Repression gegen AtomgegnerInnen in Österreich

Während antifaschistische Anti-Atomkraft-AktivistInnen eingeschüchtert werden, verweigern Oberösterreichs Grüne eine Distanzierung vom ökofaschistischen „Weltbund zum Schutze des Lebens" (WSL)

In Oberösterreich weigern sich AtomkraftgegnerInnen mit Rechtsextremen zusammen zu arbeiten. Die Gruppe Antiatom-Szene hat dokumentiert, dass die Organisation  atomstopp_atomkraftfrei leben (zuvor Oberösterreichische Plattform gegen Atomgefahren) mit dem ökofaschistischen Weltbund zum Schutz des Leben - WSL verflochten ist und mit der FPÖ kooperierte. Eine Funktionärin der Plattform ermöglichte Jörg Haider einen Auftritt bei einer Grenzblockade gegen das tschechische AKW Temelin. Weil die Initiative Antiatom-Szene mit rechtsextremen Atomgegnern nicht zusammenarbeiten will, droht der grüne Landesrat mit dem Entzug von Fördergeldern.

Die österreichische Anti-AKW-Bewegung formierte sich im Widerstand gegen das AKW Zwentendorf, dessen Inbetriebnahme 1978 durch einen Volksentscheid verhindert wurde.

Heute richtet sich das Engagement österreichischer Atom­kraftgegnerInnen überwiegend gegen AKWs in Tschechien, der Slowakei und in Deutschland. In Oberöster­reich wird der Antiatom-Widerstand finanziell durch die Landesregierung in Form einer „Anti-Atom-Offensive" mittels Projektförderun­gen unterstützt.

Die Vorgeschichte

Ausgangspunkt für den Konflikt unseres Vereins „Antiatom Szene" mit der OÖ Landesregierung und mit dem für die Antiatom-Politik in Oberösterreich zuständigen Landesrat Anschober (Grüne) war unsere Distanzierung von Rechtsextremismus und unsere Weigerung mit Gruppen und Personen, welche mit dem ökofaschisti­schen WSL verflochten sind, zusammenzuarbeiten.

Dies wurde vom oberösterrei­chischen grünen Landesrat An­schober nicht nur nicht akzeptiert, sondern sahen wir uns in Folge der Distanzierung, welche wir im Zuge einer Empfehlung des Landesrechnungsho­fes zur Zusammenarbeit aller Gruppen zum Landesrech­nungshof-Bericht verfassten, mit massiven Druck seitens des Büros Landesrat Anschober konfrontiert.

Dabei wurde von uns das Zurückziehen der Rechtsextremismus-Distanzie­rung verlangt und ansonsten die Einstellung der Fördermittel aus der „Antiatom Offensive des Landes Oberösterreich" angedroht. Etliche Einschüch­terungsversu­che wurden unternommen, deren Ziel es war die Distanzie­rung von Rechtsextremismus in der „Antiatom-Offensive" zu verhindern.

Dazu muss man wissen, dass der Verein „atomstopp" im Oktober 2005 aus der „OÖ Überparteilichen Plattform gegen Atomgefahr" hervorging, die ihrerseits eine Gründung von führenden WSL-Funktionären sein dürfte.

Bis Anfang 2008 waren die Bü­roadressen des Vereins „atom­stopp" und des WSL identisch, beide hatten ihren Sitz in der Landstraße 31/II/223 in 4020 Linz, teilten sich also über mehrere Jahre ein Büro, wie es zuvor auch die Vorläuferorganisation „Plattform gegen Atomgefahr", getan hatte. Der heutige Obmann von „atomstopp", Roland Egger, wurde im September 2002 bei der „Plattform gegen Atomgefahr" als Assistent des Vorstandes angestellt. Egger, Jahrgang 1968, studierte Biologie in Innsbruck und Ökologische Umweltsicherung in Kassel und ist seit Februar 2005 Obmann von „atomstopp".

Im Rahmen der „Bilateralen Parlamentarischen Temelin-Kommission" trat Egger im September 2007 als Fraktionsexperte für die FPÖ in Erscheinung.

