Klima-rettende Pflanzen

Agro-Gentechnik in der Klimadebatte

Zahllose Publikationen haben in den vergangenen Jahren auf die spezielle, insbesondere die zukünftige Rolle der Agro-Gentechnik in der Klimadebatte hingewiesen. Dabei sind vor allem drei verschiedene Aspekte in der Diskussion: Die bereits angesprochene CO2-Reduktion durch den Anbau von gv-Pflanzen, die Entwicklung von gv-Pflanzen, die an den Klimawandel angepasst sind und die Steigerung des Biomasseanteils bei Energiepflanzen.

 

Alle reden vom Klima - wir auch. Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen das Klima retten und uns vor den Konsequenzen des Klimawandels schützen. Allerdings können die Gentechniker nicht jedeN mit Ein-Problem-ein-Gen-Technologien überzeugen.

 

Von Christof Potthof

 

Der US-Gentech-Konzern Monsanto und der RTRS (Runder Tisch für verantwortliche Soja) sind gemeinsam für den „Angry Mermaid Award” nominiert worden.(1) Dies erinnert daran, dass Agro-Gentechnik auch in der Klimadebatte eine Rolle spielt. Mit dem Preis der wütenden Meerjungfrau soll bei den derzeitigen UN-Verhandlungen zum weltweiten Klimaschutz in Kopenhagen die Aufmerksamkeit auf „perverse“ Lobby-Arbeit gelenkt werden. Die Unternehmensgruppen und Firmen, die die größten Anstrengungen unternommen haben, die Klima-Gespräche und Klimaschutz-Maßnahmen zu sabotieren, sollen mit dem Preis gebrandmarkt werden.

 

Gentechnisch veränderte Klimaschützer?

Neben der vermutlich begrenzten Freude über diese Nominierung machen sich Monsanto und der RTRS in Kopenhagen Hoffnungen auf eine weitere Auszeichnung: Sie streben eine Anerkennung als Klimaschützer im Sinne des so genannten „Clean Development Mechanisms” (CDM) an. Dieses Werkzeug aus den Klimaschutz-Maßnahmen des Kyoto-Protokolls ermöglicht einen weltweiten Handel mit CO2-Emissionsrechten und -zertifikaten. Die Bundesregierung beschreibt den CDM wie folgt: „Der Clean Development Mechanism unter dem Kyoto-Protokoll bietet deutschen Firmen [und anderen natürlich auch - die Red.] die Möglichkeit, in Entwicklungsländern Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und diese Reduktion in Deutschland gutgeschrieben zu bekommen”.(2) Monsanto und der RTRS haben ihre Lobby-Aktivitäten genau auf diesen Punkt gelenkt: Der Anbau gentechnisch veränderter (gv) herbizidtoleranter Soja soll als treibhausgasreduzierend dargestellt und im Sinne des CDM verkauft werden.

Die Argumentation von Monsanto und Kollegen ist wie folgt: Gv-Soja lässt in gewissem Umfang - so die Theorie - einen Anbau mit reduzierter Bodenbearbeitung zu. Denn bei den von Monsanto beworbenen Anbausystemen mit reduzierter oder ganz ohne Bodenbearbeitung (low till oder no till agriculture) wird die unkrautreduzierende Wirkung des Pflügens durch den Einsatz von Herbiziden (Unkrautvernichtungsmittel) ersetzt. Wer den Boden weniger oft bearbeitet, der muss seltener mit dem Traktor auf den Acker und spart deshalb Benzin und somit auch CO2-Emissionen. Außerdem entlässt ein ungepfügter Boden weniger Kohlenstoffdioxid in die Luft.

Das ruft natürlich die KritikerInnen auf den Plan, denn: Der massive Einsatz von Herbiziden, allen voran des Mittels Roundup von Monsanto, hat in den Anbauregionen der gentechnisch veränderten, herbizidtoleranten Soja Gesundheits- und Umweltschäden verursacht. Angebaut auf mittlerweile mehr als 40 Millionen Hektar allein in Südamerika, haben diese Soja-Monokulturen wertvolle Wälder verdrängt, was zu riesigen CO2-Emissionen geführt hat. Ländliche und indigene Gemeinschaften wurden verdrängt.(3) Zudem hat die Anwendung des Round­­upReady-Systems - also gv-Pflanzen-Anbau plus obligatorische Nutzung des Herbizids - dazu geführt, dass der Verbrauch des Spritzmittels extrem zunahm. Dies hat wiederum erhebliche Probleme zur Folge - so etwa entstehen Roundup-resistente Unkräuter, die wiederum mit einem vermehrten Einsatz von anderen - zum Teil noch giftigeren - Unkrautvernichtungsmitteln bekämpft werden.

