Cosplay und TivoliTussen

Proben Mädchen in ihren Szenen letztendlich nur die spätere Spießerscheiße? Oder doch für die nächste Revolution?

Jugendkulturen sind natürlich keine reinen Jungenkulturen. Soweit sind sich alle AutorInnen des von Gabriele Rohmann herausgegebenen Sammelbandes "Krasse Töchter" einig. Weniger einig ist man sich jedoch in der Frage, ob sich die in jugendlichen Subkulturen existierenden "cultures of femininity" durch Subversion gängiger Geschlechterklischees auszeichnen oder sie diese im Gegenteil im entsprechenden Szenegewand nur neu präsentieren.
Der Ausdruck "Cosplay" verbindet die Wörter "costume" und "play" und bezeichnet eine Verkleidung, bei der gemeinsam mit dem Outfit auch eine neue Identität entworfen wird. Aus Japan stammt dieser Trend des "Visual kei", bei dem neben Ikonen des japanischen J-Rock (bzw. J-Pop) auch Manga- und Anime-Figuren nachgeahmt werden. Die Figuren sind androgyn, die Kultur ist deutlich mädchendominiert, die wenigen Jungs der sich zunehmend auch in Europa verbreitenden Szene wollen möglichst feminin wirken. Dass dadurch Geschlechterpositionen tatsächlich in Bewegung geraten, legt zumindest die dort weit verbreitete Bisexualität nahe. "Es ist total merkwürdig heterosexuell zu sein", wird eine Anhängerin von Marco Höhn in diesem Beitrag über Visual kei zitiert.
Dunja Brill kommt in ihrer Analyse der Gothic-Szene zu einem anderen Ergebnis. Crossdressing und die Übernahme klassisch weiblicher Stylingcodes durch männliche Jugendliche ist auch in der Gothic-Szene durchaus gängig und die Toleranz von Homosexualität ist nicht zuletzt deshalb groß, weil die geschminkten Gothic-Jungs selbst mit homophoben Vorurteilen konfrontiert sind. Dennoch leben die meisten SzenegängerInnen in heterosexuellen Partnerschaften. Auch das "hyper-feminine Styling" mit seiner "Übererfüllung traditioneller weiblicher Codes" führt zu ambivalenten Ergebnissen. Einerseits beschreiben junge Frauen der Gothic-Szene ein neues Selbst- und Machtbewusst- sein durch die aggressiv-erotische Selbstinszenierung im schwarzen, fetischisierten Dominalook. Andererseits geht damit eine Idealisierung des Weiblichen einher, die deren normative Enge letztlich unangetastet lässt.
Gegen diese Enge opponieren Ladyfeste und sie tun dies immer erfolgreicher und an immer mehr Orten dieser Welt, wie Melanie Groß berichtet. Wunderbare Beispiele für die dort kollektiv erprobten Selbstermächtigungsstrategien von Frauen sind aber auch die sehr reflektierten Erfolgsstorys von Bernadette La Hengst und der Rapperin Pyranja. Und selbst bei weiblichen Fußballfans lassen sich rebellisch-feministische Momente entdecken, behaupten Nicole Selmer und Almut Sülzle in ihrem Aufsatz. Ganz in der Tradition der Riot-Grrrl-Bewegung findet sich mit den Selbstbezeichnungen "Hooligänse" und "TivoliTussen" auch in der Fankurve die Strategie der ironischen und umdeutenden Aneignung von Sexismen. Als Feministinnen begreifen sich die meisten Fußballfrauen freilich trotzdem nicht. Und auch anderswo bedeutet selbstbewusstes Auftreten und das Erkämpfen neuer Positionen keinesfalls auch schon eine feministische Grundhaltung. Im Black und Death Metal schafft es Angela N. Gossow zwar Sängerin von Arch Enemy zu werden, an den extrem frauenverachtenden Texten vieler Metal-Bands ändert das aber gar nichts, schreibt Sarah Chaker. Und auch daran nicht, dass Frauen diese Songs mitgrölen, um ihre Zugehörigkeit unter Beweis zu stellen. Ähnliche Anpassungsleistungen an männliche Dominanz finden sich auch in anderen Jugendkulturen, insbesondere dort, wo nicht alleine das Frauenbild reaktionär ist. Susanne El-Nawab beobachtet, dass sich Frauen in Skinhead- und Rockabilly-Szenen häufig nur behaupten können, indem sie sexistische Statements scheinbar souverän ignorieren oder ihre eigene Position gar durch den abwertenden Ausschluss anderer Frauen sichern.
Die politische Dimension weiblichen Rechtsextremismus bleibt bei El-Nawab jedoch leider selbst hinsichtlich ihrer Implikationen auf das Geschlechterverhältnis vollkommen unbeleuchtet. Und auch "die Lebensgeschichten von rechtsextrem orientierten Mädchen", die Michaela Köttig erzählt, sind mit ihrer Betonung der individuell-biografischen Situation von Neonazifrauen eine höchst armselige Analyse. Sie bleiben damit aber eine Ausnahme in dieser in vieler Hinsicht bunten Aufsatzsammlung, die insgesamt ein ermutigendes Resümee erlaubt. Immerhin empfinden es szeneübergreifend nämlich mittlerweile alle Frauen als schlimmste Herabwürdigung, nur als "Freundin von Â…" wahrgenommen zu werden.

Gabriele Rohmann (Hrsg.):
Krasse Töchter. Mädchen in
Jugendkulturen.
Archiv der Jugendkulturen 2007,
25,- Euro (D)

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at