Auf dem Siegertreppchen der Kriegsgewinnler

Die blutverschmierte Bronzemedaille des Waffenexports geht an die deutsche Rüstungsindustrie

Im Sommer 1993 reiste ich als Teil einer von mehreren deutschen Uni-ASten organisierten Menschenrechtsdelegation durch Türkisch-Kurdistan. Damals befand sich der Krieg zwischen der kurdischen Guerilla PKK und dem türkischen Militär auf einem Höhepunkt (1). 

Die Armee hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 4.000 kurdische Dörfer zerstört und vermint. 35.000 Menschen waren diesem Krieg schon zum Opfer gefallen, die meisten von ihnen KurdInnen. Und es waren Fotos aufgetaucht, die dokumentieren, wie am 23. September 1992 ein türkischer Panzer aus Bundeswehrbeständen den behinderten kurdischen Jungen Mesut Dünder zu Tode schleifte. 

1993 konnte ich im Kriegsgebiet, u.a. in den Städten Diyarbakir, Mardin und Urfa, überall Militärfahrzeuge und Waffen aus deutscher Produktion sehen. Auf den Panzern waren teilweise sogar noch die Bundeswehrkreuze zu erkennen. „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland." Das war damals so. Das ist heute immer noch so. Heute exportiert die Bundesrepublik weit mehr Waffen als 1993. Sie ist der drittgrößte Waffendealer der Welt.

Seit 2005 hat sich die Zahl der deutschen Kriegsschiff- und Panzerverkäufe fast verdoppelt. Die Steigerung beruht vor allem auf dem Verkauf von U-Booten und Panzerfahrzeugen. Nach der im März 2010 veröffentlichten Studie des schwedischen Friedensforschungsinstitutes SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) stieg der deutsche Weltmarktanteil am Waf­fenhandel für den Zeitraum zwischen 2005 und 2009 auf elf Prozent (2).

Noch mehr Waffen exportierten nur die USA und Russland. Die Vereinigten Staaten haben einen Weltmarktanteil von 30 Prozent, die ehemalige Weltmacht Russland von 23 Prozent. Von 2000 bis 2004 hatte der deutsche Weltmarktanteil noch bei sechs Prozent gelegen. Wichtigste Kunden der deutschen Rüstungsindustrie sind die Türkei, Griechenland und Südafrika. Der SIPRI-Bericht belegt, dass in den letzten fünf Jahren die deutschen Rüstungsausfuhren um 70 Prozent gestiegen sind. Im gleichen Zeitraum stieg der weltweite Waffenhandel um 21 Prozent. 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist Deutschland, das durch Krieg und industriellen Massenmord in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so viele Menschen vernichtet hat wie kein anderer Staat, wieder auf dem Siegertreppchen der Kriegsgewinnler. Als einer der drei führenden Exporteure des Todes liefert der Rechtsnachfolger des „Dritten Reiches" hemmungslos Panzer, U-Boote, Fregatten, Kampfhubschrauber, Maschinenpistolen, Gewehre und Munition in alle Welt. Und in Afghanistan lässt ein deutscher General einen Tanklastwagen bombardieren und - nach offiziellen Angaben - mindestens 140 Menschen ermorden, ohne dass er irgendeine Konsequenz zu fürchten hat.  Auf Platz vier der weltweit größten Waffendealer liegt Frankreich, an fünfter Stelle Großbritannien. Danach folgen die Niederlande, Italien, Spanien und Schweden. Dass vor allem europäische Staaten an der Spitze der Kriegsgerät-Lieferanten stehen, ist kein Zufall. Die EU will nicht mehr nur wirtschaftliche, sondern auch militärische Großmacht sein. Ihre Mitgliedsstaaten liefern Waffen vor allem auch in die Nahostregion, wo eine systematische Hochrüstung stattfindet. Das Geschäft ist lukrativ. Erst werden instabile Staaten hochgerüstet (3), dann werden scheinheilig die Gefahren autoritärer Regime beklagt. SIPRI beleuchtet nur die offiziell genehmigten Waffenexporte. Das Ausmaß der tatsächlichen Rüstungshehlerei ist vermutlich noch wesentlich größer, denn das, was auf dem Schwarzmarkt verscherbelt wird, ist in den SIPRI-Zahlen nicht berücksichtigt. Der illegale Anteil dürfte aber erheblich sein. Allein die Direktexporte und Lizenzvergaben der Gewehre und Maschinenpistolen des deutschen Waffenkonzerns Heckler & Koch haben nach Schätzungen der DFG-VK bis heute mehr als 1,5 Millionen Menschen das Leben gekostet (4).

„Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt", das ist keine platte Demo-Parole. Das ist Realität. Wer will, dass sich das ändert, sollte sich unter anderem mit direkten gewaltfreien Aktionen gegen die Produktion und den Export jeglicher Waf­fen stark machen, gegen Militari­sierung und für die Abschaffung des Militärs.

Bernd Drücke  

Anmerkungen:

1) Siehe: Bernd Drücke, Serxwebun! Gesellschaft, Kultur und Geschichte Kurdistans, Edition Blackbox, Bielefeld 1998

2) Siehe SIPRI-Bericht online: www.kurzlink.de/SIPRI-Bericht2010

3) Siehe dazu auch: Die EU-Politik facht den Bürgerkrieg an. Arming Somalia, Artikel von Jonna Schürkes, in dieser Graswurzelrevolution, Seite 1, 7f.

4) Weitere Infos: www.dfg-vk.de,www.imi-online.de, www.graswurzel.net, www.rib-ev.de, www.ruestungsexporte-stoppen.de

 

Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 348, April 2010, www.graswurzel.net