Die Eigentumsfrage

Wege zum Klimakommunismus

in (12.08.2008)

Als am 6. März 2008 der Energiekonzern Eon einen Rekordgewinn von mehr als fünf Milliarden Euro bekannt gab, konnte er dies nicht ungestört tun. AktivistInnen von Attac traten vor der versammelten Presse als Panzerknacker auf, die ihre fette Beute feiern. Verteilt wurden die „unveröffentlichten" Teile des Eon-Geschäftsberichts. Diese handeln von unsozialen Preisen, Etikettenschwindel mit angeblichem Ökostrom, Milliardenprofiten durch geschenkte CO2-Zertifikate und dem Festhalten an den umweltfeindlichen Dinosaurier­technologien Kohle und Atomkraft.

Nicht nur Attac, sondern auch die radikale Linke beschäftigte sich an diesem Tag mit den Energiekonzernen. In Flugblättern wiesen wir - die initiative k - darauf hin, dass die vier Großkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall 90 Prozent des deutschen Strommarktes kontrollieren und immer wieder die Preise und ihre Profite erhöhen. Unsere Forderung: Sie müssen enteignet und zum Wohle der Gesellschaft in öffentliches Eigentum überführt werden.

Es war das erste Mal, dass wir als Gruppe der radikalen Linken die Eigentums­frage jenseits von Hausbesetzungen und Aneignungskampagnen ins Zentrum unserer Politik stellten. Wir sind der Meinung, dass sich hier besondere Chancen für radikale linke Politik bieten. Denn bislang schafften es die Proteste selten, umfassende gesellschaftliche Alternativen zum Bestehenden aufzuzeigen, geschweige denn solche, die von vielen Menschen für realisierbar gehalten werden. Wir halten solche Alternativen sowohl für erfolgreiche Alltagskämpfe hilfreich als auch für eine wie auch immer geartete Strategie der Kapitalismusüberwindung notwendig. Eine Kampagne zur Enteignung und Vergesellschaftung von Energiekonzernen, die die Eigentumsfrage ins Zentrum stellt, kann genau das leisten.

Wir sind zu unserem Erstaunen oft von Menschen aus der radikalen Linken gefragt worden, was die Eigentumsfrage mit radikal linker Politik zu tun habe. Für uns ist die Eigentumsfrage die Grundfrage im Hinblick auf die Überwindung der kapitalistischen Ökonomie. Ohne Überwindung des Privateigentums an (zumindest den zentralen) Produktions- und Distributionsmitteln kann keine nachkapitalistische, emanzipatorische Gesellschaft entstehen. Dabei wissen wir, dass die Enteignung notwendig, aber nicht hinreichend ist. Wir benutzen daher das Wortpaar Enteignung und Vergesellschaftung in unserer Arbeit, um den demokratischen und emanzipatorischen Charakter unseres Ziels zu beschreiben. (Vergesellschaftung meint unter anderen die Herstellung von dauerhafter demokratischer Kontrolle, partizipativen Gestaltungsmöglichkeiten, ökologischer und sozialer Zielorientierung und teilweiser Dezentralisierung).

Warum die Energiekonzerne?

Anhand der Strom- und Mineralölkonzerne kann exemplarisch die Schädlichkeit des Kapitalismus für die Mehrheit der Bevölkerung demonstriert werden. Die Energiekonzerne sind berechtigterweise verhasst. Jeder Nachzahlung, jeder Preiserhöhung stehen satte Profite gegenüber, seit 2002 etwa zwölf Milliarden Euro jährlich für die vier großen Stromkonzerne. Die Energiekonzerne werden von vielen Menschen aus sozialer, ökologischer und demokratischer Sicht als ein Übel ersten Ranges begriffen, was uns die Argumentation für ihre Enteignung und Vergesellschaftung erleichtert. Darüber hinaus hat die Lösung der ökologischen Fragen für die Menschheit überlebenswichtige Bedeutung und das Zeitfenster für die Lösung wird stetig kleiner. Nicht zuletzt sind wir selbst von den ständig steigenden Preisen betroffen.

