Die Partei DIE LINKE und der Nahostkonflikt

Probleme einer (Nicht-)Haltung

in (10.11.2016)

Dass kaum ein anderes Thema die deutsche Linke so sehr spaltet wie die Frage des Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern, stellt mittlerweile keine besonders neue Erkenntnis dar. Die Brisanz dieser Frage erfasste bekanntlich in den letzten Jahren auch die größte Partei der Linken in Deutschland, die Partei DIE LINKE. Seit ihrer Gründung ist die Partei Schauplatz intensiver Auseinandersetzungen in dieser Sache, die Kernfragen ihres politischen Selbstverständnisses direkt betrifft. Die Debatten werden entlang dreier konkreter Politikfelder ausgetragen.

Beim ersten Politikfeld handelt es sich um die Frage der Einreihung der Partei in den außenpolitischen Konsens der anderen Bundestagsparteien, der neben einer Verpflichtung zu Auslandseinsätzen, zur EU und zur NATO auch ein Bekenntnis zum besonderen deutsch-israelischen Verhältnis beinhaltet. Hier wird die Frage in den Kontext des Institutionalisierungsprozesses einer relativ jungen Partei gestellt.

Zum zweiten geht um die allgemeine Frage der Zulässigkeit einer Kritik der staatstragenden Ideologie Israels, des Zionismus,1 angesichts der besonderen deutschen Erfahrung mit dem Antisemitismus. Hinzu kommt in den letzten Jahren auch die Problematik eines antimuslimischen Rassismus, der ebenfalls wie der Antisemitismus im Zusammenhang des genannten Konfliktes zu diskutieren ist.

Schließlich geht es um die Frage der Positionierung einer der wichtigsten linken Parteien weltweit gegenüber einer sich im Aufwind befindenden globalen Solidaritätsbewegung zu Palästina. Als deren wichtigster Bestandteil ist die Kampagne für einen Boykott, Abzug von Investitionen und Sanktionen gegen Israel (BDS) zu nennen. Dazu gehören Diskurse über alternative Lösungsansätze jenseits des Paradigmas einer Zweistaatenlösung.

In diesem Text sollen die Auseinandersetzungen zu Nahost innerhalb der LINKEN entlang dieser Felder geschildert werden. Die wichtigsten Positionen und ihre Begründungen sollen erläutert werden, ebenso wie die Probleme, die die bisherige Haltung der Partei zum Konflikt mit sich bringt.

Die LINKE und der Nahostkonflikt: Eine kurze Geschichte

Die Linkspartei formierte sich zwischen 2005 und 2007 als pluralistisches Amalgam verschiedener linker Traditionen aus Ost- und Westdeutschland. Der Parteibildungsprozess umfasste östliche „Postkommunisten“ aus der ehemaligen PDS, linke Exsozialdemokraten und Gewerkschaftsfunktionäre aus dem Westen, „radikale Alternative“ aus den neuen Bundesländern, Trotzkist(inn)en aus Organisationen wie Marx21, zuvor bei den Grünen angesiedelte Friedensbewegte sowie eine große Zahl von Neupolitisierten aus den globalisierungskritischen und Antikriegsbewegungen. Die Partei hat zwei Herzen. Zum einen das Streben nach Legitimität und Inklusion in den bundesweiten politischen Prozess, typischerweise seitens Teilen der ehemaligen PDS. Zum anderen ein Impetus nach Abgrenzung von einer marktliberalen Sozialdemokratie sowie militärinterventionistischen Grünen vor allem im Westen.

Seit der Gründung kam es wiederholt zu vereinzelten, jedoch medienwirksamen parteiinternen Diskussionen zu Nahost. Diese spitzten sich immer vor dem Hintergrund bestimmter Ereignisse in der Region zu (Libanon-Krieg 2006, Gaza-Krieg 2008/09, Angriff auf die Gaza-Flottille 2010, Gaza-Krieg im Sommer 2014). Wichtige Mitglieder der Partei nahmen 2010 Teil an der Gaza-Flottille, während andere wie der frühere Duisburger OB-Kandidat der Partei Verständnis für die BDS-Kampagne äußerten. Auf der anderen Seite geriet die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung in die Schlagzeilen, als sie 2010 unter dem Druck proisraelischer Kräfte ihre Räumlichkeiten, anders als geplant, für einen Vortrag des jüdisch-amerikanischen Israelkritikers Norman Finkelstein verweigerte. Wichtige Persönlichkeiten wie die zur Zeit amtierende Parteivorsitzende Katja Kipping2 und der Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke3 meldeten sich auch mit Beiträgen und sogar Büchern zur Debatte zu Wort.

Die konträren Dynamiken während der gesamten Formierungsphase prallten im Sommer 2011 aufeinander. Nach der Vorveröffentlichung einer Studie, die der Partei einen „antisemitischen Antizionismus“ attestierte,4 wuchs der Druck auf sie seitens anderer Parteien und der Medien. In einer Sitzung der Linksfraktion im Bundestag im Juni wurde ein faktisches Verbot von Diskussionen über die BDS-Kampagne, die Einstaatenlösung sowie über einen möglichen zweiten Anlauf der Gaza-Flottille verhängt.5 Viele Abgeordnete boykottierten die Abstimmung, fanden sich letztlich aber mit ihr ab, um die Stabilität der Parteiorganisation nicht zu gefährden.6 So lässt sich feststellen, dass angesichts der Feindseligkeit gegenüber der Partei von außen ihre bisherige Positionierung zum Konflikt zum großen Teil eine reaktive ist.

Jenseits dieser parteiinternen Streitereien hält die Linkspartei ähnlich wie die anderen Bundestagsparteien am Modell der Zweistaatenlösung fest. Darüber hinaus unterstützt sie gemäß ihrer antimilitaristischen Grundhaltung das Ende aller Waffenlieferungen in den Nahen Osten sowie die Kennzeichnung von Produkten aus jüdischen Siedlungen auf besetztem Gebiet.7 Bestimmte palästinensische Forderungen werden unterstützt, solange diese nicht auf einen „totalen“ Boykott Israels abzielen oder das Prinzip der Zweistaatenlösung antasten.

