junge Union Köln, Nachwuchsorganisation der CDU, ließ sich beispielsweise eine Fahrt nach Berlin vom Familienministerium bezahlen. Das Motto lautete: "Wir fahren nach Berlin - gegen Linksextremismus". Auf dem Programm standen neben der Besichtigung der Berliner Mauer und dem Gespräch mit einem Bundestagsabgeordneten auch der Besuch eines besetzten Hauses. Letztlich wurde dieser Programmteil doch wieder abgesagt.

 

Für das nächste Jahr sind fünf Millionen Euro für den Bereich Linksextremismus und Islamismus vorgesehen. Diese sollen über das Sammelprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ vergeben werden, das auch die bisherigen Programme gegen Rechtsextremismus, „Vielfalt tut gut“ (19 Mio. Euro) und „Kompetent. Für Demokratie“ (fünf Mio. Euro), unter sich vereinen soll.

 

Extremismustheorie zur Verteidigung der Demokratie

Dieses Handeln der Bundesregierung knüpft an die Extremismustheorie an, die in der Politikwissenschaft sehr umstritten ist. Sie geht davon aus, dass Rechts- und Linksextremismus (teilweise auch Islamismus), gleichermaßen die Demokratie gefährden. Die Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und Uwe Backes, zwei Hauptverfechter der Theorie, verstehen unter Extremismus eine „Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen [...], die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen“. Abgesehen davon, dass die Zuordnung oft nach fragwürdigen Kriterien vonstatten geht, werden bei der Verwendung des Begriffs wesentliche Unterschiede zwischen Linken und Rechten, zum Beispiel in den Zielvorstellungen und Idealen, nicht berücksichtigt. Aufgrund dieser und weiterer Kritikpunkte wurde die „Extremismuspolitik“ der Bundesregierung insbesondere von den Oppositionsparteien mehrfach angegriffen.

 

Dabei wird die Meinungsfreiheit weniger durch „Bildungsprogramme“ zu Linksextremismus, als vielmehr durch die Stigmatisierung und Benachteiligung von linken AktivistInnen durch Politik und Verfassungsschutz gefährdet. Diese reicht bis zur Forderung, dass antifaschistische Initiativen, die öffentliche Gelder beantragen, vorher grundsätzlich vom Verfassungsschutz auf ihre Treue zum Grundgesetz überprüft werden sollen. Der Vorschlag, der inzwischen nicht mehr offiziell vom Familienministerium unterstützt wird, wurde jetzt durch eine mildere Variante ersetzt. Demnach sollen Initiativen eine Erklärung abgeben, in der sie sich zur „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ bekennen.

 

Bei der diesjährigen Verleihung des Sächsischen Demokratiepreises durch die Amadeu Antonio Stiftung und das Land Sachsen, wurde den GewinnerInnen bereits eine solche Erklärung abverlangt. Die PreisträgerInnen mussten sich zudem verpflichten, ihre PartnerInnen auf „Extremismus“ überprüfen, zum Beispiel durch Anfragen bei Verfassungsschutzbehörden. Der Pirnaer Verein AkuBiZ lehnte deswegen den Preis ab und begründete seine Entscheidung in einer Erklärung: „Wir aber wählen seit Jahren unsere Partner_innen danach aus, ob sie humanistische Grundsätze teilen, sich gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen. Wir glauben, dies auch besser einschätzen zu können, als der Verfassungsschutz, dem Gerichte wiederholt attestierten, fehleinzuschätzen.“

(geschrieben im Dezember 2010)