Kapitalismus und / oder Demokratie?

Die Gesellschaft für Politische Bildung e.V. veranstaltet in Kooperation mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung e.V. in der Akademie Frankenwarte in Würzburg ein Seminar zum Thema:

Kapitalismus und / oder Demokratie?

Politik müsse „heute mehr denn je auch mit Blick auf die Finanzmärkte formuliert werden“, schrieb Rolf E. Breuer als ehemaliger Chef der Deutschen Bank um die Jahrtausendwende und wies den Finanzmärkten eine „Wächterrolle“ als quasi fünfter Gewalt zu. Jüngst assistierte Angela Merkel, indem sie das Budgetrecht des Parlaments als Mitbestimmungsrecht deklarierte, das doch gefälligst „marktkonform“ gehandhabt werden sollte. „Hände falten, Goschen halten“, so drastisch beschrieb ein österreichischer Nationalratsabgeordneter die Konsequenzen für die Ausübung des Budgetrechts durch die Abgeordneten. Die Regierenden treibt zunehmend die Sorge um, die real existierende „parlamentarische Demokratie“ könne sich als hinderlich für die Bewältigung der europäischen Krise nach Maßgabe neoliberaler Austeritätspolitik erweisen. Damit wird der historische Zusammenhang zwischen Kapitalismus und bürgerlich-liberaler und sozialstaatlich verfasster Demokratie, wie er sich nach 1945 herauskristallisierte, zur Disposition gestellt. In den Institutionen der bürgerlichen Demokratie vollzieht sich gegenwärtig eine Entkoppelung von Demokratie und Kapitalismus – unter gleichzeitiger Beibehaltung ihrer formalen Funktionsmechanismen. Der britische Soziologe Colin Crouch hat dafür den Begriff „Postdemokratie“ geprägt, andere, wie z.B. die Frankfurter Forschungsgruppe „Staatsprojekt Europa“ reformulieren Nicos Poulantzas’ Theorie des „Autoritären Etatismus“; und der italienische Philosoph Domenico Losurdo bemüht in Abwandlung der Bonapartismustheorie von Marx den Begriff „Soft-Bonapartismus“. Dies sind einige Beispiele dafür, dass die krisenhaften Entwicklungen dazu anregen, das Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus / Neoliberalismus theoretisch neu zu fassen und zu kritisieren. Das Colloquium widmet sich den hier nur knapp angerissenen Fragen. Dies geschieht zum einen auf einer grundsätzlichen Ebene, in dem das systematische Problem des Verhältnisses von Demokratie und Kapitalismus thematisiert wird; zum anderen soll eine emanzipatorische Perspektive einer Re-Demokratisierung von Politik eingenommen werden, von der der Bielefelder Jurist Andreas Fisahn postuliert, dass sie „Bedingung […] für die Durchbrechung der Logiken des entfesselten Marktes“ sei.

Freitag, 15. Nov.

bis 18.00 h Anreise
18.00-19.00 h Abendessen
19.00-19.15 h Begrüßung

Demokratietheoretische Aspekte

19.15-20.30 h Alex Demirovic, Basel: Demokratie und Herrschaft.

Samstag, 16. Nov.

09.00-10.30 h Jürgen Link, Hattingen: Normalismus als Regulationsweise moderner Gesellschaften

Die Bedeutung des Neoliberalismus

10.30-11.30 h Katrin Reimer, Stendal: Geschichte des neoliberalen Projekts in Deutschland seit den 1980er Jahren
11.30-11.45 h Pause
11.45-12.45 h Helmut Kellershohn, Duisburg: Demokratiekritik von rechts. Carl Schmitt und kein Ende
12.45-14.30 h Mittagessen und Pause

Perspektiven und Strategien

14.30-15.30 h Thomas Bürk, Berlin: Good Urban Governance. Neue Steuerungsformen für Städte und Gemeinden auf dem Prüfstand
15.30-15.45 h Pause
15.45-16.45 h Katharina Pühl, Berlin: Krise, Wandel von Staatlichkeit, Ökonomie und Geschlecht
16.45-17.00 h Pause
17.00-18.00 h Peter Mörtenböck, Wien: Demokratiepolitische Potentiale sozialer Bewegungen am Beispiel der Occupy-Bewegung
18.00 h Abendessen
19.00 -20.15 h Ulrich Brieler, Leipzig (angefragt): Foucault und Marx zu Staat und Regierung

Sonntag 17. Nov.

09.00-10.00 h Martin Beckmann, Berlin: Öko-soziale Wirtschaftsdemokratie als Beitrag zur Demokratisierung der Wirtschaft?
10.00-10.15 h Pause
10.15-11.15 h Torsten Bultmann, Bonn: Widerstandsmöglichkeiten gegen die „unternehmerische Hochschule“
11.15-12.15 h Abschlussdiskussion
12.15 h Mittagessen