Zahllose Publikationen haben in den vergangenen Jahren auf die spezielle, insbesondere die zukünftige Rolle der Agro-Gentechnik in der Klimadebatte hingewiesen. Dabei sind vor allem drei verschiedene Aspekte in der Diskussion: Die bereits angesprochene CO2-Reduktion durch den Anbau von gv-Pflanzen, die Entwicklung von gv-Pflanzen, die an den Klimawandel angepasst sind und die Steigerung des Biomasseanteils bei Energiepflanzen.

 

Weniger Emissionen durch gv-Pflanzen?

Wie bei der herbizidtoleranten Soja veranschaulicht, werden zunehmend Anbausysteme mit gv-Pflanzen in die Klimadebatte eingebracht, die den Beitrag der Landwirtschaft zur Emission so genannter Treibhausgase (4) mindern sollen.

In eine ähnliche Richtung weisen Versuche, gv-Pflanzen mit vorgeblich höheren Erträgen (oder geringeren Verlusten) im Vergleich zu konventionellen Sorten in die Klimaschutz-Debatte einzubringen. Es ist jedoch zum einen äußerst umstritten, ob die Erträge in der Summe wirklich steigen. Über die RoundupReady-Soja gab es zum Beispiel Berichte, dass sie einen geringeren Ertrag erbringt als die Nicht-gv-Sojasorten. Zum anderen sind fast alle gv-Sorten, die derzeit auf dem Markt zu bekommen sind, von hohen Inputs - unter anderem an mineralischen Düngemitteln - abhängig. Diese Inputs können in der Regel nur unter hohem Energieeinsatz hergestellt werden.(5)

Schließlich ist im Klima-Handelskarussell auch im Gespräch, gv-Bäume als CO2-reduzierend zu betrachten, da sie in Plantagen angebaut - und vorgeblich schneller wachsend als ihre konventionellen Verwandten - als Klimasenke funktionieren.

 

„Ein Problem - ein Gen“-Technologien gegen Klimawandel?

Bei dem Gros der Pflanzen aus dem Labor, die jetzt in die Klimadebatte eingeführt werden, soll die Gentechnik den Pflanzen jedoch helfen, besser mit veränderten Klimabedingungen, also den Folgen des Klimawandels, zurechtzukommen.

Dabei lassen die GentechnikerInnen weniger ihrer Phantasie freien Lauf, als man dies bei einem Blick in die lange Liste von Patenten und Patentanträgen zu klimarelevanten Genen vermuten könnte. Vielmehr schauen die EntwicklerInnen in aller Regel nur, was (andere) Pflanzen schon können. In die gv-Pflanzen werden neue Gene eingefügt, damit die Pflanzen weniger Wasser verbrauchen, weniger Wasser verdunsten, Salze anders oder besser einlagern oder auch mit dem Stress, der durch diese Faktoren ausgelöst wird, besser zurecht kommen.

Um diese „Klimagene“ ist eine regelrechte Jagd ausgebrochen, an der alle großen Agrar-Konzerne beteiligt sind. Die kanadische Nichtregierungsorganisation „ETC Group“ veröffentlichte bereits im vergangenen Jahr eine Liste mit mehr als 500 Genen, die von Konzernen und Firmen patentrechlich beansprucht werden - ganz vorn dabei ist die BASF mit ihren Tochterfirmen.(6)