Im Zuge der heftigen Debatten zum Thema verankerte die LINKE in ihrem Grundsatzprogramm das Existenzrecht Israels, und zwar nicht im Bereich der Außenpolitik, sondern in ihrem politischen Selbstverständnis und im Zusammenhang mit den Begriffen des Antifaschismus und des Antirassismus.8 Ob dieses Existenzrecht abstrakt-existenziell, völkerrechtlich oder wie im ursprünglichen Sinne demographisch aufgefasst wird,9 wird im Programm nicht erläutert.

Die politische Geographie der LINKEN-Nahostdebatte

Schenkt man der Medienberichterstattung Glauben, käme man leicht zu dem Schluss, bei der Nahostdebatte der LINKEN gehe es ausschließlich um die Kernfrage von „Regieren versus Opponieren“: östliche „Reformer“ gegen westliche „Fundis“. Doch die Realität ist viel komplexer. Bei den verschiedenen Positionen zeigen sich teilweise überlappende realpolitische, bewegungspolitische sowie ideologische Motivationen. Konkret kann die Rede von vier groben Lagern in der Debatte sein.

Zuerst handelt es sich um regierungsorientierte Berufspolitiker(innen), vor allem (aber nicht nur) aus dem Umfeld der Strömung „Forum Demokratischer Sozialismus“. Die tendenziell israelfreundliche Nahostpositionierung ist hier eher realpolitisch als ideologisch motiviert, auch wenn sie im Zeichen einer Abrechnung mit der propalästinensischen DDR-Vergangenheit steht.

Das überrascht nicht, gehen doch von dieser Strömung die meisten Versuche zur Erprobung von Schnittstellen mit den Parteien SPD und Grüne im Bereich der Außenpolitik aus.10 Das positive Verhältnis zu Israel ist als Teil dieses Prozesses zu betrachten.

Darüber hinaus existieren bewegungsorientierte libertäre „Radikalalternative“ aus den neuen Bundesländern, vor allem aus dem Umfeld der Strömung „Emanzipatorische Linke“. In diesem eher jüngeren Milieu herrscht eine vorwiegend israelsolidarische Haltung, die vor allem die Problematik eines mit dem Nahostkonflikt verflochtenen Antisemitismus in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Auch wenn sich Individuen aus diesem Milieu in explizit proisraelischen Zusammenschlüssen wie dem BAK Shalom engagieren, wird hier vor allem die Sprache des Friedens und der Symmetrie angewendet. 11

Auf der „anderen Seite“ der Debatte steht ein breites Spektrum innerhalb der linken Strömungen „Sozialistische Linke“ und „Antikapitalistische Linke“. Ihre Angehörigen wurden vielfach in orthodox kommunistischen Traditionen sozialisiert. Die israelische Besatzungspolitik wird aus der Perspektive des für die Partei identitätsstiftenden Begriffes des Völkerrechts kritisiert. Bevorzugt wird hier vor allem die Zweistaatenlösung. Diese Haltung kommt auch in den offiziellen Stellungnahmen der Partei zum Konflikt am häufigsten zum Ausdruck. Die innerparteiliche Auseinandersetzung wird von diesem Lager eher programmatisch geführt.

Schließlich gibt es ein weiteres Milieu, das ebenfalls in den zuvor erwähnten Strömungen angesiedelt ist. Es unterscheidet sich jedoch von der dritten Gruppe durch eine größere Vernetzung mit der globalen Solidaritätsbewegung und Ansätzen wie BDS. Die Identifikation erfolgt mit der palästinensischen Zivilgesellschaft und weniger mit der PLO. Die Auseinandersetzung wird von diesem Lager eher bewegungspolitisch geführt.

Aus dieser Darstellung wird offensichtlich, dass das positive Verhältnis zu Israel von Berufspolitiker(inne)n sowie das von Angehörigen aus dem libertären Flügel jeweils unterschiedliche Ausgangspunkte hat. Im mit Palästina solidarischen Lager sind Nuancen zwischen den Positionen zu beobachten, die auch die wachsende Kluft zwischen der BDS unterstützenden Solidaritätsbewegung und der von der Fatah angeführten PA widerspiegeln. Während sich so manche Außenpolitiker(innen) der Partei an der PA orientieren, werden von anderen die Meinungen von Basisaktivist(inn)en stärker berücksichtigt, die die PA als eine Kollaborateurin Israels empfinden.

Aus diesen verschiedenen, oft konträren Ansätzen geht ein struktureller Drang nach „mittleren Positionen“ hervor, die auch die Meinung der Mehrheit derjenigen Parteimitglieder widerspiegeln, die sich aufgrund des destruktiven Potenzials der Debatte von derselben fernhalten. Diese Positionen weisen Elemente einer kollektiven Identität auf. Sie schlagen sich in den programmatischen Erklärungen der Partei zum Konflikt nieder, die wiederum von Widersprüchlichkeiten geprägt sind.

Jenseits also des medial vermittelten Bildes ist die linke Nahostdebatte durchaus komplexer und durch sozialisationsbedingte Differenzierung innerhalb ihrer „Kernlager“ gekennzeichnet. Während sich somit das erste und das dritte Lager vor allem im Rahmen der Debatte um die parteipolitische Programmatik konstituiert haben, weisen das zweite und das vierte Lager Ähnlichkeiten auf, was den Ursprung im Bereich sozialer Bewegungen angeht. Die Hervorhebung dieser Unterscheide ist wichtig, denn die ideologische Ausrichtung vieler Akteure widerspiegelt nicht zwangsläufig das reale Handeln im innerparteilichen Machtgefüge.12

Eine Frage der Institutionalisierung

Einer der Vorwürfe aus dem linken Flügel, an die Reformer gerichtet, lautet, die Nahostfrage werde mit Blick auf eine Regierungsbeteiligung zum Zweck der Disziplinierung der Linken in der LINKEN instrumentalisiert.13 Erzielt werden soll demnach ein Aufweichen der außenpolitischen Positionen der Partei. Aus dem libertären Spektrum der Partei wird teilweise mit dem Argument gekontert, Israel sei für die deutsche Außenpolitik im Gegensatz zu EU oder NATO nicht entscheidend.14 Am präzisesten hat den direkten Zusammenhang Gregor Gysi formuliert, als er 2008 offen von der Notwendigkeit der Anerkennung eines ungeschriebenen Staatsräson-Prinzips sprach,15 um die Partei regierungsfähiger zu machen.16

Tatsächlich ist Israel für den Prozess der „außenpolitischen Normalisierung“ der Bundesrepublik17 von ausschlaggebender Bedeutung. Das Bekenntnis zu Israel diente historisch der Reintegration der Bundesrepublik in die Staatengemeinschaft. Heute erfüllt es vordergründig den Zweck der moralischen Unterfütterung einer zunehmend selbstbewussten deutschen Rolle in der Welt. Mit seinen neuralgischen Konnotationen fungiert es als Eintrittskarte in den legitimen politischen Diskurs und gilt als fester Bestandteil der zeitgenössischen politischen Kultur der Bundesrepublik.

