Jenseits des Wachstums?!

Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben.

Kongress von Attac, Rosa Luxemburg Stiftung, Friedrich Ebert Stiftung, Heinrich Böll Stiftung, Otto Brenner Stiftung u.a. 

Die ökologischen wie ökonomischen Grenzen des gegenwärtigen "Wachstumsmodells" sind erreicht. Wir können nicht so weiter machen wie bisher, wollen wir unseren Planeten auch in Zukunft bewohnen. Darin sind sich alle politischen Lager einig. Doch was wächst da eigentlich? Geht es um Wachstum durch Kapitalverwertung, also Akkumulation auf erweiterter Stufenleiter, die in jeder Epoche mehr Energie und Ressourcen verbraucht? Oder um das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP), in das auch die Reparatur sozialer oder ökologischer Schäden mit einfließt? Die Milliarden zur Bekämpfung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko steigerten das BIP der USA beträchtlich. Nicht gezählt wird hingegen die unbezahlte, meist häusliche Produktions- und Reproduktionsarbeit, obwohl unerlässliche gesellschaftliche Stütze. Der Einsatz menschlicher und natürlicher Ressourcen hätte anders als im Kapitalismus in einer bedürfnisorientierten Ökonomie nicht unbedingt etwas mit Wert, Geld, Verwertung, Löhnen zu tun. Bedürfnisse und Ökonomie können sich qualitativ entwickeln ohne quantitativ stofflich wachsen zu müssen. Ökologisch relevant ist eigentlich nur das stoffliche und energetische Wachstum.

Fast 40 Jahre nach der vom Club of Rome 1972 veröffentlichten Studie diskutieren offizielle Kommissionen neue, qualitative Kriterien zur Messung nicht nur ökonomischer Entwicklung. Schon 1990 wurde auf der Ebene der Vereinten Nationen der Human Development Index entwickelt, der Pro-Kopf-Einkommen, formales Bildungsniveau und Lebenserwartung kombiniert. Seit 1991 gibt es die Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes. Auf betreiben des französischen Präsidenten Sarkozy setze die Europäische Union 2009 eine "Glückskommission" zur Bestimmung von neuen Indikatoren für "wirtschaftliche Performance und sozialen Fortschritt" ein. Ihr gehörten die Neoliberalismuskritiker Joseph Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi an. In Bhutan wird das Bruttonationalglück bereits erhoben, und der Deutsche Bundestag hat zu Beginn des Jahres 2011 die Enquête-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" eingesetzt. Eine politische Wende ist mit diesen neuen Indikatoren jedoch nicht verbunden.

Eine sozialökologische Wende aber ist überfällig. Nachdem über Jahre Ökologie und Ökonomie als Gegensätze behandelt wurden, wird inzwischen von vielen im Feld der Mosaik-Linken - zumindest rhetorisch - eine ökologische Modernisierung als Chance für die ökonomische und damit soziale Entwicklung betrachtet. Natürlich bestehen enorme Differenzen über Wege und Zielrichtung: soziales oder qualitatives Wachstum, grünes Wachstum bzw. Green New Deal und steady-state-economy ohne Wachstum markieren einige der unterschiedlichen Ansätze. Sie alle bestimmen die notwendige Wende als Win-Win-Situation, in der alle profitieren: die Wirtschaft mit neuen Wachstums- und Exportmärkten, die lohnabhängigen mit neuen Jobs, der Staat mit zusätzlichen Steuereinnahmen und die Ökologie mit der Entkopplung einer grünen Wirtschaft vom wachsenden Ressourcen- und Energieverbrauch. Andere bestreiten, dass eine Entkopplung von ökonomischen und stofflichem Wachstum möglich ist, und fordern Schrumpfung (DeGrowth). Bei einigen wird dies mit der Perspektive eines Guten Lebens (Buen Vivir) verbunden, die statt auf steigenden Warenkonsum auf Zeitwohlstand und den Reichtum menschlicher Beziehungen zielt. Bei manchen schwingt ein moralischer Appell zu einem bescheideneren, weniger "materiellen" Leben im Einklang mit der Natur mit. Der damit verbundene "Wertewandel" integriert Verzicht in eine gleichermaßen für alle asketische Lebensweise.

