Die „Kommune“ ist tot – es lebe die Commune!

Mit der Einstellung des Druckereibetriebes bei Caro in Frankfurt haben nicht nur die Graswurzelrevolution, Contraste und die taz ihre Hausdruckerei verloren (vgl. GWR 375: Editorial), sondern die ebenfalls dort gedruckte Zeitschrift Kommune stellte bei dieser Gelegenheit nach 30 Jahren ihr Erscheinen ganz ein.

 

Die Geschichte und Wandlung der Kommune und ihrer Heraus­geberInnen ist erstaunlich und lehrreich. Diese Monatszeit­schrift (ab 2003 erschien sie alle zwei Monate) war das Produkt der autoritären marxistisch-leninistischen Sekte Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW).

Als Nachtrapp der antiautoritären 68er Revolte gegründet, war diese „Vorhut der Arbeiterklasse“ darauf spezialisiert, unabhängige Bürger- und Basisinitiativen mit ihrem dominanten Ellenbogenverhalten und pseudorevolutionären Phrasen zu okkupieren, lahm zu legen und letztendlich sogar zu zerstören.

Als Anfang der 80er Jahre dieser straff organisierten Sekte die Felle immer mehr weg schwammen, beschlossen sie einen Strategiewechsel. Die berühmt-berüchtigte Kommunistische Volkszeitung (KVZ), die bei allen möglichen Gelegenheiten an jeder Ecke von emsigen Drückerkolonnen angeboten wurde, sollte zugunsten eines anderen Zeitungsprojektes eingestellt werden. Am 8. Oktober 1982 überschrieb die KVZ einen Artikel mit der Schlagzeile: „Änderung bei KVZ und ‚Kommunismus und Klassenkampf’. Zum Jahresende wird die Konzentration auf ein Periodikum unumgänglich“ (1).

Viel Geld und die von den KBW-Mitgliedern ebenfalls finanzierte Immobilie „Mainzer Landstraße“ in Frankfurt/M. wurden in die „neue Zeit“ hinübergerettet und ab 1983 erschien die edel aufgemachte Monatszei­tung Kommune. Die Grüne Partei existierte schon zwei Jahre lang und ihr Aufstieg war abzusehen. Sie sollte für die Zukunft Fixpunkt und Hauptbe­tätigungsfeld der ehemaligen MaoistInnen werden.

 

Libertäre Feigenblätter

Die Zeitung selbst war als pluralistisches Debattenorgan gedacht, um sich undogmatisch auf die Suche nach neuen brauchbaren Politikansätzen zu machen. Der alte ideologische Ballast sollte abgeworfen werden. Bei der Suche nach Neuem wurde der Anarchismus neugierig beschnuppert, Autoren wie Murray Bookchin oder Rolf Cantzen (2) kamen ausführlich zu Wort. Libertäres wurde gerne für ideologische Lockerungsübung genutzt, um sich von den alten Bolschewismuskonzep­tionen zu lösen und trotzdem noch das gute Gefühl zu haben, irgendwie tabubrechend und radikal zu sein. Die sogenannten Ökolibertären in den Grünen, die den „Markt“ unkritisch zum Maß aller Dinge erhoben, wurden als Strömung gegründet und bekamen in der „Kommune“ ebenfalls ihr Forum.

Der ebenfalls noch zum alten KBW-Stamm gehörende Send­ler Verlag gab ein Buch von dem Anarchisten Daniel Guerin he­raus (3).

Schwarzer Faden und Graswurzelrevolution nahmen die Möglichkeit für Austauschanzeigen gerne wahr. Ein ansprechender und höchst kompetent geschriebener Feuille­tonteil lies die bundesdeutsche Tagespresse aufhorchen und schon nach wenigen Jahren wurde die Kommune der verhätschelte Shootingstar in der Wahrnehmung der „seriösen“ Groß-Zeitungen FAZ, FR und Die Zeit.

