Ein Quantum Patricharchat

trash revisited: James Bond

Im Kino war der Neoliberalismus schon 2006 tot, ästhetisch liquidiert von James Bond. Nach Jahren des Bombasts war die Bond-Filmreihe an einem Endpunkt angelangt. Pierce Brosnan, Bond-Darsteller seit 1994, war zum Inbegriff neoliberaler Überheblichkeit geworden: immer locker, immer das gute Leben, ein zynischer Genussmensch mit teurer Kleidung und gepflegten Upper-Class-Manieren, für den nichts mehr Bedeutung hat. Das wollte nach 9/11 niemand mehr sehen.

Dann kam „Casino Royal“ und erfand Bond neu. Keine Raketen mehr im Kugelschreiber, keine Superautos, keine Gummiboot-Erotik mehr. „Casino Royal“ war der düsterste und realistischste Bond, den es je gab. Craig gab den Bond als role model moderner, intelligenter Proletarität. In der Schlüsselszene im Zug analysiert ihn Vesper Lynd als sozialen Aufsteiger, den seine Bindungslosigkeit zum idealen Rekrutierungsopfer für den MI6 machte und der die Oberklasse verachtet, weil sie ihn nie wirklich anerkennt. „Casino Royal“ handelt vom Zurechtkommen mit einer Welt, die nicht funktioniert, und mit einer männlichen Identität, die auf allen Seiten löchrig ist. Bond wird zum Opfer, wird gefoltert, verliebt sich ernsthaft, will den Dienst quittieren, verliert den Coup und kommt nur davon, weil Vesper einen Deal mit der dunklen Seite macht, der ihn rettet. Soviel Kontrollverlust war selten. „Ein Quantum Trost“ macht da weiter, wo „Casino Royal“ aufgehört hat, und fällt doch weit dahinter zurück. Die Story ist in rührend hilfloser Weise politisch korrekt. Das Kapitalisten-Netzwerk Quantum monopolisiert Wasservorräte und stürzt Regierungen, die nicht kooperieren, während das Volk zusieht. Regisseur Marc Foster stellt Shirley Eaton aus „Goldfinger“ nach, nur in Öl getaucht statt mit Gold überzogen: „Ich wollte zeigen, dass Öl das neue Gold ist.“ Wow. Schuld an allem ist nur das böse Finanzkapital, das spekuliert. Wenn die unterirdischen Dämme gesprengt werden, gibt’s wieder Wasser für alle. Wo „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ sich ernsthaft auf die Agenda der Gegner einlassen, auf Ra’s Al Guls antiwestlichen Djihad und den anarchistischen Terrorismus des Jokers, ist Dominic Greene bloß lasch. Dass Bond zum ersten Mal keinen Sex mit dem Bond-Girl hat, zeigt nur, dass es darauf überhaupt nicht ankommt. Interesse, Ernstnahme, Auseinandersetzung: Fehlanzeige. Die einzigen relevanten Beziehungen für Bond sind die zur toten Vesper und zur Übermutter M. Wie der neue Bond hätte sein müssen, kann man sich am Titelsong anhören. „Another Way To Die“ ist das erste Duett der Bond-Filmgeschichte. Alicia Keys scattet sich die Seele aus dem Leib, und Jack Whites unheilvolles Gitarrenspiel erweckt einen Eindruck von „A Hard Rain’s A-gonna Fall“, von Keys‘ Piano lakonisch kommentiert wie ein trockener Martini. „Another Way To Die“ handelt von der Allgegenwart der Gefahr, von übersteigerter Aufmerksamkeit, von geteiltem Wissen, von Gleichwertigkeit.

Auch das Plakatmotiv mit Camille und Bond in der Wüste deutet jene Art von lässiger Gleichwertigkeit an, die der Film nicht einlöst. „Bond“, wir erinnern uns, bedeutet auch „the strong affinity that develops in some species between the male and the female“. In „Ein Quantum Trost“ entwickelt sich da gar nichts. Hinter Pierce Brosnan kommt aber eben nicht das Öko-Lehrbuch, sondern die Sehnsucht nach einer neuen Vergesellschaftung — auch auf der persönlichen Ebene, auch in den Geschlechterverhältnissen. Ohne das bleibt unterm Strich
nur ein Quantum Patriarchat.