Am 9. November 2007 beschloss der Deutsche Bundestag die Errichtung
eines „Freiheits- und Einheitsdenkmals": Als ein „nationales Symbol in
der Mitte der deutschen Hauptstadt", solle es an die friedliche
Revolution im Herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen
Einheit Deutschlands" erinnern, „ein Denkmal der Freiheit und Einheit
Deutschlands" sein, „das zugleich die freiheitlichen Bewegungen und die
Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte in Erinnerung ruft und
würdigt". Im März 2008 präsentierte Kulturstaatsminister Bernd Neumann
(CDU) erstmals Näheres. Anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls am
9. November 2009 sollte das Denkmal bereits realisiert sein. Der
angestrebte Zeitplan erwies sich jedoch als überambitioniert. Beim
ersten Gestaltungswettbewerb waren alle 532 Vorschläge durchgefallen.
Einziges Ergebnis: Die Erkenntnis, dass aus dem Streit um das
Holocaust-Mahnmal nichts gelernt worden war. Stattdessen verstärkte sich
die Tendenz, dass private Initiatoren wie Lea Rosh (Holocaust-Mahnmal),
Wilhelm von Boddien (Schloss) und Florian Mausbach (Einheitsdenkmal)
Ideen entwickeln, die Bundesregierung und Bundestag mangels eigener
Ideen und Konzepte sowie aus Angst vor einer Blamage unterstützen. Das
Ganze wird dann als Public Privat Partnership deklariert und soll ein
breites öffentliches Interesse suggerieren. Auf das Denkmal verzichten
wollte man trotz des Scheiterns des ersten Wettbewerbs nicht. Im Juli
2009 beschloss der Bundestag daher einen zweiten Wettbewerb. Als Auftrag
blieb lediglich die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989,
da der erste Anforderungskatalog offensichtlich zu komplex und nicht
umsetzbar war. Der neue Versuch bestand aus einem offenen
internationalen Bewerberverfahren, das 386 Entwürfe hervorbrachte. Aus
den eingereichten Arbeiten wählte ein Expertengremium die Teilnehmer für
den sich anschließenden beschränkten Wettbewerb aus, an dem sich 28
Künstler beteiligten.
Als Standort für das Einheitsdenkmal wurde ausgerechnet der leere Sockel
des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals erwählt. Berlins
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit fügte sich lieber dem Wunsch
des Bundes nach der Schlossfreiheit und stellte das Grundstück ohne
Senats- oder Parlamentsbeschluss zur Verfügung. Durch den Wiederaufbau
des Berliner Stadtschlosses käme es somit zu einer unreflektierten
Beziehung zwischen Denkmal und Schloss. Selbst wenn mit dem Denkmal ein
anrührendes Mahnmal für den historisch positiven Zustand der
Wiedervereinigung geschaffen werden sollte, stellt sich doch die Frage,
was die heutige Semantik des ehemaligen Kaiserdenkmals, das sich
gegenüber dem Eosanderportal an der Westseite des Stadtschlosses befand,
als Machtsymbol des preußisch-deutschen Imperialismus im Zusammenhang
mit dem Schlossneubau außer einer Renationalisierung sein soll.
Das 1897 eingeweihte Kaiser-Wilhelm-Denkmal gilt als Höhepunkt der
Nationsinszenierung im Kaiserreich. Nach dem Tod Wilhelm I. 1888 wurde
das Denkmal zum Staatsprojekt. Der Reichskanzler wurde vom Reichstag
beauftragt, einen Wettbewerb durchzuführen. Der erste Preis des
Wettbewerbs ging an die Berliner Architekten Rettich und Pfann sowie
Bruno Schmitz. Keiner der prämierten Entwürfe hatte das Denkmal auf der
Schlossfreiheit verortet. Nach Meinung Kaiser Wilhelms II. war es jedoch
auch keinem der Preisträger gelungen, den zu Ehrenden angemessen zu
repräsentieren. Der einzige Entwurf, der der gestellten Aufgabe am
nächsten käme, sei der von Reinhold Begas, befand der Monarch. Da auf
den Geschmack des Kaisers Rücksicht zu nehmen war, beschloss der
Reichstag im Juli 1890, die Entscheidung über Ort, Gestaltung und Art
der Ausführung allein dem Kaiser zu übertragen. Aus einer Unternehmung
der Nation war damit eine Familienangelegenheit der Hohenzollern
geworden.
Das Denkmal überstand Novemberrevolution und Nationalsozialismus
weitgehend unbeschadet, erst mit dem Ende des II. Weltkrieges zeichnete
sich auch das Ende des Kaiser-Denkmals ab. Im Dezember 1949 begann der
Abriss. Erhalten blieben lediglich vier überlebensgroße Löwen-Skulpturen
und ein Adler. Die Löwen stehen seit 1963 im Tierpark Friedrichsfelde,
der Adler dekoriert den Innenhof des Märkischen Museums.