Doch Israel ist nicht nur einer der Zufluchtsorte von jüdischen Holocaustüberlebenden. Es ist gleichzeitig ein Staat, der sich seit Jahrzehnten durch seine Politik gegenüber den Palästinenser(inne)n ins Abseits völkerrechtlicher Normen stellt. In einer Epoche, in der Staaten ihre geopolitischen Partikularinteressen weniger realpolitisch, dafür aber unter Verweis auf das „kleinere Übel“ der Gewaltanwendung oft moralisch legitimieren,18 ergeben sich aus diesem über jeglichem Recht stehenden Bekenntnis zu Israel Handlungsimperative, die auch auf andere Fälle theoretisch anwendbar sind. Dazu gehören vor allem „humanitär-interventionistisch“ begründete Kapitel-VII-Einsätze,19 die jedoch im Widerspruch zum Selbstverständnis der LINKEN als „internationalistische Friedenspartei“20 stehen.

Dass Kräfte in der LINKEN eine Kursänderung in der Nahostfrage einleiten wollten, sollte demnach nicht verwundern. Die Partei muss mit der Möglichkeit einer künftigen Regierungsbeteiligung rechnen, denn der Wunsch nach Mitgestaltung als „linkes Korrektiv“ wird nicht zuletzt von vielen Wähler(inne)n geteilt. So sind diese Kräfte zwangsläufig darauf angewiesen, die Widersprüche zwischen Programmatik (Friedenspolitik) einerseits sowie Anforderungen möglicher Koalitionspartner andererseits (Staatsräson) abzumildern. Aus diesem Blickwinkel gesehen, spielen Prozesse der Institutionalisierung in der Frage sehr wohl eine entscheidende Rolle.

Dazu ist hier eine besondere Qualität hervorzuheben, die diese Prozesse bestärkt. Denn die stetig wachsende Erosion der Bindungen von Wähler(inne)n an Parteien in einer politikverdrossenen „Postdemokratie“21 geht mit einer Situation einher, in der letztere dazu neigen, sich zunehmend im Bereich des Staates abzuschotten. Sie weisen somit mehr Ähnlichkeiten untereinander auf als mit ihrer Wählerschaft.22 Auch die LINKE ist als weitgehend professionalisierte Partei dagegen nicht immun. Noch mehr als die Innenpolitik erscheint die im EU- und NATO-Rahmen eingebettete Außenpolitik als ein von Sachzwängen durchzogenes Feld. Die Spielräume scheinen für die LINKE hinsichtlich der Koalitionsarithmetik in dieser Frage nahezu verschlossen zu sein.

Der Versuch eines Teils der LINKEN, sich zumindest teilweise mit der Staatsräson zu identifizieren, um dieses Dilemma zu überwinden, erscheint somit mehr als verständlich. Dies geschieht durch die Platzierung des Bekenntnisses zu Israel im Kontext des Antifaschismus und einer notwendigen Abkehr vom „linken Antizionismus“ sowie vom „Antiimperialismus“.23 Eine Kontextualisierung dieser Art ist schließlich auch erforderlich, um der Position eine linke Legitimation zu verleihen.

Trotzdem verkommt die Frage oft zum Objekt der verschiedenen Richtungskämpfe. So wurden Angehörige des linken Flügels, der einer außenpolitischen Anpassung ablehnend gegenübersteht, aufgrund eines palästinasolidarischen Engagements in die Nähe des Antisemitismus gerückt.24 Es gibt zwar keine Beweise eines bewussten Zusammenschlusses zwischen Medien und parteiinternen Akteuren zum Zweck der Delegitimierung der Linken in der LINKEN, es kann aber gleichzeitig schwer geleugnet werden, dass die politischen Resultate, die sich aus diesen periodischen Vorwürfen ergeben, faktisch denjenigen Kräften zugute kommen die eine Neudefinition politischer Grundpositionen in der Außenpolitik anstreben. Hier wäre es passender, statt von einer Instrumentalisierung der Nahostfrage von sich gegenseitig ergänzenden Dynamiken zu sprechen.

Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus im Konfliktdiskurs

Die Sensibilität des Antisemitismusvorwurfes kann nicht ohne die Berücksichtigung gesellschaftlicher Zustände erklärt werden. Was Antisemitismus im Allgemeinen angeht, sollte zuerst angemerkt werden, dass die Wähler(innen) der Linkspartei in den Umfragen des Projektes „Die Mitte im Umbruch“ nicht schlechter als diejenigen von Parteien wie die CDU oder SPD abschneiden.25 Noch wichtiger hinsichtlich des behaupteten Zusammenhangs von Israel-Kritik und Antisemitismus ist das Ergebnis einer Umfrage der Universität Konstanz, die ergab,26 dass die Wähler(innen) der LINKEN sowie der Grünen überdurchschnittlich eine menschenrechtsbasierende Israel-Kritik zum Ausdruck bringen. Jenseits der Existenz eines gewissen antisemitischen Potenzials wie bei allen Parteien – was angesichts des gesellschaftlichen Charakters des Antisemitismus nicht überraschen sollte – kann ein konfliktbezogener Antisemitismus seitens der Basis, der wiederum von Politiker(inne)n der LINKEN getragen wird, quantitativ gesehen nicht festgestellt werden.

