Feigenblatt Mietpreisbremse

Nach Jahren der Ignoranz steht das Thema der Wohnungsversorgung wieder prominent auf der politischen Agenda – nicht zuletzt wegen der zahlreichen Proteste gegen steigende Mieten, Zwangsräumungen und Verdrängung.[1] Besonders die SPD befindet sich nach ihren Wahlkampfversprechen einer sozial ausgerichteten Wohnungspolitik unter Druck, endlich Resultate zu liefern. Und tatsächlich nimmt die im Wahlkampf parteiübergreifend angekündigte Mietpreisbremse bereits konkrete Formen an. Als Herzstück des „Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs“ benennt der Mitte März veröffentlichte Referentenentwurf des Justizministeriums die Kappung von Wiedervermietungsmieten.

Dass die Politik auf die wachsenden Proteste reagiert, ist auch dringend nötig, haben doch gerade erst zwei bundesweite Studien den drastischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum aufgezeigt. So stellte das Pestel Institut auf der Basis von Einkommensdaten einen Fehlbestand von 4,2 Mio. Sozialwohnungen fest.[2] Die Bertelsmann Stiftung errechnete, dass armutsgefährdete Familien sich nur zwölf Prozent der familiengerechten Mietwohnungen leisten können, da bei den übrigen die Nettokaltmiete mehr als 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens verschlingt.[3] In den Großstädten stehen demnach sogar noch deutlich weniger bezahlbare Wohnungen zur Verfügung.

Kaum mehr als soziale Rhetorik

Der Entwurf zur Mietpreisbremse greift den spürbaren Problemdruck auf. Er beschreibt die wachsenden Schwierigkeiten von „vor allem einkommensschwächeren Haushalten, aber […] auch Durchschnittsverdienern […] eine bezahlbare Wohnung zu finden“ und will verhindern, dass „erhebliche Teile der angestammten Wohnbevölkerung aus ihren Wohnquartieren verdrängt werden“.

Um das zu erreichen, sieht die Mietpreisbremse im Kern die Kappung der Wiedervermietungsmieten vor. Wird eine Wohnung von einem neuen Bewohner bezogen, darf die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nur noch bis zu zehn Prozent übersteigen. Bislang konnten Vermieter verlangen, „was der Markt hergibt“. Besonders in Berlin mit seinen lange Zeit moderaten Mieten führte das in den letzten Jahren zu einer regelrechten Explosion der Mietpreise: Aufschläge bei Neuvermietungen von 50 Prozent auf die zuvor gültige Miete waren in beliebten Vierteln keine Seltenheit. Zugezogene aus München, Hamburg oder Frankfurt a. M. empfanden die großzügigen Berliner Altbauwohnungen noch immer als Schnäppchen.

Nun sollen die Länder ermächtigt werden, für den Zeitraum von jeweils fünf Jahren in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Zehnprozentkappung einzuführen. Damit will man nicht nur die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung vereinfachen, sondern vor allem auch Druck von den Bestandsmieterinnen und -mietern nehmen. Denn diese stehen den Mieterhöhungsplänen der Eigentümer und Investoren oftmals im Weg.

Was erst einmal sinnvoll klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als nicht viel mehr denn soziale Rhetorik. Denn die Mietpreisbremse schrammt am Ziel einer sozialen Wohnungsversorgung vorbei.

Politik für die Mittelschicht

Abgesehen davon, dass noch nicht geklärt ist, wie die Einhaltung der Mietpreisbremse kontrolliert und bei Verstoß sanktioniert werden soll, nützt die vorgesehene Deckelung der Wiedervermietungsmieten knapp über den ortsüblichen Vergleichsmieten vor allem der Mittelschicht. Haushalte mit mindestens durchschnittlichen Einkommen werden es künftig leichter haben, eine neue Wohnung zu finden. Das ist zwar zu begrüßen, hilft aber Haushalten mit unterdurchschnittlichen Einkommen nicht: Geringverdiener brauchen Mieten unter dem Mietspiegelniveau. Deren Anteil wird jedoch mit der Mietpreisbremse nicht steigen. Mit Blick auf die restriktiven Regelungen zu den Kosten der Unterkunft sind etwa die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften faktisch von den Vorzügen der Mietpreisbremse ausgeschlossen: Den Durchführungsrichtlinien der Sozialgesetzgebung zufolge sollen sich die Wohnkosten, die von den Jobcentern übernommen werden, am „unteren Bereich des örtlichen Mietniveaus“ orientieren. In der Regel heißt das, dass die Mieten 80 Prozent des Durchschnittsniveaus nicht überschreiten dürfen. Selbst dort, wo sich die Eigentümer an die Mietpreisbremse halten, wird es also keine Wohnungen für Hartz-IV-Mieter geben. Die Mietpreisbremse wird die Wohnungsnot der Haushalte mit geringen Einkommen daher nicht mildern. Somit bleibt schleierhaft, wie dieses Instrument die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung verhindern soll.

Darüber hinaus sichert die Mietpreisbremse weiterhin die Gewinne der Investoren. Denn Mietverträge, die nach umfassenden Modernisierungsarbeiten abgeschlossen werden, sowie Erstvermietungen von Neubauten werden im Gesetzentwurf von der Mietpreisbremse ausdrücklich ausgenommen. So bleibt es dabei, dass Eigentümer unter dem Deckmantel energetischer Modernisierung die Miete massiv erhöhen können: Jährlich können elf Prozent der Investitionskosten umgelegt werden. Die Mieterhöhung bleibt auch wirksam, wenn sich diese längst amortisiert haben. Den Umfang der Umbauten bestimmt allein der Vermieter. Er hat damit in der Hand, ob sich seine Mieter die Wohnung anschließend noch leisten können.