Peter Brandt, Mitinitiator des heutigen Denkmalprojekts, argumentierte
für die Wahl des Standortes: „Es war ein Denkmal mit kriegerischer
Tendenz. Die Grundidee derjenigen, die diesen Standort favorisiert
haben, war, in einer Art dialektischer Aufhebung sowohl die Kontinuität
der deutschen Geschichte als auch die Brüche sichtbar zu machen". An
solcherart dialektischer Aufhebung verhob sich allerdings schon die DDR.
Zunächst war an der Stelle des ehemaligen Nationaldenkmals ein Denkmal
für die politischen Gefangenen des Faschismus geplant. Ende 1950
beschloss das Zentralkomitee der SED dann jedoch den Bau eines
Marx-Engels-Denkmals. Nach diversen Streitigkeiten zwischen Künstlern
und Politikern wurde der Wettbewerb zunächst ausgesetzt. Im Juni 1977
wurde das Konzept einer Künstlergruppe um Ludwig Engelhardt vom
Politbüro beschlossen. Das Denkmal wurde letztlich nicht gebaut, die
Verwirklichung scheiterte aus Kostengründen und an Differenzen mit den
Künstlern, die sich den Monumentalisierungswünschen der DDR-Regierung
entgegenstellten.
Die Erwartungen der Politiker an ein Denkmal für die Nation sind auch
mehr als ein Jahrhundert nach Errichtung des
Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals vielfältig. Einige, wie
Kulturstaatsminister Bernd Neumann, sehen in dem Freiheits- und
Einheitsdenkmal „einen Kontrapunkt zur Tradition dieser Stätte sowie die
Verdeutlichung des Bruchs und die demokratische Entwicklung seit jenen
monarchistischen Zeiten". Andere, wie beispielsweise
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, werben für das „Mahnmal
unseres historischen Glücks", um zu zeigen, dass „die deutsche
Geschichte auch mal gut ausgehen" könne. Das ist ähnlich sinnstiftend
wie die Aussage von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Wir brauchen das
Schloss, weil es schön ist". Überzeugende Begründungen für die Wahl des
Standorts sind das nicht. Eher stehen die Aussagen als Beispiele für
die Fortsetzung jener Geschichtspolitik, die unter der Kanzlerschaft von
Helmut Kohl begann, die 1993 mit der Umwidmung der Neuen Wache zur
Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland ihren ersten
Höhepunkt fand und bis heute eine kontinuierliche Fortschreibung
erfährt.
Das Interesse der Bevölkerung an Einheitsdenkmälern scheint demgegenüber
begrenzt. Das erste verwirklichte Denkmal, eine symbolische Kerze,
steht in Plauen im Vogtland.
Geplante Denkmal-Ableger soll es nun auch in Zwickau, hier fehlt
noch Geld, und in Leipzig geben. Dort antwortete lediglich ein Drittel
von 3.000 Bewohnern auf eine von der Stadt initiierte Bürgerbefragung.
Knapp die Hälfte davon vertrat die Meinung, das Denkmal solle die
gesamte friedliche Revolution im Osten sowie den 9. Oktober 1989
würdigen. Der größere Teil der Befragten vertrat jedoch die Auffassung,
das Geld würde an anderen Stellen dringender benötigt. Die
Denkmalspiele der letzten Zeit vervollständigt die Posse in Dresden, wo
Alt- Kanzler Helmut Kohl die Debatte um ein Denkmal für seine Person
selbst ad acta legte.
Zurück zum geplanten Denkmal in Berlin. Am Nationalfeiertag, dem 3.
Oktober 2010, präsentierte Kulturstaatsminister Neumann die Preisträger
des zweiten Wettbewerbs. Die Jury entschied sich für drei preiswürdige
Projekte, aber gegen die Vergabe eines ersten Preises. Die drei
Preisträger (Stephan Balkenhol, Andreas Meck sowie die Architekten Milla
und Partner gemeinsam mit der Künstlerin Sasha Waltz) sind zur
Nachbesserung aufgefordert. Egal welcher der drei Entwürfe demnächst zum
Sieger gekürt wird, ein Denkmal für Freiheit und Einheit auf dem Sockel
des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. wird die Illusion der
nationalgeschichtlichen Kontinuität weiter stützen. Bereits 1882 hatte
Ernest Renan festgestellt, dass das Vergessen historischer
Gewaltereignisse eine wichtige Basis für die nationale Identität sei -
andernfalls träten affektive Bindungen der Einheit der Nation entgegen.
Das zu verhindern ist die eigentliche Aufgabe der Erzählung vom „Mahnmal
des historischen Glücks".