Im Laufe der innerparteilichen Nahostdebatte wurden trotzdem (oder vielleicht deswegen) Versuche unternommen, Definitionen eines solchen Antisemitismus entweder anzuwenden oder zu konzeptualisieren.27 Doch viele dieser Definitionen, etwa die Theorie eines „neuen Antisemitismus“ 28 oder die nicht mehr verwendeten EUMC-Kriterien,29 gelten als politisch vorbelastet.30 In der Tat gleicht der Versuch einer solchen Definition einer unmöglichen Aufgabe. Denn die homogenisierende Identifikation von Judentum und Zionismus geht in vorderster Linie nicht von palästinasolidarischen Aktivist(inn)en – die in ihrer Argumentation oft auf die Existenz jüdischer Dissidenten in Israel hinweisen – aus, sondern vom Staat Israel als selbsterklärtem jüdischen Staat.

Im Allgemeinen leidet in Bezug auf die Frage des Antisemitismus die Nahostposition der LINKEN, wie sie im Juni 2011 formuliert wurde und durch diverse Beiträge begründet wurde, an drei wichtigen Schwächen. Im Mittelpunkt der innerparteilichen Ablehnung eines linken Antizionismus steht zum Beispiel das Postulat, Auschwitz habe diesem für immer die Legitimation entzogen.31 Doch gerade weil die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität sich so vergrößert hat, vertieft sich in den letzten Jahren auch eine innerjüdische Legitimationskrise des Zionismus.32 Ein Ergebnis davon ist nicht zuletzt eine militante jüdische Solidarität mit den Palästinenser(inne)n in Ländern wie den USA, die von Kritik bis hin zur Anwendung von Boykottmaßnahmen gegen Israel reicht. Die von Teilen der LINKEN propagierte Ablehnung eines linken Antizionismus durch die Erhebung des Zionismus zum einzig legitimen jüdischen Narrativ nach 1945 untergräbt somit ihren eigenen anti-antisemitischen Anspruch. In zugespitzten Fällen führt dies zu Situationen, wo deutsche Linke jüdische Gleichgesinnte in die Nähe des Antisemitismus rücken.33

Ein weiterer Widerspruch betrifft die BDS-Kampagne. Die LINKE unterstützt bereits die Kennzeichnung von Produkten aus illegalen jüdischen Siedlungen, was faktisch einem impliziten Boykott gleichkommt. Warum soll jedoch der Boykott israelischer Produkte eine antisemitische „Dämonisierungsdynamik“ zur Folge haben,34 ein Boykott von ebenfalls israelischen Siedlungsprodukten seitens einer deutschen Partei aber nicht? Diese Debatte verbirgt nicht zuletzt die Tatsache, dass die BDS-Kampagne in Deutschland bereits Erfolge erzielt hat,35 ebenso die Tatsache, dass sie in ihrem Selbstverständnis die strategische Bedeutung einer Kontextsensibilität hervorhebt.36 Die Ablehnung von BDS scheint somit weniger das Resultat einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Kampagne zu sein als das von deutschen Befindlichkeiten in Anbetracht der Konnotationen des Begriffes „Boykott“.37

Des Weiteren muss der an Angehörige des linken Flügels gerichtete Vorwurf der Verbrüderung mit antisemitischen Kräften wie im Rahmen der Free Gaza Flottille38 unter einem differenzierten Blickwinkel betrachtet werden. Dass Antisemitismus in der arabischen sowie muslimischen Welt existiert, ist bekannt. Ebenso ist aber bekannt, dass seine Intensität zum allergrößten Teil dem sehr realen Nahostkonflikt geschuldet ist.39 Die reflexhafte Anwendung des in Deutschland sensiblen Antisemitismusvorwurfes auf den Nahostkonflikt riskiert somit die Ausblendung unterschiedlicher historischer Kontexte und Dynamiken. Sie macht einen arabischen bzw. islamischen Antisemitismus implizit zum Hauptverantwortlichen für die Abwesenheit eines Friedens in der Region und blendet damit geopolitische Interessen und höchst asymmetrische Kräfteverhältnisse im Konflikt aus. Schließlich wird durch diese teils selektive Erzählung die Tatsache verschwiegen, dass es der hegemoniale rechte Block in Israel ist, der in den letzten Jahren Verbindungen zu europäischen rechten Kräften aufbaut, die nicht selten durch eine antisemitische Vergangenheit belastet sind.40

Innenpolitisch offenbaren sich bei diesem Aspekt Schwierigkeiten, die mit der Frage der Existenz eines salonfähigen antimuslimischen Rassismus in Verbindung stehen. Zunehmend werden Muslim(inn)e(n) in Deutschland aufgrund ihrer Palästina-Solidarität dem stigmatisierenden Antisemitismusvorwurf ausgesetzt. Das Hineinprojizieren der eigenen negativen Eigenschaften wie Antisemitismus, Sexismus und Homophobie auf muslimische Menschen gilt als Grundmerkmal des antimuslimischen Rassismus.41

Zwar sind mit Ausnahme orientalistischer Denkmuster innerhalb von Zusammenschlüssen wie dem BAK Shalom42 keine islamophoben Äußerungen seitens relevanter Politiker(innen) der LINKEN zu registrieren. Doch die demonstrative Weigerung von Spitzenpolitiker(inne)n der Partei, an Antikriegsdemonstrationen teilzunehmen, uzw. unter Verweis auf antisemitische Parolen einer Minderheit (selbst diskriminierter) muslimischstämmiger Jugendlicher,43 signalisiert nicht nur eine mangelnde Bereitschaft, sich mit den Ursachen dieses realen sozialen Problems44 auseinanderzusetzen. Sie reiht sich dazu in einen parteiübergreifenden nationalen Diskurs ein, in dem die grundsätzliche Solidarität zu Israel – unabhängig von der Präsenz eines Antisemitismus in der Israel-Kritik – zunehmend als Lackmustest für den Eintritt ins deutsche Kollektiv fungiert.45 Verdeutlich wurde dies zuletzt in der Debatte über einen Antisemitismus von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Krisengebieten, der eine Obergrenze erforderlich mache.46

Die Instrumentalisierung eines sich vom Gegenstand verselbständigten Antisemitismusvorwurfes47 fördert somit die generell islamfeindliche Stimmung in der Gesellschaft und wird wiederum von dieser weiter angeheizt. Das gegenseitige Ausspielen von Antisemitismus und Islamophobie ist jedoch nicht nur allgemein für den antirassistischen Kampf schädlich; durch die Hintertür der akzeptablen Islamophobie schleust sich der nach 1945 tabuisierte Antisemitismus in die Mitte der Gesellschaft ein.48

Zweistaatenlösung vor dem Aus – was dann?

