Zwischenruf

Verlautbarungswesen

in (27.03.2010)
Zuweilen ist es sinnvoll beim Lauf, auch nach den anderen Läufern zu sehen. So groß ist ja das Feld der außenpolitischen Zeitschriften in Deutschland nicht. Manche machen bei der Reklame für sich dicke Backen. So kommt die Monatszeitschrift Internationale Politik (IP, 1945 als Europa-Archiv gegründet) mit dem Untertitel daher: „Deutschlands führende außenpolitische Zeitschrift“. Damit hätten wir einen Führer, die anderen sind die Angeführten. Die Zeitschrift wird herausgegeben von der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.), zu deren Präsidialen Personen gehören wie der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, etliche weitere gewesene und derzeitige Bundesminister, Ministerpräsidenten und Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Leute aus großen Wirtschaftsunternehmen und Medienvertreter.

Zum Selbstverständnis heißt es: „Die DGAP versteht sich als nationales Netzwerk für deutsche Außenpolitik an den Schnittstellen zwischen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Medien“ und „begleitet“ (was immer das ist) „aktiv die politische
Meinungsbildung zu allen relevanten außenpolitischen Themen“. Es wird zwar deklariert, sie sei ein „unabhängiger, überparteilicher, gemeinnütziger und privater Verein“, die Nähe zur gemachten Außenpolitik der Bundesrepublik und ihrer Interessen ist jedoch
offensichtlich. Die Finanzierung der Zeitschrift erfolgt über die DGAP, der wiederum im Einzelplan 05 „Auswärtiges Amt“ des Bundeshaushaltsplans für das Jahr 2009 eine institutionelle Förderung  in Höhe von 743.000 Euro zugedacht wurde (2008 waren
das nur 307.000 Euro). Chefredakteurin dieses Führungsorgans ist seit 1. Dezember 2008 Sylke Tempel. Sie hatte bereits 2004 in der IP dafür plädiert: „Den Orient verwestlichen! Plädoyer für eine selbstbewusste Nahost-Politik“. Das war just die Zeit, in der der damalige US-Präsident George W. Bush seine „Broader Middle East“-Planungen machen ließ, zu denen auch der unselige Irakkrieg gehört hatte. Das war offenbar die Eintrittskarte. In einem Kamingespräch bei der DGAP am 11. März 2009 nannte sie es ihr Hauptanliegen, die IP weiterhin als „Ordnungselement“ in einer immer komplexer werdenden Welt zu etablieren. Mit
anderen Worten: Sie hilft dem AA, die Welt zu ordnen.
Im Jahre 1994 erblickte das erste Heft der halbjährlich erscheinenden Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) das Licht der Welt. Im damaligen Editorial wurde verkündet, sie solle „ein zentrales Forum für eine richtungs- und schulenübergreifende
wissenschaftliche Kommunikation“ im deutschsprachigen Raum für die Disziplin Internationale Beziehungen werden. Andere, bereits existierende Zeitschriften, darunter auch das oben
genannte Führungsorgan in seiner damaligen Europa-Archiv- Gestalt, könnten eine solche Zentralorgansrolle nicht spielen. Herausgeberin der ZIB ist die Sektion Internationale Politik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Christopher Daase, jetzt Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2004 bis 2009 Professor für Internationale Beziehungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München, resümierte im Editorial von Heft 2/2009 der ZIB sein fünfjähriges Wirken als geschäftsführender Herausgeber. Hier befinden wir uns nicht in den Haushaltsregionen des Auswärtigen Amtes,
sondern in den Niederungen des universitären Alltags: Die Universität hatte ihre Zusage, „eine viertel Mitarbeiterstelle“ (sic!) für einen Redakteur zur Verfügung zu stellen, nicht eingelöst, wodurch das bayerische Wissenschaftsministerium sich ebenfalls aus der Verantwortung stahl, ebenfalls eine Viertelstelle zur Verfügung zu stellen. Daase realisierte also seine Verantwortung mit drei studentischen Hilfskräften sowie den strukturmäßigen
Wissenschaftlichen Assistenten seines Lehrstuhls. Am Ende teilt er die frohe Botschaft mit: Die neuen geschäftsführenden Herausgeber sind Carlo Masala und Stephan Stetter.
Die allerdings sind Professoren an der Universität der Bundeswehr München; das ist nun auch die neue Redaktionsadresse. Im Editorial von 1994 hatte es noch geheißen, die ZIB werde auch in der Tradition der Friedens- und Konfliktforschung stehen. „Wer bezahlt,
bestellt die Musik“, sagte man früher. Man darf auf die „richtungsund schulenübergreifende wissenschaftliche Kommunikation“ unter der Federführung der Bundeswehr gespannt sein. Sollte in der Tat in Deutschland die Quadratur des Kreises gelingen, dass regierungskontrollierte Zeitschriften die Regierungspolitik kritisch diskutieren?

P.S.: Übrigens findet man jetzt die IB-Sektion der DVPW unter der Internetseite
der Universität der Bundeswehr: http://www.unibw.de/ib-sektion.