Zudem wird Eigentümern, die schon jetzt Mieten über der örtlichen Vergleichsmiete verlangen, ein Bestandsschutz zugestanden. Die Eigentümerlobby hat die Angst der Politik vor einer Investitionsblockade geschickt genutzt, um Ausnahmen überall dort durchzusetzen, wo Auflagen wirklich wehgetan hätten. Die aktuellen Preistreiber der städtischen Wohnungsmärkte – nämlich Modernisierungen und Neubau – bleiben daher ebenso unangetastet wie bereits bestehende überteuerte Mietverträge.

Das Problem der Marktlogik

All das zeigt: Die Mietpreisbremse ist ein typisches Instrument der Wohnungspolitik, das versucht, soziale Ziele durchzusetzen, ohne die Rentabilität des Wohnungsmarktes zu gefährden. Der Aufgabe, die rechtlichen und vor allem finanziellen Voraussetzungen für eine umfassende und nachhaltige soziale Wohnungspolitik der Kommunen zu entwickeln, werden die aktuellen Vorschläge kaum gerecht.

Doch was wäre notwendig, um eine soziale Wohnungsversorgung sicherzustellen? Hilfreich wäre zunächst eine Analyse der Ursachen und Wirkmechanismen der aufgeheizten Wohnungsmärkte. Hohe Neuvermietungsmieten und steigende Umwandlungszahlen von Miet- in Eigentumswohnungen beschleunigten vor allem in den großen Städten die Gentrifizierung und forcierten die Verdrängung ärmerer Haushalte in unattraktive Stadtlagen. Eigentümer und Investoren nutzen dabei ihr Marktmonopol über das nicht beliebig vermehrbare Wohnungsgut.

Anders als von der Baulobby suggeriert, ist es gerade nicht der fehlende Neubau, der die Mietpreise in die Höhe treibt. Im Gegenteil: Weil sich im Bestand ein gutes Geschäft machen lässt, scheuen viele Investoren das Risiko des Neubaus. Noch immer werden in Städten wie Berlin, München oder Hamburg mehr bebaute Grundstücke gekauft als Bauland für den Neubau. Der größte Teil der Investitionen fließt daher in den Erwerb von bestehenden Mietshäusern. Zudem signalisieren die steigenden Immobilienpreise eine enorm gestiegene Ertragserwartung, die nur mit hohen Mieten zu erreichen ist. Das wiederum setzt die Bestandsmieter unter Verdrängungsdruck. Denn sind die überhöhten Grundstückspreise erst einmal bezahlt, stellen die neuen Eigentümer regelmäßig fest, dass sich der Kaufpreis aus den aktuellen Mieteinnahmen nicht refinanzieren lässt. Selbst mit den nach Mietrecht möglichen Erhöhungen durch die schrittweise Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete müssten die Investoren viel Geduld aufbringen, bis sich ihre Investition tatsächlich auszahlt. Wo aber Bestandsmieter verhindern, dass die spekulative Ertragserwartung erfüllt wird, setzen die Eigentümer immer öfter auf einen Mieterwechsel. Um dies zu erreichen, wenden sie unterschiedlichste Strategien an: Diese reichen von Mietsteigerungen durch angekündigte Modernisierungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen über das Herunterwirtschaften für die Abrissgenehmigung bis hin zum subtilen Psychoterror. Diese Logik der Ertragserwartungsspekulationen durchbricht die Mietpreisbremse nicht – und auch den Trend zur Umwandlung in Eigentumswohnungen wird sie nicht umkehren.

Die Geschichte der Stadt- und Wohnungspolitik zeigt, dass Auflagen und Einschränkungen der Verwertbarkeit nur so weit reichen, bis die Phantasie der Investoren neue Wege für das lukrative Geschäft mit den Wohnungen findet. Das Problem der Wohnungsversorgung ist nicht in fehlenden Mietrechtsregelungen, sondern in der Marktlogik selbst zu verorten: Denn innerhalb dieser gibt es für eine soziale Wohnungsversorgung keinen Anreiz. Wer wirklich eine sozial orientierte Organisation der Wohnungsversorgung anstrebt, kommt um Konzepte der Dekommodifizierung und Vergesellschaftung nicht umhin. Dieses Herauslösen der Wohnungsversorgung aus der Marktlogik sollte Ziel und Maßstab für die Bewertung wohnungspolitischer Programme und Regelungen sein. Was es angesichts der aktuellen Wohnungsfragen braucht, ist keine Mietpreisbremse, sondern eine Verwertungsbremse. Im Bereich der Wohnungsversorgung wird das nur mit öffentlichen und gemeinnützigen Trägern zu realisieren sein. Beispielhaft dafür steht der öffentliche Wohnungsbau in anderen europäischen Ländern, der zum Teil seit Jahrzehnten dauerhaft preiswerten Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung bereitstellt. Diese zeigen schon jetzt, dass eine soziale Wohnungspolitik keine unerfüllbare Vision ist. Für einen solchen Politikwechsel fehlt der Großen Koalition jedoch der politische Wille. Die angemessene Wohnungsversorgung der Armen bleibt somit auch weiterhin im Wesentlichen eine kommunalpolitische Aufgabe – und Gegenstand lokalpolitischer Auseinandersetzungen.

 


[1] Vgl. Barbara Schönig, Die neue Wohnungsfrage, in: „Blätter“, 2/2013, S. 17-20.

[2] Pestel Institut, Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland. Studie im Auftrag der Wohnungsbau Initiative. Hannover 2013.

[3] Bertelsmann Stiftung, Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten. Eine bundesweite Analyse am Beispiel der 100 einwohnerstärksten Städte, Gütersloh 2013.

(aus: »Blätter« 5/2014, Seite 20-22)