Filmpoetin und Kunstfigur

Die Filmemacherin und Künstlerin Mara Mattuschka alias Madame Ping Pong alias Mimi Minus im Gespräch.

In einem Matriachat in Sofia groß geworden, ist Mara Mattuschka mit 16 nach Österreich gekommen. Wie "fast alle" ihrer Landsleute hat sie schon seit ihrer Kindheit immer sehr viel geschrieben, gemalt und gesungen. Hier ohne Sprache dazustehen, ohne Wurzeln hat sie nach einer weiteren Ausdrucksmöglichkeit suchen lassen. Zuerst wollte Mara Kulissenmalerin fürs Theater werden, ist aber bei der Aufnahmeprüfung durchgefallen. "Theater ist wie Film, wo man von Text ausgeht, aber ein Bild schafft. Das hat mich interessiert", erzählt die vielseitig talentierte Produzentin von mehr als 37 Kurzfilmen.?Schließlich ist Mara mit 23 in der Klasse von Maria Lassnig gelandet, "einer sehr außergewöhnlichen Künstlerin". Der Unterricht war klassisch ausgerichtet und mit einem besonders intensiven Aktmalereischwerpunkt. Maria Lassnig hat in dieser Zeit aber auch viel mit Trickfilmen gearbeitet und ein Trickfilmstudio gehabt. "Ich habe angefangen, Filme zu zeichnen. Für mich war das wie Malerei! Die Unterscheidung zwischen wesentlich und unwesentlich, diese Großzügigkeit, diese Toleranz hat mir die Malerei gezeigt", beschreibt Mara Mattschuka ihre künstlerische Prägung.
Filmschaffen. Ausgangspunkte für einen Film der Künstlerin sind immer ein Drehbuch und Skizzen. Beim Drehen selbst ist sie relativ viel hinter der Kamera, ihre langjährige Erfahrung über die geeignete Einstellung und Perspektive, ihre "Ausleuchtung" der Filmräume wie bei 16mm-Filmen, vermittelt den BetrachterInnen ihrer poetischen Kreationen ein dreidimensionales Sehen, so als stünde frau direkt neben dem Szenario. Bevorzugtes Stilelement ist der direkte Blick von Mimi Minus in die Kamera und damit das "Aus-dem-Bild-ragen" der Kunstfigur.?Wesentlich für ihr Filmschaffen ist, dass man sich dem Film widmet, sei es beim Schnitt oder beim Filmen: die Wahrung des Gefühls, eine Mischung aus Emotion und Atmosphäre, die der Film vermitteln soll. "Film wirkt wie eine Skulptur und Film entwickelt sich in der Zeit. Erinnert wird der Ton oder Stimmung, eine bestimmte Stimmung als eine narrative und konsequente Überwindung der Zeit. Es gilt, das Gefühl zu wahren. Ich glaube, Distanz automatisiert das Gefühl. Etwas Ähnliches sagt auch Maria Lassnig, wenn sie von body awareness, Körperbildern, spricht und auch dadurch habe ich meinen Zugang zur Kunst gefunden. Die Kunst braucht Widmung, in dem was man tut."?Die passende rhythmische Verbindung des Visuellen mit dem Akustischen erreicht Mara durch das Singen der einzelnen Sequenzen beim Schnitt, damit sie das richtige Gefühl für den Rhythmus und die Pausen entwickelt.?Die Avantgarde "oder das, was man so nennt", ist die Spitze des Eisbergs, eine Radikalität die nicht fruchtbringend für Mara Mattuschkas künstlerische Auseinandersetzung ist. Die Mischung aus Kitsch, unausgereiften Formen und "Schlamm" sind die Bestandteile ihrer filmischen Weiterentwicklungen. "Aus dem Dreck entwickelt sich die Blume, die kann nicht auf der Bergspitze blühen. Ich vermeide Purismus und lege Wert auf die Dinge, über die andere lachen. Dass eine bestimmte Geste sitzt, kann für mich unendlich wichtig sein, eine Unsicherheit im Blick, ein zaghaftes Lächeln, ein Schmunzeln, dass man die Geste findet, die man sucht. Während es andererseits ruhig auch roh und derb sein kann, menschlich, dreckig, muffig, ich großzügig über was hinwegsehen kann. Ich mag das bereinigte und allzu glatte nicht." Kein Wunder, dass Themen, die mit dem Scheitern zu tun haben, Mara Mattuschka besonders ansprechen, z.B. wenn jemand glaubt, den Schlüssel zum Erfolg zu haben. Eine solidarische und großzügige Einstellung zum Menschen ist auch deshalb die einzige Ideologie, der sie sich mit Humor verschreiben will: "Humor ist Lebensbewältigung. Wenn die Liebe zum Menschen fehlt, mag ich es nicht."