Wie anfangs erwähnt, unterstützt die offizielle Linkspartei die Zweistaatenlösung bei kategorischer Ablehnung anderer Ansätze wie der Forderung nach einem einheitlichen Palästina. Jahrzehntelang verfolgte die palästinensische Nationalbewegung dieses antikolonial aufgefasste Ziel. Dessen frühere Radikalität leitete sich aus der bloßen Tatsache ab, dass bis zum Ausbruch der Ersten Intifada 1987 die Rede von einem palästinensischen Staat gar nicht sein durfte.

Doch das Scheitern des Oslo-Prozesses, der andauernde Bau jüdischer Siedlungen sowie die Blockade des Gazastreifens verringern tagtäglich die Perspektiven auf einen lebensfähigen palästinensischen Staat. Es erscheint als Widerspruch, dass alle wichtigen Spieler im Konflikt sich dauernd zur Zweistaatenlösung bekennen, gleichzeitig aber keinerlei Maßnahmen gegen die israelische Regierung in Erwägung ziehen, die diesen Ansatz mit ihren Handlungen untergräbt. Die Zweistaatenlösung ist heute zur Ideologie par excellence einer Unwilligkeit der „internationalen Gemeinschaft“ geworden, ernsthafte Schritte gegen die israelische Besatzungspolitik zu unternehmen.

Vor allem die EU findet sich mit der Rolle eines bloßen Finanziers palästinensischer Institutionen ab. Dies hat jedoch als Ergebnis, dass Israel seine völkerrechtliche Verpflichtung vermeidet, für das Wohl der Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu sorgen.49 So verkommt die EU zum de facto, wenn auch unerklärten Förderer der Besatzungspolitik. Als Geldgeber der autoritär regierenden PA und gleichzeitiger Waffenlieferant Israels ist die Bundesrepublik in diese Situation besonders verwickelt. Dies verleiht den Aufgaben der Linken hierzulande ähnlich wie im Fall der Unterdrückung der Kurd(inn)en durch die türkische Regierung oder der deutschen Lieferung von Waffen an autoritäre Regime wie die saudiarabische Monarchie eine besondere Dringlichkeit.

Die Situation der Abwesenheit eines nennenswerten Drucks auf Israel bildete schließlich den Hintergrund für die 2005 von der palästinensischen Zivilgesellschaft ausgerufene BDS-Kampagne. Ergänzend dazu, verfügen die verschiedenen Diskurse zu einer Einstaatenlösung über eine materielle Basis in der aktuellen Unmöglichkeit einer Zweistaatenlösung. Dabei muss hervorgehoben werden, dass die Brisanz des BDS-/One-State-Referenzrahmens nicht unbedingt in der realen Wirkung der Maßnahmen bzw. Lösungsansätze liegt. Während die durch die Boykottmaßnahmen verursachten wirtschaftlichen Kosten für Israel zur Zeit noch tragbar sind, ist der politische Rückhalt für einen gemeinsamen und auf Gleichberechtigung basierenden Staat aktuell gering, sowohl in der israelischen als auch in der palästinensischen Gesellschaft. Die Bedeutung liegt eher woanders: Jahrelang konnte der israelische Staat durch den Oslo-Prozess und das damit verbundene Versprechen eines palästinensischen Staates seine Rolle als realexistierende Besatzungsmacht ausblenden und so internationales Ansehen wahren. Durch die Betonung des normativen Aspektes der Gleichberechtigung haben BDS-Bewegung und Diskussionen über einen einheitlichen Staat diese diskursive Trennung aufgehoben und die Frage der Rechenschaftspflicht über andauernde Menschenrechtsverletzungen neu aufgestellt. Hierin liegen höchstwahrscheinlich auch die Gründe für die aktuellen Versuche Israels, die BDS-Bewegung in westlichen Ländern durch geldaufwändigen Lobbyismus zu kriminalisieren,50 nach einer ursprünglichen Phase des eher entspannten Umgangs.

Das 2011 dekretierte Verbot einer internen Diskussion über BDS und alternative Lösungsansätze gleicht der Weigerung der Linkspartei, sich mit den Ursachen des aktuellen Stillstands im Konflikt auseinanderzusetzen. Als eine im internationalen Vergleich relevante linke Partei riskiert somit die LINKE ihre Isolation von einer globalen Linken, die sich mit dem palästinensischen Befreiungsanliegen grundsätzlich identifiziert. Diese Identifikation betritt zunehmend die politische Bühne jenseits der radikalen Linken. Die Wahlkampagne von Bernie Sanders in den USA ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Kritik der israelischen Besatzungspolitik auch zunehmend innerhalb einer der zwei großen US-Parteien anzutreffen ist.51 Der jüdischstämmige Kandidat, der bei den Vorwahlen einen Rekordanteil arabischstämmiger Stimmen erhielt, wich erheblich vom überparteilichen Konsens einer kritiklosen Unterstützung Israels ab und schuf damit möglicherweise einen Präzedenzfall. Auch wenn der Grad der Kritik an Israels Besatzungspolitik – sowie die praktischen Schlussfolgerungen dieser – unter Neupolitisierten erheblich variieren, kann in der Tat kaum geleugnet werden, dass solche Verschiebungen auch dem Graswurzelaktivismus von Akteuren etwa der BDS-Kampagne zu verdanken sind.

Fazit: Offener Lernprozess statt offizielle Positionierung als Ausweg

Die Debatte zum Nahostkonflikt innerhalb der LINKEN ist dadurch besonders kompliziert, dass sich Hintergründe verschiedenster Art häufig vermischen. Teilweise muss sie als Ergebnis des Prozesses der Formierung einer kollektiven Identität einer jungen Partei verstanden werden. Die Fronten der Debatte sind vielfältig und lassen sich nicht ausschließlich durch die Dichotomie „Regieren versus Opponieren“ erklären. Hinzu kommen Dynamiken, die aus Prozessen der Institutionalisierung hervorgehen, ebenso wie die diversen Diskussionen über die politischen Schlussfolgerungen aus der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schließlich geht es um den Nahostkonflikt selbst, und im Vordergrund stehen deshalb die Rolle der deutschen Nahostpolitik sowie die Aufgaben, die sich dadurch für eine linke Partei in Deutschland ergeben.

