Steueroase Deutschland

Steuerpolitik

in (10.06.2004)

Derzeit überschlagen sich die Parteien mit Vorschlägen zur Umgestaltung des Steuersystems. Dabei geht es um Senkung der Steuern und Vereinfachung des Steuerrechts.

Was ist dran an den Klagen über zu hohe Abgaben?
Sieht man sich die Fakten einmal genauer an, zeigt sich schnell, dass die Belastung durch Steuern und Abgaben in Deutschland verglichen mit anderen Industrieländern nicht so katastrophal hoch liegt, wie es manchmal scheint. Mit 41 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt Deutschland gerade im Mittelfeld, ein Land wie Schweden hat eine Belastung von fast 54%.
Ist es also hier mit den Klagen über zu hohe Belastungen nicht all zu weit her, fällt andererseits schnell ins Auge, wer denn von der Abgabenlast am meisten betroffen ist. Ein Viertel der Abgabenlast machen die direkten Steuern aus, also Lohnsteuern und Gewinn- und Vermögenssteuern. Während der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen von 1977 bis 2002 von ca. 30 % auf 37% angewachsen ist, ist er bei Gewinn- und Vermögenssteuern von 29% auf knapp 15% gesunken.
Ein weiterer Teil der gesamten Abgaben sind die Verbrauchssteuern, insbesondere die Mehrwertsteuer. Verbrauchssteuern sind für alle gleich, treffen sie aber eben deshalb ungleich: der Unterschied zwischen dem Warenkorb einer Arbeiterin unterscheidet sich nicht groß von dem eines Angestellten mit einem hohen Jahreseinkommen. Ein Unterschied von einem Prozentpunkt bei der Mehrwertsteuer ist deshalb unterschiedlich stark spürbar; während er für die Arbeiterin den Verzicht auf weitere Konsumgüter bedeuten kann, ist er für höhere Einkommen leicht verkraftbar.
Im dritten Teil der Abgabenlast, den Sozialleistungen, gilt grundsätzlich Parität. Aber durch die verschiedenen Reformen des Sozialsystems in den letzten Jahren sind auch hier die Einkommen stärker belastet worden als die Unternehmen. Die paritätische Finanzierung im Bereich Renten- und Krankenversicherung ist durch "Riester-Rente" und Praxisgebühren faktisch ausgehebelt und Belastungen sind auf die ArbeitnehmerInnen verschoben worden.
Die derzeitige Umgestaltung des Steuersystems befördert die ungleiche Belastung der verschiedenen Einkommensgruppen. Während der Effekt der Steuersenkungen für untere Einkommen durch die Mehrbelastung bei der Sozialen Sicherung, Hebung der Verbrauchsteuern und Wegfall von "Steuersubventionen" (hier: Pendlerpauschale) sowie die allgemeine Preissteigerung mindestens verpufft, werden Einkommensmillionäre durch die Steuerreform um 100.000 EUR entlastet. Trotzdem ist es gerade diese Gruppe, die am lautesten nach weiteren Steuersenkungen oder sogar dem gleichen Steuersatz für alle schreit.
Vom deutschen Steuerrecht profitieren also die Hochverdienenden und Vermögenden. Auch im internationalen Vergleich ist die Steuerbelastung für Vermögen in der BRD gering. Die Schieflage bei der Finanzierung der Staatsausgaben - von denen nicht zuletzt das Kapital profitiert - ist leicht zu beheben: durch Einführung einer Vermögenssteuer und einer saftigen Erbschaftssteuer auf große Erbschaften. Tax the rich!