Individualisiertes Unglück

in (22.10.2008)
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Neue soziale Ungleichheit in der Arbeitswelt
Editor:
Pascale Gazareth, Anne Juhasz, Chantal Magnin
Publisher:
Universitätsverlag Konstanz
Published 2007 in
Konstanz
251
pages
Price:
24 Euro

Der Sammelband verknüpft zwei Diskurse der Ungleichheitsforschung: Prekarisierung und Exklusion. Er enthält vornehmlich Beiträge von Schweizer WissenschaftlerInnen und Schweizer Fallbeispiele. Dies bedeutet nicht immer eine thematische Engführung, geht es den AutorInnen doch um ein Verständnis von Prekarisierung als einen in verschiedenen Gesellschaften ähnlich wirkenden Prozess und um neue gesellschaftliche Spaltungsprozesse, die bis in das gesellschaftliche Zentrum hinein reichen. Dabei wird versucht, die unterschiedliche Betroffenheit und Möglichkeiten der Problembewältigung nicht aus dem Blick zu verlieren.

Man könne gar von einer Spaltung in Gewinner- und VerliererInnen der Prekarisierung reden, die entlang der Verteilung von „konvertiblen Ressourcen“ verlaufe, heißt es im Band.

Eine besondere Dramatik erlangen die Ausschlussprozesse durch eine weiterhin fortbe-stehende Kopplung von Wohlstand, sozialer Sicherung und Anerkennung an Erwerbs-arbeit und durch die „Individualisierung im Grunde strukturell bedingten Unglücks“, vor allem durch staatliche Workfare-Politiken. Sozialwissenschaftliche Begrifflichkeiten laufen dabei Gefahr, die Ausgegrenzten zusätzlich symbolisch auszuschließen, argumentiert Martin Kronauer.
Positiv fällt der Beitrag von Peter Böhringer, Sandra Contzen, Michael Nollert und Alessandro Pelizzari auf: Diese betrachten nicht die formal-rechtliche Schlechterstel-lung, sondern die faktischen Schwierigkeiten atypisch Beschäftigter, ihre Rechte einzufordern. Der Beitrag von Klaus Kraemer ist ebenfalls lesenswert, führt er doch die im Forschungszusammenhang um Klaus Dörre vertretenen Thesen eines ,Wandels des arbeitsweltlichen Integrationsmodus’ und der Vielschichtigkeit von (Des-)Integrationsprozessen ausführlich aus – leider ohne über den Tellerrand der Integration hinauszuschauen.

Besonders ärgerlich ist der Bezug einiger AutorInnen auf das sehr enge Prekarisierungs­konzept von Serge Paugam, da es wichtige Dimensionen des Phänomens außer Acht lässt und somit zu seiner Entdramatisierung beiträgt.