Unter dem Deckmantel kontroverser Diskussionen um neuralgische Begriffe wie „Zionismus“ oder „Antisemitismus“ tritt die Auseinandersetzung mit dem realen Nahostkonflikt in den Hintergrund. Die Versuche der LINKEN, sich an die Gegebenheiten bundesdeutscher politischer Kultur anzupassen sowie eine integrative kollektive Identität zu entwickeln, kollidieren in der Praxis mit dem Anspruch einer internationalistischen Partei des Völkerrechts. Aus einem abstrakten Bekenntnis zu Israel mit Verweis auf die Lehren der deutschen Geschichte entstehen mehrere Widersprüche.

Durch das Redeverbot über alternative Strategien und Lösungsansätze bewegt sich die LINKE faktisch innerhalb des außenpolitischen Konsenses der anderen Bundestagsparteien im Nahostkonflikt. Sie glaubt, damit eine scheinbare Kluft zwischen zwei linken Ansätzen, der Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus sowie der Unterstützung der legitimen Rechte der Palästinenser(innen), überbrückt zu haben. In Wahrheit wird keines der beiden Ziele damit erreicht. Bezüglich des Nahostkonfliktes stellt das kategorische Beharren auf der Zweistaatenlösung keine Herausforderung des aktuellen Status quo dar, dessen ideologische Legitimation gerade auf der Berufung auf diesen zunehmend unrealistischen Ansatz beruht.

Auch eine Akzeptanz des Bekenntnisses der offiziellen Bundesrepublik zu Israel bei Ausblendung möglicher realpolitischer Implikationen dient nicht der Bekämpfung des Antisemitismus. Zwar wird dadurch einerseits das „Mitspielen“ mit anderen Parteien erleichtert, doch wird übersehen, dass der staatstragende Anti-Antisemitismusdiskurs sich zunehmend zum Instrument einer islamophoben Stimmung entwickelt und dabei seinen ursprünglichen antirassistischen Anspruch schwächt. Die LINKE riskiert somit eine Isolation von ethnisch und religiös diskriminierten muslimischen Milieus in Deutschland, was nicht zuletzt reaktionäre Erscheinungen in diesen begünstigt, die den Nahostkonflikt mittels eines islamisierten Antisemitismus deuten.

Wie sollte sich dann eine linke Partei in Deutschland zum Nahostkonflikt verhalten? Es kann zuerst gesagt werden, wie sie sich nicht verhalten sollte. Keine deutsche Partei kann sich erlauben, sich Lösungsvorschläge für einen hochkomplexen Konflikt im Nahen Osten auf die Fahnen zu schreiben, und das schließt die LINKE ein. BDS-Kampagne und der Diskurs über einen einheitlichen Staat sind Produkte einer für die Mehrheit der Palästinenser(innen) hoffnungslosen Situation. Solche Ansätze können von der Linken in Deutschland befürwortet, kritisiert oder abgelehnt werden. Doch ein Redeverbot darüber innerhalb der größten linken Partei Deutschlands entspricht nicht der historischen Mission der Linken, in scheinbar ausweglosen Situationen auf die Existenz von Alternativen hinzuweisen.

Dabei kann die innenpolitische Dimension der Nahostfrage nicht verschwiegen werden. Der Konflikt dient bekanntlich als Projektionsfläche für antisemitische, aber auch antimuslimische Ressentiments, deren Bekämpfung auch angesichts eines erstarkten Rechtspopulismus eine dringende Aufgabe darstellt. Gerade aus diesem Grund kann diese Bekämpfung nicht losgelöst von den asymmetrischen Verhältnissen im Konflikt betrachtet werden, sondern muss letztere als Bestandteil der Analyse mit einbeziehen.

So etwas setzt drei Aufgaben voraus. Erstens eine aktive Nahostdebatte, d. h. eine, deren Verlauf sich nicht von einer feindseligen Umgebung bestimmen lässt. Zweitens eine Anerkennung mehrerer Narrative im Konflikt. Dazu zählen palästinensische Narrative jenseits einer autoritär-neoliberalen PA ebenso wie eine jüdische und zugleich zionismuskritische Ablehnung staatstragender israelischer Politik. Schließlich kann das Endergebnis keine „offizielle Position“ sein, sondern ein offener, kreativer und kritischer Lernprozess. Die Einbeziehung fortschrittlicher Akteure aus der Region sowie aus palästinensischen und israelischen, muslimischen sowie jüdischen Zusammenhängen in der Bundesrepublik wäre ein erster Schritt in diese Richtung.

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1 Als Zionismus soll hier die Ideologie und Praxis der Errichtung und Aufrechterhaltung eines exklusiv jüdischen Staates im historischen Palästina bezeichnet werden. Dieser wird als eine Reaktion zum Antisemitismus, der im Holocaust seinen Höhepunkt erreichte, aufgefasst, die jedoch aufgrund der vorherigen Präsenz einer eindeutig arabischen Mehrheit in ihrer erklärten Zielsetzung zwangsläufig mit kolonialen und diskriminierenden Erscheinungen einherging.

2 Kipping, Katja (2010). „Für einen linken Zugang zum Nahostkonflikt jenseits von Antizionismus und antideutschen Zuspitzungen“. In Marcus Hawel & Moritz Blanke (Hrsg.), Der Nahostkonflikt. Befindlichkeiten der deutschen Linken (S. 81–90). Berlin: Dietz.

3 Gehrcke, Wolfgang; von Freyberg Jutta & Grünberg, Harri (2009). Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahostkonflikt: Eine notwendige Debatte. Köln: Papyrossa.

4 Salzborn, Samuel & Voigt, Sebastian (2001). „Antisemiten als Koalitionspartner? Die Linkspartei zwischen antizionistischem Antisemitismus und dem Streben nach Regierungsfähigkeit“. Zeitschrift für Politik 3 (S. 290–309). Zur Widerlegung der Thesen von Salzborn und Voigt siehe Ullrich, Peter & Werner, Alban (2013) „Ist DIE LINKE antisemitisch? Über Grauzonen der ˏIsraelkritik´ und ihre Kritiker“. In Peter Ullrich (Hrsg.), Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt. Politik im Antisemitismus- und Erinnerungsdiskurs. Göttingen: Wallstein.