1985 durfte der Öko-Anarchist Murray Bookchin die traditionellen „libertären Elemente“ des „amerikanischen Traums“ als anarchistischen Gegenentwurf  für eine neue Gesellschaft auf immerhin acht Seiten in der Kommune vorstellen (4).

Es handelt sich hierbei um die in den ursprünglich sechs Yan­keestaaten praktizierten „Town Meetings“ (Bürgerversamm­lungen), die allerdings nur mit einer geringen legalen Autorität ausgestattet waren.

Den Grünen, die damals noch ihre institutionell orientierte und parlamentarisch ausgerichtete Politik gegenüber einer skeptischen parteiunabhängi­gen Basisbewegung legitimieren mussten, kam dieser inhaltlich eher schwache und die wirklichen Zustände in den USA idealisierende Beitrag Bookchins wie gerufen, um ihr parlamentarisches Engagement zu rechtfertigen. Schließlich ergatterten die Grünen genau zu diesem Zeitpunkt bei den Kommunalwahlen mehrere Tausend Mandate.

Wer einmal innerhalb der untersten kommunalpolitischen Ebene - den Bezirksvertretun­gen in der BRD - aktiv war, konnte die profilneurotischen Eskapaden geltungssüchtiger Gockel auf dieser untersten institutionellen Ebene hautnah erleben.

Im Kampf um die Durchsetzung ihrer Interessen arbeiten die Beteiligten dort ge­nauso mit autoritären Herr­schaftsmetho­den, wie in der großen Politik.

Hierarchien werden hier nicht infrage, sondern demonstrativ zur Schau gestellt. Autoritäres Verhalten wird dabei keines­wegs abgebaut, sondern Autoritäten blasen sich erst richtig auf: Kaufleute, UnternehmerIn­nen, OberlehrerInnen und hoch­rangige Gewerkschaftsfunktio­näre kehren hier ihre gehobenen Funktionen auf kommunaler Ebene sogar besonders her­vor, um die anstehenden Entscheidungen zu beeinflussen; einfache Menschen in nicht he­rausragender Position gehen leer aus. Emanzipatorisch ist hieran gar nichts. - Natürlich spricht dies nicht gegen Aktivitäten im Stadtteil an sich; die Beteiligung im institutionellen Rahmen selbst kann man sich jedoch getrost schenken.

 

Frühe Anpassungsübungen

Es ist sicher kein Zufall, dass nur ein paar Seiten nach Book­chins Loblied auf diese besondere Form der kommunalen Betätigung der Ex-KBW-Genosse und heutige Ministerpräsident von Baden Württemberg, Win­fried Kretschmann, schon da­mals die staatstragende Kurve andeutet, in die er sich später gelegt hat:

„Radikale Brandreden auf Parteitagen sind noch nicht die Posaunen von Jeri­cho, die Risse in die Atomkraftwerke blasen. Gefordert ist eine neue Ord­nungspolitik, die ökologische Rahmenbedingungen formuliert. (...) Wir brauchen gu­te, grüne Gesetze“ (5).

Ein paar Kommune-Ausgaben später profilierte sich der heutige Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn, schon da­mals als realpolitisch denkender Landtagsabgeordneter von Baden Württemberg, durch verschiedene Kommentare (6) für höhere Aufgaben.

Da es in der Anfangsphase der Grünen kein gut aufgemachtes Debattenorgan verschiedener Strömungen gab, füllte die Kommune diese Lücke geschickt aus. Als Zeitschrift der dezidiert ökosozialistischen Tendenz innerhalb der Grünen erschien ebenfalls die Moderne Zeiten (MOZ), die Ende 1984 ihr Erscheinen wegen großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgeben musste. Die Abokartei der MOZ bekam die Kommune, um Werbeexemplare zu verschicken. Im Gegenzug konnten die Ökosozialisten in einer regelmäßigen Kolumne und in weiteren Beiträgen die Kommune (vorerst) nutzen.