Unsere Zielgruppe ist heterogen: Es sind sowohl diejenigen, die es stört, dass 800.000 Haushalten jedes Jahr der Strom abgestellt wird, als auch diejenigen, die sich gegen Kohlekraftwerke wehren. Und auch jene, die für mehr Demokratie oder Ökostrom kämpfen.
Mit unseren Veranstaltungen, Texten und Aktionen sprechen wir am Beispiel der Energiekonzerne eine ganze Reihe von Themen an, die für eine umfassende linke Alternative zentral sind. Komplexe die die Verflechtung von Staat und Kapital, die Ausbeutung von Mensch und Natur, die kapitalistischen Konzentrationsprozesse und das Primat der Profit- und Renditemaximierung vor gesamtgesellschaftlichen Interessen bringen wir so in eine breitere gesellschaftliche Diskussion ein. Auch Themen wie der fortschreitende Demokratieabbau oder die materielle und psychische Ausgrenzung und Verelendung von Teilen der Gesellschaft können anhand einer solchen Kampagne aufgezeigt werden. Gleichzeitig lassen sich Alternativen diskutieren und weiterentwickeln: Anhand eines brennenden gesellschaftliche Problems wird deutlich, dass durch basisdemokratische Beteiligung eine soziale und ökologische Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft möglich ist - bei der Energieversorgung, aber auch darüber hinaus.

Wir können noch keine konkreten Modelle anbieten, wie genau die zukünftig wünschenswerte Energieversorgung aussehen soll. Vielmehr wünschen wir uns einen breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess darüber, der lokal oder regional durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Es wäre erstrebenswert, wenn im Zuge der Vergesellschaftung kommunale Betriebe und Genossenschaften die Stromerzeugung übernähmen. Diese sollten entgegen dem Prinzip der Profitmaximierung eine ganze Palette sozialer und ökologischer Ziele verfolgen. Aus unserer Sicht sind das insbesondere ein ökologisch und sozial akzeptabler Strompreis sowie vergünstigte Tarife für Einkommensschwache. Außerdem sollten die erwirtschafteten Gewinne in den Ausbau regenerativer Energien investiert werden, ein Teil aber auch den Kommunen für soziale Belange zugute kommen.

Was machen wir?

Die Veranstaltungen und Aktionen zum Thema, die wir als lokale Initiative organisieren, stellen nichts Neues oder Besonderes dar. Wir knüpfen und pflegen Kontakte zu den Gegnern des Kohlekraftwerkbaus in Düsseldorf ebenso wie zu attac oder Sozialinitiativen und Gewerkschaften. Wir machen mit oder initiieren selbst - und wir argumentieren dabei für unseren Lösungsvorschlag.
Die Enteignung und Vergesellschaftung der Energieversorger wird nur langsam akzeptiert werden. Aber schon die heutige Rechtslage bietet Raum für erste grundlegende Schritte. Das Grundgesetz ermöglicht in Artikel 15 explizit Vergesellschaftungen: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden." Auch die Verfassung Nordrhein-Westfalens spricht in Artikel 27 deutliche Worte: „Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten. Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden." Was fehlt, ist also vor allem der politische Wille.

Was regen wir an?

Neben dem Versuch, materielle Folgen unseres Kampfes zum Beispiel durch Bürgerentscheide zu erzielen, steht als zentrale Aufgabe das langfristige Ziel der Veränderung des Bewusstseins dahingehend, dass Vergesellschaftung als sinnvolle, notwendige und vor allem machbare Alternative aufgefasst wird.
Unser Erfolg hängt davon ab, ob auch andere Gruppen bereit sind, die Eigentumsfrage aufzugreifen. Auch könnte die laufende bundesweite Attac-Kampagne zum gleichen Thema für Interesse sorgen - in der Öffentlichkeit, aber auch in der (radikalen) Linken.