5 „Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahostkonflikt, die eine Einstaatenlösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer ‚Gaza-Flottille‘ beteiligen. Wir erwarten von unseren persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeitern, sich für diese Positionen einzusetzen“, „Entschieden gegen Antisemitismus“ (08.06.2011). Von DIE LINKE: http://tinyurl.com/hbh2gw4 am 15.05.2016 abgerufen.

6 Auch die britische Labour Party wurde nach der Übernahme der Führung durch den linksaußen stehenden Jeremy Corbyn zum Schauplatz einer ähnlichen Antisemitismusdebatte. Wie bei der LINKEN spielten auch hier die Medienberichterstattung, grundsätzliche Richtungsauseinandersetzungen sowie Antisemitismusvorwürfe eine zentrale Rolle, vgl. Stern-Weiner, Jamie (27.04.2016). “Jeremy Corbyn hasn´t got an ‘antisemitism problem’. His opponents do.” Von Open Democracy: http://tinyurl.com/hx4yal8 am 26.05.2016 abgerufen.

7 „Kleine Anfrage: Kennzeichnung von Waren aus Siedlungen aus den von Israel 1967 besetzten Gebieten“ (05.07.2012). Von Linksfraktion: http://tinyurl.com/maoaz6w am 14.04.2016 abgerufen.

8 DIE LINKE (2011), Erfurter Parteiprogramm. Berlin: Bundesgeschäftsführung der Partei DIE LINKE, S. 10.

9 Die vollständige Definition der israelischen Regierung spricht vom „Existenzrecht Israels als jüdischen Staats“ (Hervorhebung des Verfassers), d. h. als Staat mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit, Levine, Joseph (09.03.2013). On Questioning the Jewish State. Von New York Times Blogs: http://tinyurl.com/avlkarg am 25.05.2016 abgerufen.

10 Vgl. Liebich, Stefan & Woop, Gerry (Hrsg.) (2013). Linke Außenpolitik. Reformperspektiven. Potsdam: Welttrends.

11 Vgl. Kipping, Katja (24.06.2011). „Die Tauben sind unsere Partner“. Von Frankfurter Rundschau: http://tinyurl.com/ntfqsa3 am 15.05.2016 abgerufen.

12 So stimmten dem Beschluss von Juni 2011 auch Abgeordnete zu, die als palästinasolidarisch gelten und dem linken Parteiflügel zugerechnet werden.

13 Vgl. Hunko, Andrej (09.06.2011). „Zum sogenannten Antisemitismusbeschluss der Linksfraktion“. Von Andrej Hunko (Webpräsenz): http://tinyurl.com/637tkk9 am 18.05.2016 abgerufen.

14 Vgl. Redaktion Prager Frühling (Oktober 2011). Beliebte Vorurteile in der Antisemitismusdebatte. Von Prager Frühling: http://tinyurl.com/latpdu6 am 18.05.2016 abgerufen.

15 Als „Staatsräson“ wird „ein Prinzip, das die Interessen des Staates über alle anderen (partikularen oder individuellen) Interessen stellt“, definiert, Schubert, Klaus & Klein, Martina (2003). Das Politiklexikon. Bonn: Dietz, S. 186.

16 Gysi, Gregor (2008). „Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel“. Von Die Linke: http://tinyurl.com/h4ag3bg am 17.03.2016 abgerufen.

17 Hawel, Marcus (2006). Die normalisierte Nation. Vergangenheitsbewältigung und Außenpolitik in Deutschland. Hannover: Offizin.

18 Vgl. Weizman, Eyal (2012). The Least of All Possible Evils: Humanitarian Violence from Arendt to Gaza. London: Verso.

19 Hiermit sind kontroverse Maßnahmen der Gewaltanwendung seitens des UN-Sicherheitsrats gemeint. Auch Interventionen wie der Krieg gegen Afghanistan 2001 wurden unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta durchgeführt.

20 DIE LINKE 2011, S. 69.

21 Crouch, Colin (2013). Postdemokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Mit dem Begriff wird unter anderem ein Rückgang politischer Partizipation sowie eine Abkopplung politischer Eliten von der Wählerschaft bezeichnet.

22 Mair, Peter (2013). Ruling the Void. The Hollowing of Western Democracy. London: Verso, Kindle-Position 1252.

23 Gysi 2008.

24 Zum Beispiel unterzeichneten Politiker(innen) vor allem aus den Reformer- und libertären Flügeln der Partei einen Aufruf gegen die Abgeordneten Annette Groth, Heike Hänsel und Inge Höger, in dem diese implizit zur Niederlegung ihrer Ämter aufgefordert wurden. Grund dafür war eine von Groth und Höger mitorganisierte Veranstaltung im Bundestag mit den antizionistischen Journalisten Max Blumenthal und David Sheen. Die Abgeordneten aus dem linken Flügel wurden beschuldigt, dass sie „durch Schürung obsessiven Hasses auf und die Dämonisierung von Israel antisemitische Argumentationsmuster und eine Relativierung des Holocausts und der deutschen Verantwortung für die millionenfache Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden befördern“. Von „Ihr sprecht nicht für uns“: http://ihrsprechtnichtfueruns.de/ am 20.05.2016 abgerufen.

25 Decker, Oliver; Kiess, Johannes & Brähler, Elmar (2012). „Die Mitte im Umbruch – rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012. In: Oliver Decker, Johannes Kiess & Elmar Brähler, Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012 (S. 24–55), S. 44f.

26 Die Studie registriert eine israelkritische Stimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung in Höhe von 69,4%. Die Israel-Kritik von 43,7% der Bevölkerung wird als grundsätzlich pazifistisch und menschenrechtsorientiert eingestuft. Diese kommt bei Wähler(inne)n von LINKE und Grünen überdurchschnittlich vor, Kempf, Wilhelm (2012). „Antisemitismus und Israelkritik. Eine methodologische Herausforderung für die Friedensforschung“ (S.1–11). Diskussionsbeiträge der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 73. Von Regener Online: http://www.regener-online.de/books/diskuss_pdf/73.pdf am 17.03.2016 abgerufen, S. 7ff.