Völlig unklar ist nach wie vor, ob dieser Ansatz am Ende überhaupt von Erfolg gekrönt sein wird, denn: Wie zum Beispiel Eric Holt-Giménez und Annie Shattuck von der Initiative Food First aus den USA beschreiben, ist es unwahrscheinlich, dass Pflanzen mit einer einzigen bestimmten Eigenschaft, zum Beispiel Trockenheits-Toleranz, bei der Bewältigung der Klimafolgen hilfreich sind. Wahrscheinlicher ist ihrer Meinung nach, dass mehrere verschiedene, extreme Klima- oder Wetter-Ereignisse - Trockenheit und starke Regengüsse und sonstiges - auf einmal auf die Pflanzen einwirken. Food First zufolge sind die „Ein-Problem - ein-Gen -Technologien arm(selig)e Optionen, um die Probleme zu lindern”. Auf lange Sicht werde es „unmöglich sein, all die Gene, die zum besseren Umgang mit den multiplen Risiken des Klimawandels notwendig sein werden, zu finden, zu isolieren und zu übertragen”.(7) Dringend vonnöten seien weniger einzelne Designer-Saaten als vielmehr integrierte agrar-ökologische Managementsysteme, die angesichts komplexer und nicht vorhersagbarer klimatischer Gefahren auf mehr Elastizität gegenüber Umweltfaktoren setzen.

Davon abgesehen: Die gv-Pflanzen mit verbesserter Klima-Anpassung gibt es im Moment nicht. „Climate ready”-Nutzpflanzen sind derzeit reine Theorie, sie existieren nur in den Auflistungen der Konzerne unter der Rubrik Forschung und Entwicklung. Keine solche Pflanze ist irgendwo auf der Welt für den kommerziellen Anbau zugelassen.(8) Trotzdem erwecken die Werbestrategen der Gen- und Biotechnologie den Eindruck, gv-Klima-Pflanzen, wie zum Beispiel der trockenheitstolerante Mais von Monsanto, seien eine längst vollendete Tatsache - und zudem die Antwort darauf, wie produktive Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels erhalten werden kann.(9) Von den Pflanzen, die derzeit entwickelt werden, wird berichtet, dass sie zwar unter ungünstigen Umständen, das heißt in trockenen Jahren, bessere Erträge bringen als die entsprechenden Nicht-gv-Sorten. In „normalen Jahren“ gedeihen sie jedoch nicht gut. Dies scheint wissenschaftlichen Berichten eines Kongresses in Australien zufolge für eine trockenheitstolerante gv-Weizensorte des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) ebenso zuzutreffen wie für den gv-Mais von Monsanto mit der gleichen Eigenschaft.(10)

Nachrichten dieser Art halten allerdings philanthropisch engagierte Projektbetreiber, wie die Gates- und Rockefeller-Stiftung mit ihrem AGRA-Projekt nicht davon ab, diese Pflanzen zu fördern.

 

Mehr Biomasse mit gv-Pflanzen?

Einen dritten Weg stellen Forschungen dar, die das Ziel verfolgen, „mit Hilfe gentechnischer Methoden den Biomasseertrag von Energiepflanzen zu steigern”. Diese gebe es aber weder in Deutschland noch in anderen Ländern der EU, wie die AutorInnen eines in diesem Jahr vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichten Berichtes (11) feststellen. Sie konnten „erste Ansätze” dazu in den USA beziehungsweise Brasilien finden, die Mais und Zuckerrohr für die Bioethanolproduktion betreffen.

Der Anteil der Landwirtschaft am Klimawandel ist schon seit längerer Zeit bekannt. Mittlerweile gehen die BerichterstatterInnen des UN-Klimarates davon aus, dass er - gemessen als jährliche Emissionen von Treibhausgasen - bei 13,5 Prozent liegt. Für mehr als ein Drittel dieses Beitrags sind die Düngemittel verantwortlich.(12)

Welche Rolle gerade intensive Landwirtschaft in der globalen Klimagas-Arithmetik spielt, hat zuletzt das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena beschrieben: Den Berechnungen der WissenschaftlerInnen um Ernst-Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena zufolge beeinträchtigen „Methan und Stickoxide - starke Treibhausgase, die bei der Viehhaltung und intensivem Ackerbau freiwerden - (...) die Treibhausgas-Bilanz Europas nämlich erheblich. Sie wiegen den positiven Effekt, den vor allem Wälder als Kohlendioxidspeicher ausüben, nahezu auf.” (13) - bisher glaubte man, das Gegenteil sei der Fall.

 

 

Christof Potthof ist Biologe, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerks und Redakteur beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).