 

Pikant:

Bei den Ökosozialisten handelte es sich zum nicht unbeträchtlichen Teil um Mitglieder des mit dem KBW heftig verfeindeten ebenfalls maoistisch orientierten Kommunistischen Bundes (KB), der in seinem Arbei­terkampf (AK) mit Vorliebe seitenlang KBW-Schmähwitze veröffentlichte. Nun waren die ehemals staatseroberungssüchtigen MLer in inniger Feindschaft in den Grünen vereint und es sollten nur noch wenige Jahre und Anpassungsschritte nötig sein, bis sie sich diesmal gemeinsam daranmachten, als gewendete Grüne den Staat tatsächlich zu erobern – na ja, zumindest ein Zipfelchen davon.

In keiner anderen Zeitung als in der Kommune kann mensch die einzelnen Anpassungssta­tionen, in denen sich die Grundhaltungen von anfänglich radikal-emanzipatorischen Positionen zu klassisch-rechter Realpolitik verschieben, besser nachvollziehen als hier.

Es drängt sich allerdings bei den neugrünen KBW-Mitgliedern schon die Frage auf, ob die ursprünglichen Absichten des Neuanfangs wirklich so nachhaltig andere waren, wie es beim oberflächlichen Hinsehen den Anschein hatte.

 

Kultur und Utopie

Der durchaus niveauvoll vorgetragene künstlerisch-literarische Impuls für Freiheit und Gerechtigkeit fand bei der Kommune in der politischen Kom­mentierung grüner Realpolitik keinerlei Entsprechung. Durch die gesamte Zeitung zog sich ein tiefer Riss zwischen schöngeistig-ästhetischem Feuilleton, gepaart mit unverbindlich moralisierenden Betrachtungen einerseits und der bitteren Realität grüner Parlaments- und Regierungspolitik andererseits.

Die Beschäftigung mit dem Werk von Rudolf Bahro oder die Auseinandersetzung Karl-Lud­wig Schibels mit der sehr alten und der aktuellen utopisch geprägten tatsächlichen Kommu­nebewegung hatte in dem Blatt durchaus ihren Reiz. Aber in einem immer größeren Meer pragmatisch angepasster grüner Realpolitik verblassten im Laufe der Zeit diese hoffnungsvollen libertären Gegenentwürfe zu immer kleineren, fast unsichtbaren Inselchen.

Fazit: Diese Zeitschrift schmüc­kte sich oft mit fremden Federn, um sich interessant zu machen.

 

Pol Pot und die Jugoslawienkriege

Die Kommune nahm in den 90er Jahren während der Jugosla­wienkriege keine konsequent pazifistische Position ein, sondern befürwortete – stramm anti­serbisch wie der ganze bundesdeutsche Mainstream –  „Men­schenrechtskriege“. Dafür bekam sie noch mehr Beifall in der bürgerlichen Presse als ohne­hin schon.

Zur Belohnung wurde der Chefredakteur Joscha Schmierer von seinem Parteikollegen Joschka Fischer von 1999 bis 2007 zum Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes berufen. Noch drei Jahre bevor er das Zepter bei der Kommune übernahm, übersandte Schmie­rer 1980 dem millionenfachen Massenmörder Pol Pot in Kambodscha eine KBW-Grußbot­schaft und knüpfte damit an seinen zwei Jahre zuvor absolvierten Solidaritätsbesuch bei dem Diktator an (7).

Auch wenn Schmierer sich später davon distanzierte, so war sein Verhalten offensichtlich ei­ne Empfehlung für höhere Aufgaben: Für die Sicherung des Friedens in Europa, insbeson­dere in Jugoslawien, war er ge­nau der Richtige für Rotgrün. –Wie gruselig!