Nominiert wurde er dafür vom Freiheitlichen Parlamentsclub.

Auch seine Vorgängerin als Ob­frau bei der „Plattform gegen Atomgefahr" hatte offensichtlich keine Berührungsängste mit der FPÖ.

Mathilde Halla, Jahrgang 1944, ist seit 1974 in der Anti-Atombewegung tätig. Sie gründete 1986 die „Mütter gegen Atomgefahr" und war von 1988 Ob­frau der „Plattform gegen Atomgefahr". Halla ist „Konsulentin des Landes Oberösterreich für Umweltschutz". Im Februar 2005 gab Halla den Vereinsvorsitz der „Plattform gegen Atomgefahr" an Egger ab. Zugleich war sie nach Auskunft der Ver­einspolizei Salzburg seit min­destens 1997 bis 2004 Vizeprä­sidentin der WSL-Sektion Österreich. Laut Halla arbeitete die „Plattform gegen Atomgefahr" für den WSL.

Eine Schlüsselfigur ist der Präsident des WSL-Ö, zum Zeitpunkt der Kontakte zur FPÖ ebenfalls aktiv bei der „Plattform gegen Atomgefahr".

Witzany, Jahrgang 1940, amtiert bis heute als Präsident des WSL - Sektion Österreich.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) verortet den WSL bis Mitte der 1980er Jahre „im engeren Vorfeld des Rechtsextremismus", auch aufgrund einer Analyse der Positionen von führenden Aktivisten wie Wit­zany. Das DÖW schreibt: „DI Friedrich Witzany, laut Eigen­bekundung seit 1972/73 Mitglied des WSL-Ö und 1976 dort in den Vorstand gewählt, publizierte in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren wiederholt in der im engsten Umfeld des neonazistischen (1998 behördlich aufgelösten) Vereines Dichterstein Offenhausen (VDO) und der rechtsextremen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) angesiedelten Zeitschrift „zur freimütigen Erörterung von Lebensproblemen der Menschheit, Fa­nale der Zeit..."

Weder Witzany, noch der WSL-Ö haben sich jemals öffentlich von Günther Schwab, dem Gründer und Vordenker des Verbandes, und seiner (lt. Analyse von Peter Bierl) „rassistischen Ideologie, die die Basis des WSL darstellte", distanziert.

Ganz im Gegenteil.

Der „Weltbund zum Schutze des Lebens" wurde 1958 in Salzburg von dem Förster Günther Schwab gegründet, der den Ver­band entscheidend ideologisch prägte. Günther Schwab trat im Oktober 1930 in Wien der NS­DAP und der SA bei und hatte den Rang des Sturmführers.

Er publizierte im Eher-Verlag, dem Zen­tralverlag der NSDAP, in dem u.a. auch Hitlers „Mein Kampf" erschien. Laut einer ak­tuellen Analyse des Journalisten Peter Bierl prägte Schwab den WSL mit seinen rassistischen Vorstellungen von Umweltschutz. 

Die deutsche Sektion des WSL stand unter Führung des rechtsextremen Publizisten, „Volkskundlers" und ehemaligen NSDAP-Funktionärs Wer­ner Georg Haverbeck, war erfolgreich in der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung aktiv und wurde dafür von österrei­chischen Gesinnungsfreunden bewundert. Die deutsche WSL-Sektion löste sich im Jahr 2000 selbst auf, ihre Schulungsstätte „Collegium Humanum" in Vlo­tho wurde 2008 vom Bundesinnenministerium wegen Volks­verhetzung und Verherrlichung des NS verboten.