Die ungleiche Verteilung der Kosten einer sozial-ökologischen Transformation oder Transition kommt in beiden Varianten kaum zur Sprache. Die Vermittlung von Partikular und vermeintlichen Allgemeininteressen wird nur abstrakt von oben gedacht, nicht aber konkret. Beim Reden über die Überwindung eines schädlichen Wachstums oder über (Post)Wachstum ist jedoch entscheidend, wohin die Transformation gehen soll. Andernfalls geht die Wachstumskritik ins Leere. Ohne wird es schwer, eine breite Zustimmung zu einem Einstieg in den Umstieg zu gewinnen. Dann bleibt letzterer zwischen einer Klientelpolitik der Gewerkschaften für ihre (schwindende) Basis von Kernbelegschaften und einer Politik der gut abgesicherten Mittelklassen für eine "gute Natur" für sich und ihre Kinder stecken. Bisher gibt es nur wenige Übersetzungsversuche, die Differenzen und Gemeinsamkeiten herausarbeiten, und erlauben, gerechte Übergänge transnational zu denken. Dir RLS will sich nicht zuletzt in dieser Richtung beim Kongress einbringen und die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Mosaik-Linken ins Gespräch bringen. Die aktuelle Ausgabe unser Zeitschrift Luxemburg widmet sich diesem Thema der "gerechten Übergänge".

Gemeinsam mit Attac und den anderen Stiftungen hat die RLS im Crossover an der Gestaltung der elf Hauptpodien sowie der Auftakt- und Abschlussveranstaltung gearbeitet. Zahlreiche internationale Partner der Stiftung, uns nahestehende KollegInnen aus Gewerkschaften, der Partei DIE LINKE, sowie aus sozialen Bewegungen werden vertreten sein: u.a. Alberto Acosta, eh. Präsidet der verfassungsgebenden Versammlung in Ecuador, Nicola Bullard, Focus on the Global South Bangkok, Esperanza Martinez, Acción Ecologica-OilWatch Ecuador, Nnimmo Bassey, Friends of the Earth Nigeria, Vishwas Satgar, National Labour and Economic Development Institute South Africa, Sabine Leidig, MdB Die Linke und Mitglied der "Wachstums-Enquete", Norbert Reuter, ver.di WiPo und Mitglied der "Wachstums-Enquete", Benny Kuruvilla, Focus on the Global South New Dehli, Sabine Reiner, ver.di WiPo und Vorstandsmitglied der RLS, und Hans-Jürgen Urban, IG Metall Vorstand.

Darüber hinaus organisiert die RLS ein zentrales Forum zum Thema «gerechte Übergänge», sowie Workshops zu «Energiekämpfe. Atom, Öl, Kohle», «ClimateTrubles von Durban nach Rio+20. Strategien der Bewegungen» und «Perspektiven der Transformation. Wie weiter mit dem Thema (Post-)Wachstum?»; u.a. mit Siana Moore, TUC Just Transition Project London, Tadzio Müller, ClimateJusticeAction, Ulla Lötzer, MdB Die Linke und Mitglied der «Wachstums-Enquete», Ulrich Brand, Uni Wien und Mitglied der «Wachstums-Enquete», Adelheit Biesecker, Attac, Ralf Krämer, ver.di WiPo, Mario Candeias, Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS.

Ort

Technische Universität Berlin, Berlin

Flyer

Jenseits_des_Wachstums_110520-22_RLS als pdf [957.75 kb]


    Zu den Programmdetails

    Informationen auch bei: Mario Candeias, candeias@rosalux.de und Steffen Kühne, kuehne@rosalux.de

     

    Kontakt

    Mario Candeias

    Telefon: (030) 44310-179
    Email: candeias@rosalux.de

    Termindownload

    Download im iCal-Format