Selbstportrait Che Guevara.

Hrsgg. von Victor Casaua,Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2005,320 S. (19,90 EUR)

Das von Hans-Joachim Hartstein aus dem Englischen übersetzte Buch ist ein wunderschönes - mit sehr vielen unbekannten Fotos des 1928 in Argentinien geborenen Ernesto Che Guevara, dessen Texte, ausgewählt aus Tagebuchaufzeichnungen, Interviews und Briefen des Revolutionärs, einen Menschen zeigen, den etwas völlig anderes charakterisierte als die egoistische Selbstverliebtheit des "American way of life". Als junger Medizinstudent erkundete Che, zum Teil auf einem Fahrrad, Lateinamerika. In Mexiko traf er dann 1954 die Gruppe der ins Exil gegangenen kubanischen Revolutionäre. Nach zweijährigem Guerillakrieg an der Seite Fidel Castros trat Ernesto 1959 in die Revolutionsregierung Kubas ein. Aber er wollte die Revolution weitertragen. So ging er 1966 nach Bolivien, wo er 1967 gefangen genommen und erschossen wurde. Guevara war alles andere als ein Phantast der Revolution. In einem Zeitungsinterview sagte er: "Ich glaube, dass ich eine Mission zu erfüllen habe auf dieser Welt, und dieser Aufgabe muss ich alles opfern, jedes tägliche Vergnügen, ein Zuhause, persönliche Sicherheit und möglicherweise auch mein eigenes Leben. Das ist meine Verpflichtung und von der kann ich mich nicht befreien, solange ich lebe. Ich spüre das Leiden jedes Landes in Südamerika und überall sonst auf der Welt." Moderne Menschen werden über diese charakterliche Prägung Guevaras sicher nur hochnäsig lächeln, doch es scheint nicht von ungefähr, dass gerade viele junge Menschen Ches Konterfei mit Stolz auf ihren T-Shirts zu tragen. Sie ahnen, dieser Mensch war anders, als die satten und klug schwätzenden Erwachsenden in unserem Land. Dieser Bildband trägt sehr dazu bei, die "Kult-Figur" Che in seiner menschheitsbezogenen Lebenseinstellung zu zeigen. Guevara war ein Individuum im echten Sinne des Wortes - das wird auf jeder Buchseite, mit jedem Foto deutlich -, er war bewusster Teil der menschlichen Gattung. Er verschlang die Bücher der Weltliteratur, die Gedichte der lateinamerikanischen Poeten und studierte von der Philosophie bis zur Ökonomie alle Schriften, von denen er hoffte, mehr Erkenntnis über die konkrete Wirklichkeit Kubas zu erlangen. "Ich habe mich mit Meister Hegel herumgeschlagen und bin in der ersten Runde zweimal zu Boden gegangen. Wir haben eine Menge erreicht, aber irgendwann werden wir auch denken lernen müssen." Diese Zeilen finden sich in einem Brief an Armando Hart, den er "mein lieber Sekretär" nennt. Er entwickelt in diesem Brief einen kompletten Schulungsplan für die kubanischen Revolutionäre, in dem weder Demokrit, Kant, Hegel, Marx, Luxemburg noch die "Theoretiker des Kapitalismus, wie zum Beispiel Marshall, Keynes, Schumpeter" fehlten. Das Buch animiert jeden, der die Entfremdungen des Kapitalismus zu spüren und fühlen vermag, mit Leidenschaft gegen diese zu kämpfen. Denn, so schreibt Ernesto seiner geliebten Mutter: "Leidenschaft ist vonnöten für jedes große Werk."