Grüne und WSL

Der „WSL" in Deutschland ist Geschichte, die „WSL-Sektion-Österreich"  ist dagegen weiter aktiv mit Unterstützung der Grünen, die sich vom „WSL-Österreich" und dessen Gründer nicht distanzieren wollen. Der amtierende Präsident des WSL-Österreich, Friedrich Wit­zany, ist Mitbegründer der Grünen St. Florian und war für die Grünen zumindest bis vor wenigen Monaten im Gemeinderat St. Florian aktiv. Landesumweltrat Rudolf Anschober von den Grünen, die Position entspricht etwa dem eines Landesumweltministers in Deutschland, veranstaltete mit dem WSL-Präsidenten gemeinsame Pressekonferenzen und ehrte Witzany mit dem „Grün-Preis", den die oberösterreichischen Grünen für besonderes Engagement vergeben.

Während unser Verein, die „Antiatom Szene", jede Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten verweigert, empfiehlt der Landesrechnungshof eine Zusammenarbeit aller Gruppen um „Synergieeffekte" zu nutzen.

Die oberösterreichische Landesregierung setzt uns nun un­ter Druck, dieser Empfehlung nachzukommen.

Diese Landesregierung basiert auf einer schwarz-grünen Koalition aus der konservativen Ös­terreichischen Volkspartei (ÖVP) mit den Grünen, gleichzeitig sind jedoch alle im Landtag vertretenen Parteien in der Regierung präsent. Das heißt, es gibt in Oberösterreich keine parlamentarische Opposition und ein grüner Landesrat exekutiert gegenüber einer antifaschistischen Anti-AKW-Gruppe die Vorgabe einer Allpartei­enregierung, der die FPÖ angehört, mit Organisationen zusammen zu arbeiten, die ihrerseits nach rechtsaußen offen sind.

Es ist nicht das erste Mal, dass der grüne Landesrat, dem Ambitionen auf den Vorsitz der Bundespartei nachgesagt werden, gegen antifaschistische KritikerInnen vorgeht.

Radko Pavlovec, der zwölf Jahre als Antiatom-Beauftragter des Landes Oberösterreich tätig war, wurde „entsorgt", als er den Umgang mit dem „WSL" und mit ihm kooperierenden Gruppen kritisierte.  Die bis da­hin weisungsfreie Stelle hat Landesrat Anschober mit einem neuen jetzt weisungsgebundenen Antiatom-Beauftragten besetzt.

Ein weiterer Streitpunkt ist unsere Kritik an der Demontage der Antiatom-Politik durch Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der konservativen ÖVP, der heute Aufsichtsrat des Atomkonzerns  RWE ist, und Alfred Gusenbauer (SPÖ).

Offensichtlich ist der Einfluss der Bundesparteien auch in Oberösterreich derart stark geworden, dass die bis dahin aktive Antiatom-Politik diesen Interessen geopfert wurde. 

Nachdem der zuständige Kon­trollausschuss im Land OÖ, an den wir uns in der Hoffnung um eine konstruktive Lösung wandten, trotz mehrerer Schreiben nicht eingriff, zeigte „Antiatom Szene" am 18. Mai 2011 Landesrat Anschober und seine stellvertretende Büroleiterin auf­grund des Verdachts der Nötigung und des Amtsmissbrauches an.

Die Anzeige wurde mittlerweile von der (weisungsgebundenen) Staatsanwaltschaft zurückgezogen. Im Gegenzug und nur wenige Tage nach unserer Anzeige erstatte das Land OÖ Anzeige gegen mich, die Ob­frau der „Antiatom Szene". Die gegen mich erhobenen Vorwürfe,  in welchen das Landesamt für Verfassungsschutz und Ter­roris­musbekämpfung (!) ermittelt, sind massiv: Neben der illegalen Weitergabe von Tonbändern wird mir auch §105 und  §106, also Nötigung und schwere Nötigung, sowie §251, Nötigung von Mitgliedern der Regierung vorgeworfen.

Grundlage für die Ermittlungen ist eine Aussage von Anscho­bers Büroleiterin, die wir zuvor angezeigt hatten. Die Vorwürfe sind unwahr und in die Kategorie „Racheakt" einzuordnen. Das Vorgehen gegen uns lässt unweigerlich Erinnerungen an den Beginn des skandalösen Tierschützerprozesses (siehe S. 16) aufkommen, wo man das Problem mittels Politjustiz lösen wollte. Vor allem aber wirft es ein deutliches Bild auf das mangelnde Demokratiever­ständnis der österreichischen Grünen und illustriert, zu welchen Methoden sie unter Kritik greifen.

