Hamas

Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Das ist ein althergebrachtes, oft selbstmörderisches Ritual. Irgendwo auf der Welt passiert Übles. Auf einer Seite der Konfliktparteien stehen tatsächliche oder vermeintliche Gegner, „des Westens“ beispielsweise – und schon erklingt das anfangs leicht verhaltene Feldgeschrei von Leuten, die auf „östlicher“, also der „richtigen“ Seite bis heute nicht aus den mentalen Schützengräben des Kalten Kriegs herausgekommen sind: Man müsse doch die historischen Zusammenhänge sehen. Man müsse die tieferen Ursachen des Konfliktes betrachten. Man müsse doch sehen, dass die ein legitimes Selbstverteidigungsrecht hätten. Und genau genommen habe „der Westen“ schuld. Dass man jungen Frauen den Kopf abschneide, sei natürlich nicht in Ordnung und gehöre verurteilt, aber man müsse doch verstehen, dass…

Und schon ist sie passiert, die Täter-Opfer-Umkehr und das „richtige“ Weltbild stimmt wieder.

Schauen wir einfach mal in die „Schrift“. Nicht in die Bibel oder den Koran, die sind viel zu verwässert, sondern in die Hamas-Gründungscharta vom 18. August 1988. Die enthält einen Artikel 7. In diesem sieht sich die Hamas als „Glied in der Kette des Dschihad gegen die zionistische Invasion“ und zitiert eine Hadith des Propheten Muhammad: „Die (letzte) Stunde wird nicht kommen, bevor die Muslime die Juden bekämpfen. Und die Muslime werden sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!“

Das ist eine aus der Überlieferung herausgefilterte Handlungsanweisung.

Mit „letzter Stunde“ ist der Tag des Jüngsten Gerichts gemeint. Wohl gemerkt, die Erlösung werde nicht funktionieren, wird hier erklärt, solange noch ein einziger Jude am Leben ist. Deutlicher kann man es nicht sagen. Da nutzt auch der gern dagegen gehaltene Artikel 31 der Charta nichts, der von religiöser Toleranz gegenüber Christen und Juden spricht. So weit kommen die Gotteskrieger bei ihrer Lektüre nicht. Und wenn ja, dürften sie Probleme haben, diesen recht verschwiemelt daher kommenden Text zu verstehen. Wenn sie überhaupt programmatische politische Dokumente lesen. Das machen auch die meisten Deutschen nicht.

Oder sie verstehen im Gegenteil die Intentionen der Verfasser genau richtig: „Komm und töte ihn!“

Von verbrecherischer Siedlungspolitik zum Beispiel, von den schreienden sozialen Ungerechtigkeiten Israels gegenüber der palästinensischen Bevölkerung ist da nicht die Rede.

Unter der Überschrift „Dear Jewish Academics: Hamas Exulted in Slaughtering Jews – Not Zionist Colonialists“ veröffentlichte dieser Tage die ansonsten immer für die Rechte der Palästinenser eintretende israelische Haaretz einen Kommentar von Chaim Levinson an die Adresse westlicher Hamas-Versteher. Levinson schreibt vom Abschlachten von Juden, nicht von der vermeintlichen Bekämpfung zionistischer Kolonialisten als der realen Hamas-Praxis…

Mit Religion hat das alles nichts zu tun. Und mit Freiheitskampf erst recht nicht. Aber es ist einfach unerträglich, wenn diese Mörderbanden von kurzsichtigen Politikern und halbgebildeten Medienmenschen mit dem Islam gleichgesetzt werden. Sie begreifen nicht, dass sie sich damit freiwillig als PR-Agenten der Schlächter betätigen. Ebenso unerträglich ist es aber auch, wenn sich Leute, wie dieser Tage in Rom geschehen, zu einer „Friedenskonferenz“ versammeln und gleichzeitig den „antiimperialistischen Befreiungskampf“ in Gestalt des russischen Ukrainefeldzugs und des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober 2023 bejubeln.

Solange solche Schlächter wie die Mörderbanden vom 7. Oktober 2023 ein Messer halten können, werden sie mit dem Köpfeabschneiden nicht aufhören. Man darf sich nicht mit ihnen gemein machen. Und unmenschliche Politik beginnt immer mit der selektiven Empathie derjenigen, die das Privileg besitzen, ihre Meinung verbreiten zu können. Zu allen Zeiten haben vor den Kriegern die Intellektuellen ihre Säbel geschärft.