 

Mit Hartz IV gegen „überzogenen Sozialstaat“

Als im Jahre 2004 Hartz IV für Arbeitslose von der Rotgrünen Koalition eingeführt wurde, machte sich nicht nur ein Autor der Kommune zu diesem Zeitpunkt zum vehementen Be­fürworter dieses Sozialraubes: „Insgesamt fesselt ein schleichender Sozialstaats-Korpora­tismus viele produktive und innovative Kräfte. Er hat seine Ursprünge in den vielen guten Absichten der Reformpolitik vergangener Jahrzehnte und sorgte für ein immer weiter vertieftes System von Sicherheiten und Einbindungen. Die Kehrseite dieses Systems der Da­seinsvorsorge ist Immobilität, mangelnde Durchlässigkeit, soziale Exklusion. (...) Immerhin ruft auch das neue Sozialpapier der Deutschen Bischofskonfe­renz (2003) nun zu mehr Eigenverantwortung auf. Die Bischöfe liefern eine klare Analyse der unsozialen Wirkungen eines überzogenen Sozialstaates, der Wachstum und Beschäftigung dauerhaft beeinträchtigt. Die Bundesregierung sollte den bischöflichen Segen als ermutigendes Zeichen nehmen.“ – Kann man noch tiefer sinken?!

Autor dieses Kommune-Beitrages war Otto Singer, Mitarbeiter des damals schon neolibe­ralen grünen Bundestagsabge­ordneten Oswald Metzger, der 2008 zur CDU ging und dort beim Gedränge um die Fleischtöpfe (Bundestagsmandate) mehrmals erfolglos blieb.

Die neoliberale Scharfmacherei von Singer gefiel der FAZ so sehr, dass sie diese Zeilen zustimmend zitierte. Der Kommune wiederum war so begeistert über das FAZ-Lob, dass sie es erneut hocherfreut rezitierte (8).

Wenn sich die früheren vehementen Gegner von 68 ff. dreißig Jahre später so „grün“ sind, dass sie sich gegenseitig nur noch über den grünen Klee loben, dann wird es auf publizistischer Ebene langweilig und dröge. Die Kommune stellte die Politik der Grünen nicht in Frage, verzichtete auf jede Art von Provokation und betreute journalistisch den biederen Pragmatismus der grünen Amtsinha­berInnen. Das interessierte im­mer weniger Menschen.

In der Begründung für die Einstellung des Blattes wird ausgerechnet von denjenigen, die den nicht marktgemäßen Sub­ventionssumpf trockenlegen wollten, beklagt: „Hinter der Zeitschrift stehen weder eine generationsübergreifende Institution wie etwa ein renommierter Verlag, noch ist sie in einem wissenschaftlich-akademischen Umfeld verankert. Ihre öffentliche Wirkung läßt nach und ihr Stamm von Abonnentinnen und Abonnenten wächst seit Jahren nicht mehr ...“ (9).

Mit anderen Worten, die Kommune ist zu unflexibel, zu wenig innovativ und selbstkritisch, zu träge, selbstgefällig und bequem geworden.

All das, was ihre Autoren wie Singer den vom Sozialstaat verwöhnten Arbeitslosen vorwarfen, trifft jetzt nach dieser Logik auf sie selbst zu, denn sonst wäre es nicht zu dieser Situation gekommen.

Jetzt hilft auch keine Distanzie­rung von Hartz IV mehr. Es ist aus.

 

Horst Blume

 

Anmerkungen:

1. Kommunistische Volkszeitung, 8.10.1982, Seite 4

2. Rolf Cantzen, „Libertäres zur Gründungserklärung der Ökolibertären“, Kommune Nr. 7, 1984, S. 29

3. Daniel Guerin, „Die braune Pest“, Sendler Verlag, 1983. Besprechung: www.machtvonunten.de/nationalisten-rechte-neoliberale/104-guerins-die-braune-pest-rezension.html

4. Murray Bookchin, „Parteipolitik oder populis­tische Politik“, in: Kommune Nr. 1, 1985, S. 5

5. Kommune, Nr. 1, 1985, S. 63

6. Kommune, Nr. 5, 1986, S. 13

7. Siehe Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Joscha_Schmierer

8. Kommune, Nr. 4, 2004, S. 114

9. Kommune, Nr. 5, 2012, S. 2

 

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 376, Februar 2013, www.graswurzel.net