Eines förderte die Anzeige gegen mich aber bereits zu Tage: Die Akteneinsicht belegt, dass dem DÖW offensichtlich für die von Landesrat Anscho­ber nach Kritik unsererseits in Auftrag gegebene Analyse des WSL, nur „ausgewählte" Schriftstücke aus der Sammlung des WSL-Präsidenten im oberösterreichischen Landesarchiv zur Verfügung gestellt wurden.

Die Auswahl selbst dürfte, so die Aussage, von der von uns angezeigten Büroleiterin selbst in die Hand genommen worden sein. Dies erscheint insbeson­dere deshalb von Wichtigkeit, da LR Anschober den WSL mittels der DÖW-Analyse augenscheinlich zu einer sauberen Weste verhelfen möchte.

Unabhängig davon verortet das DÖW trotz der fragwürdigen Umstände im Bezug auf die verfügbaren Materialien, die österreichische Sektion des WSL im Vorfeld des Rechtsextremismus und verwies dabei u.a. auf mehrere Publikationen des WSL in der rechtsextremen Zeitschrift „Sieg".

Parallel zu dem Versuch durch Vorladungen beim Verfassungsschutz und Anzeigen zu kriminalisieren und mundtot zu machen, hat uns Anschober ge­zwungen an einer Mediation mit dem WSL-nahen Verein „atom­stopp" teilzunehmen.

Würden wir uns weigern, an dieser Mediation teilzunehmen oder scheitert diese, erhalten wir keine weitere Förderung, sondern müssten eventuell so­gar bereits erhaltene Mittel in Höhe von bis zu 73.000 Euro zurückzahlen. Damit wird die Vorgabe des Me­diationsge­setzes,welches „Freiwilligkeit" vorschreibt, ausgehebelt.

Die Mediation wird dazu verwendet, jede weitere Kritik am WSL und seinen Helfern aus den Reihen der Grünen zu unterbinden. So haben uns Me­diatoren bei einer Sitzung be­reits eine Mediationsvereinba­rung vorgelegt, die eine umfassende Schweigeklausel enthält. Die gewünschte Unterschrift leisteten wir nicht.

Anstatt sich vom WSL und den mit ihm verflochtenen Gruppen und Personen zu distanzieren, halten Oberösterreichs Grüne an einer Organisation fest, die laut den Gutachten des DÖW und Bierls, zentrale Vorstellungen des Rassismus und Faschismus vertritt. Die Bundesleitung der österreichischen Grünen ist über die Vorgänge informiert und hat bisher nicht darauf reagiert.

Wir halten eine klare Trennung von ökofaschistischen Gedankengut und Aktivitäten, sowie eine inhaltliche Auseinandersetzung der Umweltbewegung in Österreich mit der Thematik für dringend notwendig und werden uns weiter einsetzen.

Dazu brauchen wir Solidarität auch aus Deutschland.

Einerseits um aufzuzeigen wie Anti-AKW-Bewegung und An­tifaschistInnen in Deutschland mit dem „WSL" verfahren sind und andererseits um klarzustellen, dass es höchste Zeit ist für einen Abschied von der braunen Traditionslinie des Umweltschutzes.

Elvira Pöschko

Elvira Pöschko ist Obfrau der NGO „Antiatom Szene" mit Sitz in Pasching, Oberösterreich.

Kontakt: 

Antiatom Szene - Das Zukunftsnetz­werk gegen Atomenergie

Thurnerweg 3

A-4061 Pasching

Österreich

Tel.: +43 650 6660065

E-Mail: office@antiatomszene.info

www.antiatomszene.info

Spenden erwünscht:

Das Konto lautet auf „Antiatom Szene", IBAN: AT845400000000362319, BIC: OBLAAT2L

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 363, 40. Jahrgang, November 2011, www.graswurzel.net