27 Vgl. Lederer, Klaus & Keßler, Mario (2012). DIE LINKE, Israel und der Antisemitismus. Thema beendet? In Angelika Timm, Die Deutsche Linke und der Antisemitismus (S. 39–54). Tel Aviv: Rosa-Luxemburg-Stiftung.

28 Vgl. Rabinovici, Dorn; Speck, Ulrich & Sznaider, Natan (2004). Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

29 Die Kriterien des European Monitoring Centre for Racism and Xenophobia. Unter anderem klassifizieren diese die Behauptung, Israel sei ein rassistischer Staat als Indiz eines Antisemitismus.

30 Die FRA (Fundamental Rights Agency) hatte zugegeben, die EUMC-Kriterien unter anderem mit Hilfe proisraelischer Organisationen entworfen zu haben. Sie werden heute von der FRA nicht mehr verwendet, Cronin, David (2011). Europe´s Alliance with Israel. Aiding the Occupation. London: Pluto, S. 147f.

31 „Es gab in der Geschichte womöglich Gründe für einen linken Antizionismus. Spätestens mit dem Holocaust haben sich diese Gründe jedoch erledigt“, Kipping 24.06.2011.

32 Ein Ergebnis davon ist die Entstehung von BDS-unterstützenden Gruppen wie der Jewish Voice for Peace in den USA, die laut eigenen Angaben über 200.000 Unterstützer(innen) verfügen, „About JVP“. Von: Jewish Voice for Peace: https://jewishvoiceforpeace.org/faq/ am 23.05.2016 abgerufen.

33 So warfen Politiker(innen) der LINKEN linken jüdischen Israelkritiker(inne)n wie Norman Finkelstein und Max Blumenthal eine Bedienung antisemitischer Ressentiments vor.

34 Ullrich, Peter (2011). Antisemitismus, Shoa und deutsche Verantwortung. Die (Nach-)Wirkungen des Nationalsozialismus im Nahostdiskurs. In BDS. Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Königsweg der Befreiung oder Sackgasse der Geschichte? (S. 23–37). Berlin: Aphorisma, S. 37.

35 Dazu gehört z.B. der Ausstieg der Deutschen Bank aus dem israelischen Waffenkonzern Elbit, Barghouti, Omar (2011). Boycott, Divestment, Sanctions. The Global Struggle for Palestinian Rights. Chicago: Haymarket,
S. 30.

36 Ebd., S. 148.

37 Gemeint ist hier der von Nationalsozialisten ausgerufene Boykott jüdischer Waren.

38 „Ich kenne keine [Antisemiten in der LINKEN]. Aber wir haben in unseren Reihen Mitglieder, die eine sehr fragwürdige Bündnispolitik betreiben und keine klare Grenzziehung zu Organisationen vornehmen, die sehr wohl antisemitisch sind“, Kipping 24.06.2011.

39 Vgl. Achcar, Gilbert (2009). The Arabs and the Holocaust. The Arab-Israeli War of Narratives. New York: Metropolitan Books.

40 Ruf, Werner (2012). Der Islam. Schrecken des Abendlandes. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert. Köln: Papyrossa, S. 110f.

41 Vgl. Badiou, Alain & Hazan, Eric (2013). Reflections on Anti-Semitism. London: Verso, Kindle-Position 556. Exemplarisch dafür ist eine feministisch verbrämte Islamfeindlichkeit unter Anhängern von AfD und PEGIDA, die selbst ein erzkonservatives Frauenbild vorweisen.

42 So erscheint in Publikationen von BAK Shalom der Topos vom LGBTQ-freundlichsten Land im Nahen Osten und Israelis als Retter(inne)n von LGBTQ-Palästinenser(inne)n vor ihrer eigenen Gesellschaft, eine simplifizierende und klassisch orientalistische Gegenüberstellung eines angeblich aufgeklärten Westens zu einer reaktionären islamischen Umgebung, vgl. „60 Jahre Israel: Die Rechte von Schwulen und Lesben in Israel“. Von BAK Shalom: http://tinyurl.com/mptahzd am 20.05.2016 abgerufen.

43 Mit der Existenz antisemitischer Parolen auf palästinasolidarischen Kundgebungen begründete der Vorsitzende der Berliner LINKEN Klaus Lederer seine Teilnahme an einer Pro-Israel-Kundgebung während des Gaza-Krieges von 2008/09, „Klaus Lederer auf der Israel-Kundgebung in Berlin“ (13.01.2009). Von DIE LINKE Berlin: http://tinyurl.com/gsm6n3y am 20.05.2016 abgerufen.

44 Vgl. Seymour, Richard (08.08.2014). The Anti-Zionism of Fools. Von Jacobin: https://www.jacobinmag.com/2014/08/the-anti-zionism-of-fools/ am 20.05.2016 abgerufen.

45 Younes, Anna-Esther (2013). Disciplining the White Other and the Figure of the Jew. Von The Tokyo Foundation: http://www.tokyofoundation.org/sylff/wp-content/uploads/2013/03/13-Younes-SRA-Short-Article-Sylff.pdf am 20.05.2016 abgerufen.

46 Vgl. Langer, Armin (23.11.2015). Rassismus im Zentralrat der Juden. Von taz: http://www.taz.de/!5250325/ am 20.05.2016 abgerufen.

47 Zuckermann, Moshe (2010). Antisemit! Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument. Wien: Promedia.

48 So finden sich in den gegen die angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ gerichteten Demonstrationen von PEGIDA zunehmend antisemitische Deutungsmuster.

49 Hever, Shir (2010). The Political Economy of Israel´s Occupation. London: Pluto, S. 38ff.

50 Hier ist vor allem auf das Beispiel Frankreichs hinzuweisen, wo Boykottaufrufe gegen Israel strafbar sind. “France's criminalisation of Israel boycotts sparks free-speech debate“. Von France 24 (26.01.2016): http://tinyurl.com/zq2paco am 15.08.2016 abgerufen.

51 Einer Umfrage von Pew Research zufolge sympathisieren immer weniger linke Demokrat(inn)en mit Israel, dafür aber mehr mit Palästina, “Democratic Party is now split over Israel, and Clinton and Sanders represent opposing camps, says Pew“. Von Mondoweiss (06.5.2016): http://tinyurl.com/zwcsp4c am 25.05.2016 abgerufen.