??"Teilweise greife ich Geschichten auf, an die ich sehr früh gedacht habe, die mit meiner Kindheit zusammen- hängen und aus meinem Inneren kommen. Es gibt aber Themen, wo ich mich nicht berechtigt fühle sie umzusetzen".?In "Comeback", einem Kurzfilm, der 2006 bei der Diagonale zu sehen war, sind es mehrere Geschichten, die zusammentreffen. Maras eigene Erfahrung mit dem Altwerden, die Paradoxie, die Erfahrungen der Zukunft haben zu wollen, sich aber den Verlust von Spontaneität und weniger Energie eingestehen zu müssen, und die fantastische Geschichte, sich selbst in der Zukunft zu treffen. "Die alte Frau ist meine Schattenseite. Ich will aber nicht mehr zwanzig sein, ich glaube erst jetzt hat sich mein Grundcredo verdichtet und erweckt". Die junge Frau versus die alte Diva ist auch die Geschichte ihrer Mutter beziehungsweise die Gegenüberstellung von Mutter und Tochter. "Ich bin in einem sehr starken Matriarchat aufgewachsen, in unserer Familie waren die Frauen sehr stark, viele Stars, Journalistinnen, Künstlerinnen. Im Film karikiere ich diese Rollen, wie auch in meinen ersten Filmen, mit der berühmten schwarzen Ping-Pong-Perücke. Sie ist mein Alter Ego. Das ist ein Thema, das ich immer wieder aufgreife. Die Frauen über mir waren unendlich prägend für mich. Meine Großmutter hat mich zum Beispiel oft betrachtet und gesagt: âWie konnte deine Mutter nur ein so hässliches Kind auf die Welt bringen'. Sie wollte mir damit sagen, ich soll mich geistig beschäftigen. Die Zeit nicht vor dem Spiegel vergeuden. Lange Zeit hatte ich das Gefühl, ich muss was leisten, um geliebt zu werden", erklärt Madame Ping Pong die Ursache ihrer Auseinandersetzung.??Für die Dokumentation eines Erinnerungstheater von neuen Frauen wurde Mara beauftragt. Dass man an sie herantritt und Aufträge vergibt, ist eher die Ausnahme. Inszenierung und poetische Verdichtung sind Mara Mattuschkas Grundelemente, ihre frühe Bewunderung für Maya Deren prägten ihre Filmsprache ebenso wie die Filme von Kenneth Anger und Hans Scheirl: ,,Die Dokumentation und der epische Blick liegen mir nicht so", gesteht sie ehrlich.?In gemeinsamer Regie mit Chris Haring arbeitet Mara derzeit an der Fertigstellung von "kind of heros", ein Film, der im Osei mit "dem großen, großen Star, ohne Eitelkeiten und mit unglaublichen Einsatz" Stephanie Cumming und drei weiteren internationalen DarstellerInnen inszeniert wurde. Vier unterschiedlichen und kafkaesken Räumen sind die DarstellerInnen, die sich mittels prähistorischer Kommunikationsgeräten, Kopfhörern und Mikrofonen, miteinander unterhalten und mit ihrem Körper und ihrer Mimik intensiv agieren, zugeteilt.?"Ich hänge am meisten an den Filmen, die ich vor kurzem beendet habe. Mit meinen früheren Filmen habe ich abgeschlossen, ich habe sie einfach losgelassen und investiere Energie in meine neuen Arbeiten".?Schon lange existieren zwei fertige Drehbücher von Mara. Beide sind philosophische Komödien, die aber niemand finanzieren will, weil die Filmemacherin bei den SubventionsgeberInnen als Experimentalfilmerin abgestempelt ist. Sie selbst würde auch ohne Entgelt arbeiten, ihr Team möchte sie aber bezahlen können.?Dass das österreichische Experimentalfilmgeschehen im Ausland einen guten Ruf hat, glaubt Mara spätestens seit 2004. "Für mich war der größte politische Erfolg die Weigerung, die Diagonale abzuhalten. Viele haben darauf reagiert und waren verwundert, dass es in Österreich möglich war, derart zu protestieren. Fast alle haben sich solidarisch gezeigt, quer durch alle Sparten, um dagegen zu protestieren, auch einige Produzenten." Seit diesem Moment betrachte Mara die Filmszene anders.??"Zurückblickend auf meine Arbeit kann ich mich an Momente erinnern, z. B. beim Tonschnitt, wo ich plötzlich schräge Töne verwenden wollte und ich nicht wusste, ob ich sie verwenden sollte. Es ist eine Überraschung, man weiß nicht, auf was man sich einlässt. Je öfter man es macht, desto eher kann man sich gegen die Zensurstimme wehren. Greif zu, mach's! Man soll nix vermeiden.?Viele meiner StudentInnen haben so viele Ängste, vor allem weil die Kunst so raffiniert ist. Sie haben Angst vor Entblößung oder davor, Kitschproduktion zu machen und alle wollen mit zwanzig erfolgreich sein. Ich glaube, auf die Art wird die Malerei aussterben, denn es braucht dreißig Jahre, bis du reifst. Aber eigene poetische Kreationen und neue Bilder wird es immer geben. Das lernt man von der Malerei: Die Welt geht nicht zugrunde, wenn mal etwas schief geht, das Wagen überträgt sich auf alles anderes. Nicht ziellos, sondern weil man das Gefühl hat, dies ist richtig. Das Ziel liegt unscharf in der Ferne und man nähert sich ihm mit Gefühl. Kunst machen ist wie Schlafwandlerei, intuitiv. Wichtig ist die Reflexion über das, was man gefunden hat."

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at