 

 

Fußnoten:

(1) Siehe zum RTRS auch „Ungleiche Soja-Standards” von Jochen Koester im GID 194, Juni 2009. Zum „Angry Mermaid Award”, siehe im Internet unter: www.angrymermaid.org (abgerufen am 02.12.09): „The Angry Mermaid Award has been set up to recognise the perverse role of corporate lobbyists, and highlight those business groups and companies that have made the greatest effort to sabotage the climate talks, and other climate measures, while promoting, often profitable, false solutions.”.

(2) „Clean Development Mechanisms”, Mechanismus für saubere Entwicklung; siehe dazu im Netz unter: www.bmu.de/wirtschaft_und_umwelt/umwelttechnologie/sutec/doc/39582.php. Weitere Informationen zum CDM auf den Internetseiten des UN-Klimarates: http://cdm.unfccc.int/about/index.html.

(3) Siehe auf der Internetseite des Preises www.angrymermaid.org oder zum Beispiel im Beitrag „Runder Tisch für verantwortliche Soja” von Nina Holland im GID 189; im Netz unter: www.gen-ethisches-netz werk.de/gid/189. Zu der Wirkung von Roundup siehe auch den Beitrag „Roundup bleibt nicht ohne Wirkung“ von Christof Potthof im GID 195, August 2009, im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/195.

(4) Die relevantesten Treibhausgase aus der Landwirtschaft sind Methan und Kohlendioxid. Ersteres wird in großen Mengen bei der Herstellung von tierischen Produkten freigesetzt, letzteres entsteht praktisch immer, wenn Energie verbraucht wird: so bei der Herstellung von Düngemitteln und Pestiziden, bei der Bearbeitung der Flächen mit Maschinen und beim Transport - zum Beispiel von Futtermitteln. Außerdem ist Stickstoff-Dioxid von Bedeutung. Berechnet werden die Emissionen in so genannten Kohlendioxid-Äquivalenten, bei denen alle Treibhausgase entsprechend ihrer angenommenen Wirkung auf das Klima umgerechnet werden.

(5) Siehe zum Beispiel: Smith K., Bouwman L. & Braatz B. (2003): N2O: Direct emissions from agricultural soils. In: IPCC (eds): Good Practice Guidance and Uncertainty Management in National Greenhouse Gas Inventories. www.ipcc-nggip.iges.or.jp/public/gp/bgp/4_5_N2O_Agricultural_Soils.pdf; hier zitiert nach Paul, H. et al. (2009): „Agriculture and climate change: Real problems, false solutions”. Im Netz unter: www.econexus.org (abgerufen am 02.12.09).

(6) ETC Group (2008): „Patenting the Climate Genes”. ETC Group communiqué Nummer 99. Im Netz unter: www.etcgroup.org.

(7) Food First/ActionAid International (2009): „Smallholders Solutions to Hunger, Povertty and Climate Change”. Zum Download: www.foodfirst.org.

(8) www.agbios.com (abgerufen am 05.12.09)

(9) African Center for Biosafety (2009): „Patents, Climate Change and African Agriculture: Dire Predictions”.

(10) Grains Research & Development Corporation (2008): „Scientists share keys to drought tolerance. Ground Cover Nummer 72, Januar/Februar 2008, www.grdc.com.au (abgerufen am 06.12.09).

(11) Schorlin, Markus et al. (2009): „Potenziale der Gentechnik bei Energiepflanzen”. Veröffentlicht in der Reihe BfN-Skripten als Nummer 258. Im Netz kostenfrei zum Herunterladen unter: www.bfn.de.

(12) Bezogen auf das Jahr 2004; bezieht man die Zahlen für die Entwaldung mit ein, dann liegt der Wert sogar bei über 30 Prozent. Alle Gase sind umgerechnet in so genannte CO2- (Kohlendioxid-) Äquivalente. Intergovernmental Panel on Climate Change. Aus: IPCC (2007): „Fourth Assessment Report: Climate Change 2007” (= 4. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschuss über Klimaveränderungen, hier auch UN-Klimarat) Synthesis Report for Policy Makers. Im Netz unter: www.ipcc.ch/publications_and_data/publications_ipcc_ fourth_assess ment_report_synthesis_report.htm (Auszüge verfügbar in deutscher Sprache; im Netz unter: www.ipcc.ch/publications_ and_data/publica tions_and_data_reports.htm#6 > German/Deutsch). Food First (2009) siehe Fußnote 7.

(13) Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 23.11.09. www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2009/pressemitteilung20091123.